Dienstag, 11. September 2012

Krugmans Lösungsansatz für die Euro-Krise


In einem aktuellen Interview mit L’Express aus Paris antwortet Paul Krugman auf die Frage, wie sein Lösungsvorschlag für die südlichen Länder im Euro-Raum aussehe, dass zunächst einmal „internal devaluation“ (interne Geldabwertung) als herkömmliche Lösung winke, was ja von der EU in der Gegenwart angestrebt wird.

Grundsätzlich könnte man mittels Lohnsenkungen wieder wettbewerbsfähig werden, erklärt der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor. Es sei allerdings keinem einzigen Land gelungen, nicht einmal Irland oder Lettland, die Reallöhne in der Privatwirtschaft zu senken.

Ausserdem verstärkt Deflation die private Schuldenlast. Und es droht Kapitalflucht aus dem Euro-Raum. Treffen die von der Krise geplagten Regierungen all die Massnahmen der vorgeschriebenen Austeritätspolitik, geraten sie schnell in einen Teufelskreis.

Spanien zahlt im Vergleich zu Deutschland um ein Drittel zu hohe Gehälter. Anstatt die Löhne gewaltsam zu senken, was ja eine politische Unmöglichkeit bedeutet, könnte man die Löhne jenseits des Rheins steigen lassen, um den Wettbewerb mit Spanien zu fördern, legt Krugman nahe. Das hätte eine Lockerung der Geldpolitik zur Folge und würde für Deutschland sicher eine höhere Inflationsrate bedeuten.

Was hat es aber mit einer höheren Inflation auf sich?

Krugman erläutert seinen Lösungsansatz in seinem BuchEnd This Depression, Now!“. Doch hat der Träger des Wirtschaftsnobelpreises dazu auch in seinem Blog mehrmals Stellung bezogen.

Zunächst gilt es, sich zu vergegenwärtigen, dass die Euro-Krise nicht durch unverantwortliche Haushaltsführung zustande gekommen ist. Die wahre Ursache der Krise ist die Lücke in der Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Mitgliedsländern der Euro-Zone.



Deutschland Inflationserwartungen (5 Jahre) gemessen am Break-even Satz: 1,28% (intraday), Graph: Bloomberg

Wenn der Nominalzins auf der Untergrenze von Null (zero lower bound) liegt, verliert die Geldpolitik an Wirksamkeit, die Wirtschaft über Zinsen zu steuern. Die Situation wird so beschrieben, dass die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt.

Der Realzins kann vor diesem Hintergrund nur dann sinken, wenn die Zentralbank zulässt, dass das Preisniveau vorübergehend ansteigt. Dies geschieht i.d.R. über die Inflationserwartungen. Darum formuliert Krugman provokativ, dass die Zentralbank sich glaubwürdig verpflichten soll, „unverantwortlich“ zu handeln. Das hat wiederum mit der Kommunikationstrategie der Zentralbank zu tun. Die Wirksamkeit der Kommunikation hängt von der Glaubwürdigkeit ab. Die Zentralbank muss klar begründen, warum sie jetzt (in einer Extremsituation) das Inflationsziel anhebt.

Warum soll aber der Realzins sinken? Der Privatsektor (sowohl Unternehmen als auch private Hauhalte) ist derzeit überschuldet. Der Druck, Schulden abzubauen (deleveraging) , führt zu einem Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Wenn die Schuldner sich mit Ausgaben zurückhalten, müssen die Gläubiger animiert werden, die Ausgaben zu erhöhen. Dies erfolgt nur dann, wenn die Realzinsen fallen. Fallen die Realzinsen nicht, leidet die Wirtschaft unter dem anhaltenden Nachfrageausfall.

Realzins = Nominalzins – Inflationsewartungen

Man muss sich das Ganze anhand der obigen Gleichung vorstellen. Der Nominalzins liegt auf der Nullgrenze. Und die Inflationserwartungen kommen kaum vom Fleck, wie z.B. in der Abbildung zu sehen ist.

Solange der Nominalzins auf Null verharrt, kann der Realzins nur dann sinken, wenn die Inflationserwartungen ansteigen. Wenn niedrige Zinsen oder auch eine starke Ausweitung der Notenbankgeldmenge (Geldbasis) fehlinterpretiert werden, wird der Spielraum der Geldpolitik (in Depression) noch enger, wie Gerhard Illing (h/t to FTD WirtschaftsWunder) in einem lesenswerten Artikel („Kommunikationsprobleme unkonventioneller Geldpolitik“)  in Wirtschaftsdienst (siehe Zeitgespräch) beschreibt.

Um den Teufelskreis, der aus fallenden Preisen und der steigenden realen Schuldenlast (debt-deflation) besteht, zu durchbrechen, muss das Inflationsziel vorübergehend angehoben werden.

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