Donnerstag, 20. September 2012

EZB und OMT: Ist Sterilisierung sinnvoll?


Wenn die EZB jetzt durch ihr neues Anleihen-Ankaufprogramm (OMT: outright monetary transactions) Staatsanleihen der von der Krise besonders schwer getroffenen EU-Länder an der Peripherie kaufen will, wird sie die entsprechende Summe dem Konto der Bank, der sie die Papiere abkauft, bei sich, also bei der EZB selbst gutschreiben, und zwar elektronisch. Es gibt keinen physischen Geldtransfer.

Am Ende einer solchen Transaktion steigen sowohl die Vermögenswerte (Aktiven) als auch die Verbindlichkeiten (Passiven) in der EZB-Bilanz an, wie Greg Fuzesi, JPMorgan in einer Forschungsarbeit (Dec, 2011) anhand einer stilisierten Bilanz zeigt.

Das heisst, dass der Ankauf von Vermögenswerten auf der Aktiv-Seite der EZB-Bilanz dem Anstieg der Bankreserven auf der Passiv-Seite der EZB-Bilanz entsprechen. Die neue Liquidität (neue Reserven) erhöht die Summe des Giroguthaben (current account). In dieser Form sind die Reserven vollständig liquid und können sowohl für die Erfüllung der Mindestreserveanforderung als auch für die Transaktionen am Interbanken-Markt eingesetzt werden.

Was könnte aber eine Bank mit den Überschussreserven (excess reserves) anfangen? Es gibt drei Möglichkeiten: 

(1) die Bank könnte die Mittel in die Einlagefazilität (deposit facility) verlagern, die aber, seitdem die EZB am 5. Juli 2012 den Zinssatz von 0,25% auf 0,00% gesenkt hat, nicht mehr vergütet werden, was sie nicht mehr attraktiv macht. 

(2) die Bank könnte die Mittel auf dem Interbanken-Markt im Kreditgeschäft verwenden, wo sie über Nacht 0,1% verdienen würde, was aber nicht geschieht, weil die Banken angesichts der anhaltenden Spannungen dem Kreditrisiko untereinander auf alle Fälle aus dem Weg gehen wollen und 

(3) die Bank könnte die Mittel für eine Woche in fixed-term deposit facility umschichten, wie die EZB sich wünscht.


Stilisierte Bilanz des Eurosystems, Graph: Greg Fuzesi, JPMorgan

Alle Optionen haben ihre Nachteile.

Die EZB hat die fixed-term deposit facility (mit einer Laufzeit von einer Woche) im Mai 2010 eingeführt, um die Liquidität abzuschöpfen, mit dem Ziel, mit Deposit-Fazilität die durch die Anleihe-Käufe via SMP (securities market programme) ausgelöste Liquidität zu sterilisieren.

Wäre es aber schlimm, wenn die EZB die Liquidität, die sie in den Markt pumpt, an anderer Stelle nicht wieder aus dem Markt abschöpft?


EZB Liquidität, deposit account versus current account, Graph: Morgan Stanley

In der Schweiz findet durch die SNB keine Sterilisierung statt, weil die SNB die Ansicht vertritt, dass es kontraproduktiv wäre. Auch Giroguthaben (Sichtguthaben) werden von der SNB nicht verzinst. Obwohl die Notenbankgeldmenge in der Schweiz in den vergangenen zwölf Monaten um mehr als 260% gestiegen ist, verläuft die Teuerungsrate negativ. Der Anstieg der Geldmenge führt nicht automatisch zu einem rasanten Anstieg der Inflation, wenn es an Nachfrage mangelt.

Unterauslastung der Produktionskapazitäten, der Verlauf des Geldmultiplikators, der harsche Austeritätskurs und Massenarbeitslosigkeit deuten im Euro-Raum eher auf die Deflationsgefahr hin.

Das Sterilisierungsvorhaben der EZB ist daher rein darstellerisch und irrelevant:

(a) Die Massnahme verkleinert die EZB-Bilanzsumme nicht auf die Grössenordnung vor der Euro-Krise zurück, wie zuletzt am Beispiel von SMP zu beobachten war. Wenn es eine Sorge sein sollte, dass die Ausdehnung der Bilanzsumme der EZB eine Gefahr für zunehmende Inflationsgefahr darstelle, dann ist festzuhalten, dass die Methode, die die EZB an den Tag legt, um die Liquidität abzuschöpfen, diese „Problematik“ nicht angeht.

(b) Mit dem Ankauf von Staatsanleihen aus der Peripherie werden im Grunde genommen riskantere Vermögenswerte durch sichere Vermögenswerten ersetzt. Mit der Sterilisierungsmassnahme der EZB werden aber die Mittel lediglich für eine Woche zurückgebunden. Die Sterilisierung an sich neutralisiert die Auswirkungen des OMT-Programms auf die EZB Bilanz, die sich im Verlauf der Euro-Krise ausweitet hat, nicht und

(c) die Bundesbank hebt immer wieder das Moral-Hazard Problem hervor: wenn die EZB spanische und italienische Staatsanleihen kauft, werden die Anreize für die betreffenden Länder schlechter, den Haushaltskonsolidierungskurs fortzusetzen. Für die Finanz-Krise waren aber nicht die Regierungen verantwortlich. Es war der Privatsektor, der sich übermässig  verschuldet hat. Das heisst, dass das Moral-Hazard Problem, welches die Bundesbank nun für die Staatsanleihen geltend machen will, bereits bei den Banken existiert hat.

Es ist die Aufgabe der Zentralbank, die Märkte zu beruhigen. Um das Moral-Hazard Problem am Anleihemarkt zu unterbinden, braucht es Regeln, wofür die Aufsichtsbehörde verantwortlich ist. Es wäre ein fataler Fehler, wenn die Zentralbank ihre Rolle als lender of last resort aufgäbe, nur weil es ein Moral-Hazard Risiko gibt.

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