Freitag, 28. September 2012

Was heisst eigentlich „Währungskrieg“?


Wie die Schlagzeilen darauf hindeuten, macht das hässliche Wort „Währungskriege“ dieser Tage wieder die Runde. Es war im Herbst 2010, als Brasiliens Finanzminister Guido Mantega nach der Ankündigung von QE2 durch die US-Notenbank „die aggressive geldpolitische Haltung der USA“ anprangerte. Mit den defensiven Massnahmen, die andere Länder darauf hin treffen, nehme die Gefahr in Richtung eines „Währungskriegs“ zu, klagte Mantega als Erster.

Heute wirft Mantega in einem Gespräch mit FT den USA erneut vor, mit QE3 (via Druckerpresse) die Probleme lösen zu wollen.

Ist aber heute tatsächlich ein „Währungskrieg“ im Gange?  Gibt es Unterschiede zwischen den früheren Fällen der monetären Lockerung und den aktuellen Fällen?

Hans Redeker, Morgan Stanley geht in einer gestern vorgelegten Forschungsarbeit auf diese Fragen ein. Seine Definition von „Währungskrieg“ lautet wie folgt: wenn die Behörden in einem Land gezielte Massnahmen ergreifen, um den Wechselkurs zu schwächen, und die Behörden in einem anderen Land, wo sich die Währung aufwertet, Gegenmassnahmen treffen, um die Wirtschaft vor der zerstörischen Wirkung einer überbewerteten Währung zu schützen, dann liegt es ein Währungskrieg vor. Diese Massnahmen reichen von Sterilisierung des Zuflusses der Devisen durch die Anhäufung von Fremdwährungsreserven bis zur Kontrolle des Kapitalverkehrs.

Lockerung der monetären Bedinungen führen oft zu schwächeren Währungen. Allerdings stellen die Senkung der Zinsen oder die Erhöhung der Liquiditätsversorgung nicht offentsichtlich hinreichende Bedingung dafür dar, um einen Währungskrieg zu manifestieren, erklärt Redeker. Um als „Währungskrieg“ betitelt zu werden, muss ein Policy-Mix absichtlich konzipiert sein, um die eigene Währung zu schwächen. Und dafür muss in erster Linie monetäre Lockerung verwendet werden als Fiskalpolitik oder Reformen, die auf einen Anstieg der Investitionen setzen.


Brasilien Fremdwährungsreserven, Graph: Hans Redeker, Morgan Stanley

Währungskriege“ betreffen Wechselkurs-Manipulation, hält Redeker fest. Und es gibt andere Instrumente als Geldpolitik, die eingesetzt werden können, um Einfluss auf den Verlauf der Wechselkurse zu nehmen. Brasiliens Behörden sahen in den vergangenen zehn Jahren die währungsbedingten Konsequenzen von enormen Investitionen ins eigene Land bekannterweise nicht gerne an. Als Reaktion hat die brasilianische Zentralbank mit dem Ziel Währungsreserven angehäuft, um die Landeswährung Real (BRL) abzuwerten. Das gilt im Grunde genommen auch als ein manipulatives Instrument wie der Einsatz von einem Policy-Mix, um absichtlich die eigene Währung abzuschwächen.

Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund der rasante Anstieg der globalen Fremdwährungsreserven parallel zu der Ausdehnung der gesamten Bilanzsumme der G4-Länder seit 2010/11. G4 umfasst USA, EWU, Japan und Grossbritannien.


Gesamte Bilanz-Summe der G4-Zentralbanken versus Fremdwährungsreserven, Graph: Hans Redeker, Morgan Stanley

Heute ist aber angesichts der Tatsache, dass die Tendenzen der globalen Binnennachfrage sich annähern und das Exportwachstum sich verlangsamt hat, nicht zu erwarten, dass aufgrund der dritten Runde der mengenmässigen Lockerung der Geldpolitik in den USA zu einem Abfluss von US-Dollar in andere Währungen kommen dürfte wie in den vorherigen Runden via QE zu beobachten war.

Die USA, Japan und Europa haben heute alle eine schwache Wirtschaft. Sie alle würden von einer weiteren QE-Runde profitieren. Wenn die Zentralbanken gleichzeitig die monetären Bedingungen lockern würden, gäbe es keinen Grund für Investoren, die eine Währung einer anderen vorzuziehen.

Wenn z.B. die Fed die expansive Geldpolitik angesichts der anhaltenden ungünstigen Perspektiven der globalen Wirtschaft fortsetzt, und die EZB sich weigert, mitzumachen, dann verliert der US-Dollar gegenüber dem Euro an Wert. Wenn aber die EZB dem US-Beispiel folgen würde, würden sich die anfänglichen Wechselkursschwankungen wieder umkehren. Dieselbe Logik gilt auch im Spannungsfeld zwischen der EZB und der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Während die EZB erst kürzlich mit der Ankündigung des OMT-Programms die Bereitschaft unterstrich, zaghaft die Rolle als lender of last resort wahrzunehmen, gilt die SNB wegen ihrer Entschlossenheit, eine übermässige Aufwertung des Frankens mit ihren schwerwiegenden Folgen für die Preis- und Wirtschaftsentwicklung in der Schweiz nicht zuzulassen, als Vorbild.

Doch die EU stemmt sich aus dogmatischen Gründen dagegen, die wahren Ursachen für die Euro-Krise zu erkennen. Der Austeritätskurs ist das falsche Rezept. Die harschen Sparmassnahmen führen die Staaten an der EU-Peripherie in den Ruin. Die globale Volkswirtschaft braucht heute eine lockere Geldpolitik und eine expansive Fiskalpolitik. Wirtschaftsleben ist nicht eine Moralfabel.

PS:

Brasilien erhebt seit 2010 Steuern auf den Zufluss des fremden Kapitals aus dem Ausland. 

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