Sonntag, 16. September 2012

Gibt es eine künstliche Stimulierung der Wirtschaft?


Aus der Abteilung: „charlatans and cranks“.

Bevor man erstaunt, ist es gut, zu wissen, wo die Frage herkommt?

Nachdem die Fed endlich einen Schritt in die richtige Richtung getan hat, um gegen die „Kleine Depression“ (Lesser Depression) etwas mehr zu unternehmen, zeigt sich Mitt Romney, Kandidat der Republikanischen Partei für die Präsidentschaftswahl 2012 empört:

„Die amerikanische Wirtschaft benötigt keine künstlichen und unwirksamen Massnahmen mehr. Wir sollten Wohlstand schaffen, nicht Dollars drucken“.

Romney wird in Sachen Wirtschaft von Greg Mankiw beraten.  Vermutlich trägt die zitierte Aussage Mankiws Unterschrift. Dabei war es der an der Harvard University Volkswirtschaftslehre unterrichtende Professor, der 2004 im Economic Report of the President als Wirtschaftsberater des Präsidenten Bush erklärt hatte, dass aggressive Geldpolitik die Tiefe der Rezession verringern kann.

Wie die Zeiten sich ändern können! Was Paul Krugman ins Auge springt, ist das Wort „künstlich“. Es ist nämlich das gleiche Wort, welches Liquidationisten zu verwenden pflegen, um die Anstrengungen, die mit der Geldpolitik zur Bekämpfung der Weltwirtschaftskrise (Great Depression) unternommen werden, blosszustellen.

Krugman erinnert vor diesem Hintergrund in seinem Blog an Schumpeters Aussage: „Jede Wiederbelebung, welche lediglich durch künstliche Stimulierung erfolgt, macht einen Teil der Arbeit der Depression wieder rückgängig“.

Auch Hayek hatte ähnlich jede Erholung der Wirtschaft, die durch die künstlich geschaffene Nachfrage ausgelöst wird, verworfen.

Milton Friedman, der dachte, den Konservatismus aus dieser Art von Unsinn befreit zu haben, würde sich im Grab umdrehen, beschreibt Krugman.

Die Romney/Liquidationist-Ansicht macht nur dann Sinn, wenn man daran glaubt, dass das Problem der Wirtschaft auf der Angebotsseite liegt, dass Arbeitnehmern der Anreiz fehlt, zu arbeiten, oder dass Arbeitnehmer über falsche Fertigkeiten verfügen oder was auch immer. Und das ist aber nicht der Fall, was durch die Beweise belegt wird. Die Evidenz deutet mit überwältigender Mehrheit auf mangelhafte gesamtwirtschaftliche Nachfrage hin, erläutert Krugman.

Im Umgang mit gewöhnlichen Rezessionen haben wir es mit unzureichender Nachfrage zu tun, was durch konventionelle Geldpolitik angegangen wird, nämlich durch die Senkung der kurzfristigen Zinsen. Bis vor kurzem waren sogar die Republikaner damit einverstanden.

Heute stehen wir einem noch schweren Abschwung der Wirtschaft gegenüber, vermutlich angetrieben durch den anhaltenden Schuldenabbau (deleveraging), wo nicht einmal Nullzinsen nicht niedrig genug sind, um die Wirtschaft anzukurbeln, sodass die Geldpolitik auf unkonventionelle Weise gestaltet werden muss, insbesondere durch den Einfluss auf die künftigen Inflationserwartungen, um damit den realen Zinssatz zu reduzieren.

Das ist nicht mehr „künstlich“ als konventionelle Geldpolitik, härter, ja, aber es geht schliesslich immer noch darum, den Marktzins mit dem „natürlichen“ Zinssatz bei Vollbeschäftigung in Einklang zu bringen, wie Krugman erläutert.

Wo kommen aber Romney und seine Partei her? Im Grunde genommen verwerfen sie 80 Jahre der wirtschaftlichen Analyse und Beweise, weil sie ihren ideologischen Vorurteilen nicht passen und sie berufen sich auf fragwürdige Metaphern wie „sugar high“. All das hält Krugman für einen Ersatz fürs klare Denken.

Was einen wirklich erstaunt, ist, wie alle nicht-dummen-Ökonomen sich mit diesem Kerl und seinem Team einlassen. Vielleicht glauben sie, dass sie sich wieder an sinnvolle Ökonomie wenden können, wenn die Wahl vorbei ist. Aber die Chancen stehen schlecht: sie liegen vollkommen falsch und sie opfern ihre eigene Glaubwürdigkeit, um Scharlatane und Sonderlinge in den Fahrersitz zu setzen, fasst Krugman als Fazit zusammen.

PS:

Für alle, die sich nicht näher auskennen. Der Ausdruck „charlatans and cranks“, den Krugman in seinem Blog-Eintrag verwendet, geht auf Greg Mankiw zurück. Mankiw schrieb nämlich in der ersten Ausgabe seines Lehrbuchs (auf Deutsch: „Grundzüge der Volkswirtschaftslehre“) in der Einführung (Seite 35):

„Im Jahr 1980 konnte eine kleine Gruppe ökonomischer Berater den Präsidentschaftskandidaten Ronald Reagan überzeugen, dass eine proportionale Kürzung aller Einkommenssteuersätze das Steueraufkommen steigern würde. Sie argumentierten, dass die Bürger bei einem höheren Prozentsatz des ihnen verbleibenden Einkommens mehr und fleissiger arbeiten würden, um das Einkommen zu steigern. Trotz niedrigerer Steuersätze würde das Einkommen um so viel mehr ansteigen, dass das Steueraufkommen zunähme“.

„Bei Wunderkuren setzen die Leute ihre Gesundheit aufs Spiel und erreichen nur selten die erwünschte dauerhafte Gewichtsabnahme. Ähnlich kommen Politiker kaum zu den erwünschten und versprochenen Ergebnissen, wenn sie sich auf den Rat von Scharlatanen und Sonderlingen stützen. Nach Reagans Wahl wurde die gesetzliche Steuersenkung zwar beschlossen, doch die Steuereinnahmen wollten dadurch nicht steigen“, so Mankiw.

(emphasis mine).

PPS:

Das Merkmal der "liquidationist" Schule (Verfechter: Schumpeter und Hayek) ist, dass das Leiden, welches in einer Depression stattfindet, gut und natürlich ist. Es soll nichts unternommen werden, um das Leiden zu mildern. Die Depression soll ihre "Arbeit" erledigen.

Dazu mehr in diesem Blog hierhier und hier.

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