Wenn
die EZB jetzt durch ihr neues Anleihen-Ankaufprogramm (OMT: outright monetary transactions)
Staatsanleihen der von der Krise besonders schwer getroffenen EU-Länder an der
Peripherie kaufen will, wird sie die entsprechende Summe dem Konto der Bank,
der sie die Papiere abkauft, bei sich, also bei der EZB selbst gutschreiben,
und zwar elektronisch. Es gibt keinen physischen Geldtransfer.
Am
Ende einer solchen Transaktion steigen sowohl die Vermögenswerte (Aktiven) als
auch die Verbindlichkeiten (Passiven) in der EZB-Bilanz an, wie Greg Fuzesi,
JPMorgan in einer Forschungsarbeit
(Dec, 2011) anhand einer stilisierten Bilanz zeigt.
Das
heisst, dass der Ankauf von Vermögenswerten auf der Aktiv-Seite der EZB-Bilanz
dem Anstieg der Bankreserven auf der Passiv-Seite der EZB-Bilanz entsprechen.
Die neue Liquidität (neue Reserven) erhöht die Summe des Giroguthaben (current account). In dieser Form sind
die Reserven vollständig liquid und können sowohl für die Erfüllung der
Mindestreserveanforderung als auch für die Transaktionen am Interbanken-Markt
eingesetzt werden.
Was
könnte aber eine Bank mit den Überschussreserven (excess reserves) anfangen? Es gibt drei Möglichkeiten:
(1) die Bank könnte die
Mittel in die Einlagefazilität (deposit facility)
verlagern, die aber, seitdem die EZB am 5. Juli 2012 den Zinssatz von 0,25% auf
0,00% gesenkt hat, nicht mehr vergütet werden, was sie nicht mehr attraktiv macht.
(2) die Bank könnte die Mittel auf dem Interbanken-Markt im Kreditgeschäft
verwenden, wo sie über Nacht 0,1% verdienen würde, was aber nicht geschieht,
weil die Banken angesichts der anhaltenden Spannungen dem Kreditrisiko untereinander
auf alle Fälle aus dem Weg gehen wollen und
(3) die Bank könnte die Mittel für
eine Woche in fixed-term deposit facility
umschichten, wie die EZB sich wünscht.
Stilisierte
Bilanz des Eurosystems, Graph: Greg
Fuzesi, JPMorgan
Alle
Optionen haben ihre Nachteile.
Die
EZB hat die fixed-term deposit facility
(mit einer Laufzeit von einer Woche) im Mai 2010 eingeführt, um die Liquidität
abzuschöpfen, mit dem Ziel, mit Deposit-Fazilität die durch die Anleihe-Käufe
via SMP (securities market programme) ausgelöste
Liquidität zu sterilisieren.
Wäre
es aber schlimm, wenn die EZB die Liquidität, die sie in den Markt pumpt, an
anderer Stelle nicht wieder aus dem Markt abschöpft?
EZB
Liquidität, deposit account versus current account, Graph: Morgan Stanley
In
der Schweiz findet durch die SNB keine Sterilisierung statt, weil
die SNB die Ansicht vertritt, dass es kontraproduktiv wäre. Auch Giroguthaben
(Sichtguthaben) werden von der SNB nicht verzinst. Obwohl die Notenbankgeldmenge in der Schweiz
in den vergangenen zwölf Monaten um mehr als 260% gestiegen ist, verläuft die Teuerungsrate
negativ. Der Anstieg der Geldmenge
führt nicht automatisch zu einem rasanten Anstieg der Inflation, wenn es an
Nachfrage mangelt.
Unterauslastung
der Produktionskapazitäten, der Verlauf des Geldmultiplikators, der harsche Austeritätskurs
und Massenarbeitslosigkeit deuten im Euro-Raum eher auf die Deflationsgefahr
hin.
Das
Sterilisierungsvorhaben der EZB ist daher rein darstellerisch und irrelevant:
(a)
Die Massnahme verkleinert die EZB-Bilanzsumme nicht auf die Grössenordnung vor
der Euro-Krise zurück, wie zuletzt am Beispiel von SMP zu beobachten war. Wenn
es eine Sorge sein sollte, dass die Ausdehnung der Bilanzsumme der EZB eine
Gefahr für zunehmende Inflationsgefahr darstelle, dann ist festzuhalten, dass
die Methode, die die EZB an den Tag legt, um die Liquidität abzuschöpfen, diese
„Problematik“ nicht angeht.
(b)
Mit dem Ankauf von Staatsanleihen aus der Peripherie werden im Grunde genommen
riskantere Vermögenswerte durch sichere Vermögenswerten ersetzt. Mit der
Sterilisierungsmassnahme der EZB werden aber die Mittel lediglich für eine
Woche zurückgebunden. Die Sterilisierung an sich neutralisiert die Auswirkungen
des OMT-Programms auf die EZB Bilanz, die sich im Verlauf der Euro-Krise
ausweitet hat, nicht und
(c)
die Bundesbank hebt immer wieder das Moral-Hazard Problem hervor: wenn die EZB spanische
und italienische Staatsanleihen kauft, werden die Anreize für die betreffenden
Länder schlechter, den Haushaltskonsolidierungskurs fortzusetzen. Für die
Finanz-Krise waren aber nicht die Regierungen verantwortlich. Es war der
Privatsektor, der sich übermässig verschuldet hat. Das heisst, dass das Moral-Hazard Problem,
welches die Bundesbank nun für die Staatsanleihen geltend machen will, bereits
bei den Banken existiert hat.
Es
ist die Aufgabe der Zentralbank, die Märkte zu beruhigen. Um das Moral-Hazard
Problem am Anleihemarkt zu unterbinden, braucht es Regeln, wofür die
Aufsichtsbehörde verantwortlich ist. Es wäre ein fataler Fehler, wenn die
Zentralbank ihre Rolle als lender of last resort aufgäbe, nur weil es ein Moral-Hazard Risiko gibt.
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