Die
Abbildung zeigt die Entwicklung der Rendite der Staatsanleihen in der Eurozone vor
und nach der Einführung der Gemeinschaftswährung. Und v.a. nach der Pleite von Lehman
Brothers.
Was
ist passiert?
Die
Länder in Südeuropa hatten am Anfang
höhere Zinsen für ihre Staatsanleihen zahlen müssen. Warum? Weil die Investoren
eine Risikoprämie verlangt haben. Wofür? Für das Risiko einer Abwertung (devaluation) und aber auch für das
Risiko eines Zahlungsverzugs (default).
Mit
der Einführung des Euro sind die Risikoprämien einfach über Nacht verschwunden.
Die Staatsanleihen aus Griechenland, Italien, Portugal und Spanien wurden
plötzlich so gehandelt wie wenn sie in Sachen Bonität genauso sicher wären wie die
deutschen Staatsanleihen.
Es
kam folglich zu einem massiven Zufluss des Kapitals aus dem Kern in die
Peripherie der Euro-Zone. Während die Löhne am Rande der EU signifikant
gestiegen sind, stagnierten sie im Kern, z.B. in Deutschland. Die Wettbewerbsfähigkeit
der betroffenen Länder in Südeuropa hat aber damit stark abgenommen. Zugleich
hat der Kapitalzustrom im Süden einen Boom am Immobilienmarkt ausgelöst. Dann
ist die Spekulationsblase im Sog der Lehman-Pleite geplatzt. Das Kapital ist
wieder abgeflossen. Zurückgelieben waren riesige Handelsbilanzdefizite.
Eurozone:
Entwicklung der Rendite der Staatsanleihen im Verlauf der Zeit (Jan. 1993 bis
Okt. 2011), Graph: Frances Woolley via David Andolfatto
Die
Regierungen haben Massnahmen treffen müssen, um die von der Krise schwer
geplagten Banken zu retten. Die Haushaltsdefizite und die Staatsverschuldung
sind in die Höhe geschnellt. Am Vorabend der Krise hatten Spanien und Irland
Haushaltsüberschuss und wenig Schulden. Auch Portugal hatte kaum nennenswert hohe
Schulden.
Nun
sind die Länder an der EU-Peripherie gezwungen, die im Verhältnis zum Kern der
Euro-Zone stark gestiegenen Löhne und Preise nach unten zu korrigieren. Da sie
nicht über eine eigene Währung verfügen, können sie nicht abwerten. Wie sollen sie
aber die Kosten senken? Brüssel diktiert eine harsche Austeritätspolitik. Das
Stichwort heisst internal devaluation.
Im Klartext: Lohnsenkungen. Die drakonischen Sparmassnahmen führen in einem
depressiven Umfeld der Wirtschaft zu einer sich selbst verstärkenden
Abwärtsspirale. Das Ergebnis wird nicht anders sein als Deflation und Stagnation. Die Wirtschaft schrumpft und das
Steueraufkommen nimmt ab. Die Staatsquote (Schulden:BIP) steigt.
Da
die EZB sich weigert, ein etwas höheres Inflationsziel anzupeilen, und kein
Wirtschaftswachstum vorhanden ist, können die Staaten die Schulden nicht
loswerden. Die Austerität verschärft die Kontraktion weiter.
Es
gilt daher, festzuhalten, dass die Euro-Krise nicht durch die Verschwendung der
öffentlichen Mittel verursacht worden ist. Die Merkel-Regierung macht aber
daraus eine Moralfabel und lehnt ein Konjunkturprogramm zur Ankurbelung der
gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ab. Die EZB weigert sich, als Zentralbank zu
agieren, indem sie die Funktion als lender
of last resort nicht wahrnimmt. Der Euro befindet sich nach und nach am Rande des Abgrunds und es droht mittlerweile
eine Wiederholung von Europa von 1931.
"Was haben sie
sich dabei gedacht?“, fragt Frances Woolley zu der von sich selbst gelieferten Abbildung in seinem Blog:
David Andolfatto erinnert sich, woran er gedacht hat: ein
immer wiederkehrendes Thema sei damals gewesen, als er über das International Monetary Systems unterrichtet
hatte, dass der Erfolg der Währungsunion von der Vorstellung der „fiskalpolitischen
Koordination“ getragen würde. Er sei deshalb zum Schluss gekommen, dass es auf
der Hand liege, dass die EWU diese Fakten zwischen den unterschiedlichen
Regionen Europas respektieren würde.
Heute
aber bemerkt der Leiter der Research Division der Federal Reserve Bank von St. Louis, dass er damals in dieser
Hinsicht vielleicht zu Unrecht naiv gewesen sei. Ist es aber vernünftig,
anzunehmen, dass auch die Manager von grossen Anleihefonds ebenso naiv waren?
Um
die ganze Entwicklung adäquat abzurunden, lohnt es sich einen Blick auf eine weitere
aussagekräftige Abbildung, die Heiner Flassbeck vor einem Jahr präsentiert hat, zu werfen.
Lohnstückkosten
bestimmen die Preise, Graph: Heiner Flassbeck and Friederike Spiecker in: “The Euro – a Story of Misunderstanding”,
2011.
Das
zentrale Problem war das Auseinanderlaufen der Wettbewerbsfähigkeit der
Peripherie und des Kerns der Euro-Zone. Der dramatische Verlauf der Divergenz
der Lohnstückkosten zeigt auf, wie z.B. Frankreich gegenüber Deutschland krass an
Boden verloren hat. In einer Währungsunion bedeutet der Gewinn des einen an
Wettbewerbsfähigkeit der Verlust des anderen. Dieser kausale Zusammenhang, der
für das Überleben einer Währungsunion entscheidend ist, wurde von der EU
geflissentlich ignoriert.
Lohnstückkosten
in der Euro-Zone, Graph: Heiner Flassbeck and Friederike Spiecker in: “The Euro – a Story of Misunderstanding”,
2011.
4 Kommentare:
Die Stellungnahme aus dem angelsächsischen Raum über die Finanzpolitik Deutschlands klammert die politische Situation aus.
Fakt ist doch, dass die in finanzielle Bedrängnis geratenen Staaten völkerrechtlich souveräne Staaten sind. Es waren die gewählten Regierungen dieser Staaten, die es zuließen, dass sich ihre Banken dermaßen verschuldeten, dass sie in Schieflage gerieten.
Und nun forderten das Establishment dieser Staaten, dass die Völker die sich nicht an diesem Kasinospiel beteiligten ihre Schulden übernehmen, ohne dass die Souveränität des Staates angetastet werden soll. Das wäre genauso, als wenn eine Bank einem Häuslebauer Geld leiht und dafür keine Sicherheiten verlangt. Das kann gut gehen, es kann aber auch schief gehen.
In Falle von Griechenland und Spanien ist es schief gegangen. Beide Staaten fordern die Solidarität der Euro Mitglieder, wollen aber nicht ihre nationale Souveränität dafür einsetzen. Im Gegenteil. Sie versuchen eine Hetzkampagne gegen die, die ihnen helfen sollen.
Dass die solventen Euro Staaten sich nicht erpressen lassen, ist darum umso verständlicher.
Ich bin mit Leib und Seele Europäer. Aber so geht es nicht.
@Johannes:
Das Bankensystem war aber unterreguliert. Es ging um Wettkampf der Nationen nach dem Motto „Staat ist Problem, Markt ist Lösung“. Es war eine Art „rat race“: die Finanzinstitute haben verantwortungslos Geld verliehen. Der Mensch hatte dem System zu dienen, obwohl das Gegenteil hätte gelten sollen. Der vorherrschende Glaubensatz ging nämlich von vollkommen funktionierenden Märkten aus. Die EWU hat von Anfang an die Möglichkeit einer Stabilitätspolitik ausgeschlossen. Deshalb braucht es heute mehr Regulierung.
Sorry, das war ich, es erschien irgendwie versehentlich "anonym".
@ACEMAXX-ANALYTICS
Es waren die nationalen Aufsichtsbehörden, die zusahen, wie ihre Banken immer größere Risiken eingingen.
Und der deutsche Sparer soll dieses Verhalten noch stillschweigend billigen. Das kann es doch nicht sein.
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