Es gibt heute weniger Chancengleichheit in den
USA als in Europa oder gar in jedem anderen fortgeschrittenen Land. Dies ist
einer der Gründe dafür, dass Amerika den höchsten Grad an Ungleichheit hat,
schreibt Joseph Stiglitz in einem lesenswerten
Artikel („The Price of Inequality“) in
Project Syndicate.
Es wäre eine Sache, wenn die hohen Einkommen an
der Spitze das Ergebnis von mehr Beiträgen für die Gesellschaft wären. Aber die
Grosse Rezession hat gezeigt, dass selbst Banker, die die Weltwirtschaft
genauso wie ihre eigenen Unternehmen an den Rand Ruins geführt haben,
übermässige Boni bekommen, hebt der an der Columbia
University lehrende Wirtschaftsprofessor hervor.
Ein genauer Blick auf die da oben zeigt, dass das
rent-seeking eine unverhältnismässig
grosse Rolle spielt: einige haben ihren Reichtum durch die Ausübung von
Monopolmacht erhalten, andere sind CEOs, die die Unzulänglichkeiten im Zusammenhang
mit der Corporate Governance ausgenutzt
haben, um sich selbst einen übermässigen Anteil an Unternehmensgewinnen
herauszuziehen. Und wieder andere haben politische Verbindungen verwendet, um
entweder von zu hohen Preisen für das, was der Staat kauft (Medikamente) oder
von zu niedrigen Preisen für das, was der Staat verkauft (Schürfrechte) zu
profitieren, legt der Träger des Wirtschaftsnobelpreises (2001) dar.
Ebenso stammt ein Teil des Reichtums derjenigen
im Finanzwesen aus der Ausbeutung der Armen, durch räuberische Kreditvergabe
und missbräuchliche Praktiken im Kreditkartengeschäft.
Es wäre vielleicht nicht so schlimm, wenn es nur
ein Körnchen Wahrheit in Sachen trickle-down
economics gäbe, sodass alle davon profitieren würden, vom Reichtum
derjenigen an der Spitze. Aber die meisten Amerikaner sind heute schlechter
dran als sie vor einem Jahrzehnt waren, unterstreicht das ehemalige Mitglied im
Rat der Wirtschaftsberater von US-Präsident Bill Clinton.
Rent-seeking führt zu Verzerrungen in der Wirtschaft.
Ungleichheit führt zu einem niedrigeren Wachstum und weniger Effizienz. Der
Mangel an Chancen bedeutet, dass das wertvollste Gut (die Menschen) nicht in vollem
Ausmass zum Einsatz kommt. Viele an der
Basis oder sogar in der Mitte können ihr Potenzial nicht ausleben.
Aber am wichtigsten ist es, dass Amerikas
Ungleichheit seine Werte und Identität untergräbt. Mit solchen Extremen in
Sachen Ungleichheit ist es nicht verwunderlich, dass die Auswirkungen sich in
jeder öffentlichen Entscheidung manifestieren, von der Gestaltung der
Geldpolitik bis zu Mittelzuweisungen durch den Haushalt.
Amerika kann sich nicht mehr als das Land der
unbegrenzten Möglichkeiten betrachten. Aber das muss nicht sein. Es ist nicht
zu spät für den amerikanischen Traum, wiederhergestellt zu werden, fasst
Stiglitz als Fazit zusammen.
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