Buchbesprechung
Robert H. Frank: Success and Luck – Good Fortune and the Myth of Meritocracy, Princeton and Oxford, 2016
Robert Frank macht keinen Hehl daraus, dass das Glück nicht die alleinige Basis für den Erfolg im Geschäftsleben sein kann. Doch wer im Vorteil ist (z.B. bedingt durch Gene, Umfeld, unbekannte Einflüsse usw.), gewinnt.
Und in einer Welt, die zunehmend von winner-take-all-Märkten dominiert wird, lassen sich Chance-Gelegenheiten und triviale Anfangsvorteile mit der Zeit oftmals in viel grössere und enorme Einkommensunterschiede umsetzen. Der Autor zeigt, wie falsche Glaubensüberzeugungen gegen das Glück trotz anhaltender Beweise bestehen bleiben.
Deshalb ist die Frage berechtigt, in wie fern Glück und Zufall eine Rolle spielen, im Geschäftsleben Erfolg zu haben. Zumal mit dem zunehmenden Wettbewerb, Zufallsereignisse noch wichtiger werden.
Noch einmal: Es geht nicht um Können oder Glück. Das Buch richtet sich gegen die Meritokratie bzw. die Anhänger der Idee von einer „Leistungsgesellschaft“, die z.B. in Europa von der neoliberalen Doktrin voreingenommen, mit besonderen Merkmalen wie Abbau des Staates, Privatisierung und Deregulierung auffällt, was von Albrecht Müller in seinem im Jahr 2009 erschienen Buch meisterhaft darlegt wird.
Es ist augenfällig, dass gerade in dieser Hinsicht viele Menschen mit einer konservativen Vorstellung von der Welt sich von den Menschen, die den sozialen Sinn des Lebens nicht übersehen, unterscheiden, weil sie diejenigen, die ein Vermögen anhäufen, fast immer als talentiert und tüchtig betrachten. Aber auch die Liberale (im amerikanischen Sinne) liegen nicht falsch, wenn sie bemerken, dass unzählige andere Menschen mit gleichen Qualitäten nicht auf den grünen Zweig kommen.
Und tatsächlich entdecken Sozialwissenschaftler seit einigen Jahren, dass der Zufall eine viel wichtigere Rolle im Leben spielt als die meisten Menschen denken.
Dem Autor, der an der Cornell University Wirtschaftswissenschaften lehrt, gelingt es, sichtbar zu machen, warum die Reichen die Bedeutung des Glücks im Erfolg unterschätzen und weshalb und wie alle Menschen davon negativ betroffen werden.
Sein Augenmerk richtet sich aber nicht auf die Rolle des Glücks bei der Erklärung von Differenzen in personellen Eigenschaften, sondern darauf, zu beschreiben, was die Forscher in den vergangenen Jahren über den Einfluss von externen Zufallsereignissen und Umweltfaktoren auf die wesentlichen Ergebnisse im Leben von Menschen herausgefunden haben; Einflüsse, die unabhängig von Eigenschaften und Mängeln eines Menschen auftreten.
Warum verdienen aber tüchtige Menschen mit ähnlichen Talenten und Schulung oft ein dramatisch unterschiedliches Einkommen?
Der Ansatz „Human Capital“, der als Gemisch aus Intelligenz, Training, Erfahrung, sozialen Kompetenzen und anderen persönlichen Charaktermerkmalen gilt und zur Erklärung hierbei herangezogen wird, kann nicht im Geringsten die Arbeitsentgelt-Disparitäten näher veranschaulichen.
Gewisse Skills sind in manchen Einstellungen („The-Winner-Take-All“) viel wertvoller als in anderen. Ein begabter Verkäufer beispielsweise wird viel produktiver sein, wenn er die Aufgabe hat, Finanzprodukte an einen Staatsfonds zu verkaufen als wenn er Kinderschuhe verkaufen müsste.
Da die Anzahl der Teilnehmer zunimmt, werden Zufallsereignisse bei jedem Wettbewerb entscheidend. Weil es erforderlich ist, dass alles klappen muss, d.h. den richtigen Weg nehmen muss, um einen Wettbewerb mit einer grossen Anzahl von Kandidaten zu gewinnen. Und das wiederum bedeutet, dass es, auch wenn das Glück nur einen trivialen Teil der Gesamtleistung ausmacht, selten einen Gewinner gibt, der nicht viel Glück hatte.
Die meisten Dinge, die wir im Leben erleben, sind das Ergebnis von komplexen Kombinationen von Ereignissen, sodass die normale Lebensdauer viele Millionen von Vorkommnissen tangiert wird, die verblüffend unwahrscheinlich sind.
Die grundlegenden Faktoren bei der Erringung und Bewahrung von Macht sind für Machiavelli Glück (fortuna) und Tüchtigkeit (virtu), schreibt Prof. Alois Riklin in seinem hervorragenden Buch „Die Führungslehre von Niccolo Machiavelli“.
Wenn in einem guten Umfeld geboren zu werden, eines der glücklichsten Dinge ist, die einem je widerfahren kann, dann ist es ein Versagen, Glücks Bedeutung zu erkennen. Weil das Versäumnis, die Tragweite des Glücks zu konstatieren, erfolgreiche Leute widerwillig macht, Steuern zu zahlen, die erforderlich sind, um die notwendigen Investitionen zur Aufrechterhaltung eines guten Umfelds zu tätigen.
Mehr realistische Vorstellungen über Glück machen es nicht nur einfacher, gute Umgebungen zu erzeugen und beizubehalten, sondern fördern auch materielle Lebensstandards von auch meisten erfolgreichen Mitgliedern der Gesellschaft.
Aus diesem Grund schlägt Frank vor, die gegenwärtige Einkommenssteuer zugunsten einer steil steigenden, progressiven Konsumsteuer abzuschaffen. Wenn z.B. eine Familie 100'000 USD im Jahr verdient und 20'000 USD spart, beträgt der Konsum 80'000 USD. Wenn der Steuerfreibetrag 30'000 USD ist, dann beträgt der besteuerbare Konsum der Familie 50'000 USD.
Wer Franks Bücher, Artikel und Kolumne bei NYTimes oft liest, wird zustimmen, dass der Autor ein grosses Herz hat. Seine Art, Geschichten zu erzählen, ist sehr angenehm und eindrücklich. Ein fesselndes Buch.
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