Freitag, 28. September 2012

Europas Austeritätswahnsinn


Das spanische und griechische Volk machen in diesen Tagen ihrem Unmut über die harschen Sparmassnahmen (Austerität) Luft. Warum die Aufbegehrende Recht haben, erklärt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Europe’s Austerity Madness“) am Freitag in NY Times.

Vor wenigen Tagen war die gängige Meinung, dass Europa endlich alles unter Kontrolle gebracht habe. Die angekündigte Bereitstellung der EZB, wenn nötig, Staatsanleihen aus krisengeplagten EU-Länder zu kaufen, hat die Märkte beruhigt. Alles, was die Schuldner-Länder machen müssen, ist, sich für mehr und tiefer Austerität zu verpflichten. Das ist die Bedingung für die Zentralbank-Kredite. Und alles wäre gut, beschreibt Krugman.

Aber die Liferanten der gängigen Ansicht haben vergessen, dass Menschen daran beteiligt sind. Plötzlich werden Spanien und Griechenland durch Streiks und Massendemonstrationen erschüttert. Die Öffentlichkeit in diesen Ländern bringt  in der Tat zum Ausdruck, dass die Belastungsgrenze erreicht ist. Die Arbeitslosigkeit ist auf dem Niveau der Weltwirtschaftskrise. Die Austerität ist zu weit gegangen. Und das bedeutet, dass es möglicherweise keine Übereinkunft mehr gibt.

Viele Kommentare legen nahe, dass die Bürger von Spanien und Griechenland nur das Unvermeidbare hinauszögern. Aber die Demonstranten liegen richtig damit: weitere Sparmassnahmen dienen keinem nützlichen Zweck.

Spanien braucht keine Austerität mehr. Wilde Schnitte an wesentlichen öffentlichen Dienstleistungen, um die Bedürftigen zu unterstützen, und so weiter beeinträchtigen Perspektiven des Landes für erfolgreiche Anpassung. Warum wird aber immer mehr Schmerz gefordert?


Lohnstückkosten in Euro-Raum, Deutschland, Spanien und Italien im Vergleich, Graph: Prof. Paul Krugman

Teil der Erklärung ist, dass ein Grossteil der öffentlichen Meinung im Kern Europa , vor allem in Deutschland, sich für eine falsche Sicht der Situation stark engagiert. Spricht man mit deutschen Behörden, ergibt sich eine Schilderung der Euro-Krise als ein Moralfabel (morality play): eine Geschichte von Ländern, die auf grossem Fuss lebten und nun der unvermeidbaren Abrechnung gegenüber stehen, hebt der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor hervor.

Schlimmer noch, dass viele deutsche Wähler daran glauben, vor allem, weil es ihnen von Politikern erzählt wird. Und die Angst vor einer Gegenreaktion von Wählern, die zu Unrecht denken, dass die Unverantwortlichkeit von Südeuropa sie zappeln lässt, veranlasst deutsche Politiker, wesentliche Notfall-Kredite an Spanien und andere Länder in Not nicht zu genehmigen, bis die Kreditnehmer vorerst bestraft werden.

Und die Zeit ist laut Krugman längst vorbei, diesem grausamen Unsinn ein Ende zu setzen. Wenn Deutschland den Euro wirklich retten will, soll es die EZB tun lassen, was notwendig ist, um die Schuldner Länder zu retten und es sollte dies tun, ohne sinnlose Schmerzen mehr zu fordern.

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