Mittwoch, 6. Juni 2012

Der Preis der Ungleichheit


Es gibt heute weniger Chancengleichheit in den USA als in Europa oder gar in jedem anderen fortgeschrittenen Land. Dies ist einer der Gründe dafür, dass Amerika den höchsten Grad an Ungleichheit hat, schreibt Joseph Stiglitz in einem lesenswerten Artikel („The Price of Inequality“) in Project Syndicate.

Es wäre eine Sache, wenn die hohen Einkommen an der Spitze das Ergebnis von mehr Beiträgen für die Gesellschaft wären. Aber die Grosse Rezession hat gezeigt, dass selbst Banker, die die Weltwirtschaft genauso wie ihre eigenen Unternehmen an den Rand Ruins geführt haben, übermässige Boni bekommen, hebt der an der Columbia University lehrende Wirtschaftsprofessor hervor.

Ein genauer Blick auf die da oben zeigt, dass das rent-seeking eine unverhältnismässig grosse Rolle spielt: einige haben ihren Reichtum durch die Ausübung von Monopolmacht erhalten, andere sind CEOs, die die Unzulänglichkeiten im Zusammenhang mit der Corporate Governance ausgenutzt haben, um sich selbst einen übermässigen Anteil an Unternehmensgewinnen herauszuziehen. Und wieder andere haben politische Verbindungen verwendet, um entweder von zu hohen Preisen für das, was der Staat kauft (Medikamente) oder von zu niedrigen Preisen für das, was der Staat verkauft (Schürfrechte) zu profitieren, legt der Träger des Wirtschaftsnobelpreises (2001) dar.

Ebenso stammt ein Teil des Reichtums derjenigen im Finanzwesen aus der Ausbeutung der Armen, durch räuberische Kreditvergabe und missbräuchliche Praktiken im Kreditkartengeschäft.

Es wäre vielleicht nicht so schlimm, wenn es nur ein Körnchen Wahrheit in Sachen trickle-down economics gäbe, sodass alle davon profitieren würden, vom Reichtum derjenigen an der Spitze. Aber die meisten Amerikaner sind heute schlechter dran als sie vor einem Jahrzehnt waren, unterstreicht das ehemalige Mitglied im Rat der Wirtschaftsberater von US-Präsident Bill Clinton.

Rent-seeking führt zu Verzerrungen in der Wirtschaft. Ungleichheit führt zu einem niedrigeren Wachstum und weniger Effizienz. Der Mangel an Chancen bedeutet, dass das wertvollste Gut (die Menschen) nicht in vollem Ausmass zum Einsatz kommt.  Viele an der Basis oder sogar in der Mitte können ihr Potenzial nicht ausleben.

Aber am wichtigsten ist es, dass Amerikas Ungleichheit seine Werte und Identität untergräbt. Mit solchen Extremen in Sachen Ungleichheit ist es nicht verwunderlich, dass die Auswirkungen sich in jeder öffentlichen Entscheidung manifestieren, von der Gestaltung der Geldpolitik bis zu Mittelzuweisungen durch den Haushalt.

Amerika kann sich nicht mehr als das Land der unbegrenzten Möglichkeiten betrachten. Aber das muss nicht sein. Es ist nicht zu spät für den amerikanischen Traum, wiederhergestellt zu werden, fasst Stiglitz als Fazit zusammen.

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