Samstag, 28. September 2024

Unexpected Revolutionaries

Buchbesprechung

Manuela Moschella: Unexpected Revolutionaries – How Central Banks Made and Unmade Economics Orthodoxy, Cornell University Press, 2024.



Das vorliegende neue Buch unternimmt den Versuch, Licht auf die Frage zu werfen, was die tiefgreifenden Entscheidungen zur Transformation des Zentralbankwesens in den vergangenen 15 Jahren beeinflusst hat. 

Die besonderen Eigenschaften, welche die Zentralbanken in den Industrieländern kennzeichnen, sind allgemein bekannt: «Ruf» und «Glaubwürdigkeit». 

Weitere Stichworte sind «Konservativität» und «politische Neutralität», wobei Konservativität sich auf die Bedeutung, die die Zentralbanker einer niedrigen Inflation im Verhältnis zu anderen makroökonomischen Zielen beimessen, bezieht. Und politische Neutralität betrifft den Vorrang des Grundsatzes „Wissenschaft vor Diskretion“.

Die herkömmliche Sichtweise vor diesem Hintergrund betrachtet Zentralbanken als unabhängige und Expert-orientierte Institutionen, die langweilig und vorhersehbar sind.

Das eng gefasste Mandat, das auf Preisstabilität ausgerichtet ist, und eine strikte Trennung der Zuständigkeiten zwischen Geld- und Fiskalpolitik voraussetzt, trug (bislang) dazu bei, eine orthodoxe Denkweise über Zentralbanken in den einzelnen Ländern zu pflegen, ohne auf Widerstand zu stossen.

Die Erfahrung der Inflationsbekämpfung in den 1970er und 1980er Jahren war nämlich für die Wirtschaftstheorie und -politik so entscheidend, dass sie allgemein als das bestimmende makroökonomische Ereignis der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gilt.

Sonntag, 22. September 2024

The Return of Inflation

Book Review - Buchbesprechung

Paul Mattick: The Return of Inflation – Money and Capital in the 21st Century, Reaktion Books, October 2023.

Paul Mattick: Die Rückkehr der Inflation – Geld und Kapital im 21. Jahrhundert, Dietz Berlin, April 2024.

Mit der Entscheidung vom Mittwoch, die Zinsen um 0,50% zu senken (auf ein Zielband von 4,75% bis 5,0%), hat die Fed die Zinswende eingeleitet. Somit beginnt für die US-Notenbank ein neues Kapitel, die Anfang 2022 mit der Anhebung der Kreditkosten begonnen hatte, um einen Pandemie-bedingten Preisanstieg einzudämmen. 

Die (vorübergehende) Inflation, angefacht durch Unterbrechungen der globalen Versorgungskette und eine Nachfragewelle verschlossener Verbraucher, kletterte auf den höchsten Stand seit 1981.

Zur Erinnerung: Die amerikanische Zentralbank hat die Zinssätze 11x erhöht und ihren Leitzins («Fed Funds Rate») im Juli 2023 auf ein Zwei-Dekaden-Hoch gebracht.

Die Inflation-Falken hatten im Vorfeld den Teufel an die Wand gemalt. Die «Rückkehr der Inflation». Und der Sündenbock war schnell vorgeschoben: Die expansive Fiskalpolitik.

Seitdem hat sich die Inflation deutlich abgekühlt, von 9% zurück auf 2,5% und nähert sich damit dem 2%-Ziel der Fed. Und obwohl sich der Arbeitsmarkt abgeschwächt hat, gibt es keine eindeutigen Anzeichen dafür, dass sich die US-Wirtschaft in einer Rezession befindet oder an der Schwelle zu einer solchen steht. 

Eine Frage, die zudem abschliessend nicht genau beantwortet werden kann, ist, inwiefern der rasche Rückgang der Inflation mit der straffen Geldpolitik der Zentralbanken zu tun hat.

Denn der «go big-go early» Ansatz der US-Administration, die zu einer «sanften Landung» der Wirtschaft mit höherer Produktivität und mehr Arbeitsplätzen geführt hat, darf fairerweise nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Beispielsweise hatte die deutsche Regierung im November 2023 Steuererleichterungen in Höhe von €28Mrd. angekündigt, um das von Problemen geplagte herstellende Gewerbe von hohen Energie-Kosten zu schützen.

Eine zentrale These dieses Buches vor diesem Hintergrund ist, dass weder die Zentralbanken noch die prominenten Ökonomen es verstehen, wie die Wirtschaft heute funktioniert. Mit anderen Worten geht es um «das Versagen der ökonomischen Theorie», was aus Sicht des Autors keine Überraschung ist. Die Wirtschaftstheorie ist namentlich in Bezug auf das Wesen des Geldes realitätsfremd.

Denn Inflation ist nicht ein monetäres Phänomen, sondern resultiert aus der Funktionsweise des Systems von Warenproduktion und Tausch insgesamt.

Sonntag, 1. September 2024

Supercharge Me

Buchbesprechung

Eric Lonergan and Corinne Sawers: Supercharge Me – Net Zero Faster, agenda publishing, Febr 2022, Newcastle upon Tyne.


Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Fokus auf ökologische Investitionen die Finanzmärkte erfasst hat, insbesondere in Europa. Es vollziehen sich gewaltige Veränderungen.

Es gibt Anzeichen dafür, dass sich Umweltfaktoren auf Aktienkurse und Anleiherenditen auswirken, was Unternehmen motiviert, das individuelle Verhalten zu ändern. CEOs und Vorstände sind ohne Zweifel besessen von dem Aktienkurs des eigenen Unternehmens, nicht zuletzt, weil ihre persönlichen Finanzen davon beeinflusst werden.

Das Umdenken in den letzten zwei Jahren hat sich rasant vollzogen. Der Trend spiegelt den Wandel in der Unternehmenskultur vollständig wider.

Und dafür gibt es drei Gründe. Die sozialen Normen ändern sich, es wurden regulatorische Änderungen eingeführt, und Aktien, die als umweltfreundlich wahrgenommen werden, entwickeln sich besser als der Markt. 

ESG steht für „Environmental, Social and Governance“ (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) und ist in der Finanzwelt zum Schlagwort für Investitionen mit Gewissen geworden. 

Es ist dennoch verblüffend, im Nachhinein erneut Revue passieren zu lassen, wie sich vor dem Hintergrund der erheblichen Einschränkungen des öffentlichen Lebens in Form des sog. «lockdowns» während der Pandemie ein Kulturwandel in Sachen «Klima-Wandel» entwickelt hat. 

Die meisten großen Finanzunternehmen und Banken haben sich beispielsweise im Jahr 2022 verpflichtet, ihre „finanzierten Emissionen“ («financed emissions») bis 2050 auf null zu senken.