Samstag, 23. Juni 2012

Wie entscheidend sind die Produktivitätsunterschiede?


Die politische Debatte über den Euro-Raum, was die Bedenken betrifft, dreht sich um die Austerität. Während Deutschland noch mehr Austerität verlangt, schlägt Frankreich eine expansive Fiskalpolitik vor, um die Wirtschaft anzukurbeln. Der Euro-Raum rutscht inzwischen tiefer in eine Rezession und es droht eine Auflösung.

„Aber beide Seiten verfehlen die wichtige Frage“, schreibt Simon Johnson in einem Artikel („The End of Euro Is Not About Austerity“) in NY Times.

Das zugrunde liegende Problem im Euro-Raum ist das Wechselkurssystem selbst, hebt der an der MIT Sloan School of Management lehrende Wirtschaftsprofessor hervor. Es ist die Tatsache, dass die europäischen Länder sich einem anfänglichen Wechselkurs, d.h. einem relativen Preis von ihren Währungen unterworfen haben, mit dem Versprechen, den Wechselkurs nie wieder zu ändern. Dies belief sich auf die Wette, dass ihre Volkswirtschaften in Bezug auf die Produktivität konvergieren würden, dass beispielsweise die Griechen in der Tat eher wie die Deutschen werden würden, beschreibt Johnson.

Wenn die Volkswirtschaften nicht konvergieren würden, wurde angenommen, würden Menschen wandern. Das heisst, dass die griechischen Arbeitnehmer nach Deutschland gehen und sich dem deutschen Produktivitätsniveau durch die Arbeit in Fabriken und Büros dort annähern würden.

Es ist aber schwer, zu sagen, welche Version von Konvergenz weniger realistisch war, hält Johnson fest. In der Tat ist das Gegenteil passiert. Die Kluft zwischen der Produktivität in Deutschland und in Griechenland (und anderen Ländern an der Peripherie) hat sich in den letzten 10 Jahren vergrössert, anstatt zu verkleinern. Und Deutschland hat einen grossen Überschuss in der Leistungbilanz angehäuft. Das heisst, dass es mehr exportiert hat als importiert.

Die anderen Länder wie z.B. Spanien, Portugal und Irland haben auch grosse Leistungsbilanzdefizite. Sie kaufen mehr als sie verkaufen. Die Defizite werden durch Kapitalzuflüsse (einschliesslich einiger aus Deutschland) finanziert.

„Griechenland hat jetzt ein beachtliches Mass an Austerität angenommen. Nun muss das Land seinen Weg finden, um mehr Wachstum zu erzeugen. Weitere Ausgabenkürzungen helfen nicht“. „Strukturreform“, ein Lieblingswort der G20 nimmt laut Johnson viel Zeit in Anspruch, wirksam zu werden. Mehr Löhne für „Infrastruktur“ aus Europa durch die European Investment Bank scheint auch unwahrscheinlich.

In Spanien und Irland haben die Kapitalimporte (durch die Kreditaufnahme der prominenten Banken) eine Blase am Immobilienmarkt entstehen lassen. Das Platzen der Spekulationsblase hat zur Schrumpfung der Volkswirtschaften geführt. Die Probleme haben mit der Fiskalpolitik wenig zu tun, unterstreicht Johnson.

Paul Krugman deutet aber in seinem Blog darauf hin, dass es eine starke Tendenz gibt, zu denken, dass das Euro-Durcheinander viel mit den fundamentalen Ungleichheiten in Bezug auf die Produktivität und die wirtschaftliche Entwicklung zwischen Euro-Mitgliedern zu tun hat, in dem Sinne, dass halb-entwickelte Länder wie Griechenland oder Portugal (nicht aus Sicht von Krugman, sondern aber was man im Allgemeinen hört) unbeholfen an einem Kraftpaket wie Deutschland angebunden sind.

Es kommt einem vor diesem Hintergrund sicherlich wie ein Schock vor, wenn man einen Blick auf die aktuellen Eurostat-Daten wirft, und zwar das reale BIP pro Kopf.

Griechenland und Portugal sind sicherlich relativ arm, mit BIP pro Kopf von 82 und 77% des EU-Durchschnitts. Das heisst rund 76 und 71% des Durchschnitts der Eurozone, da die Euro-Länder etwas reicher sind als die EU als Ganzes. Deutschland 120% des EU-Durchschnitts oder 112% des Eurozone-Durchschnitts.

Aber es ist nicht anders als die Situation in den USA, betont Krugman. Alabama ist bei 74% des US-Durchschnitts, Mississippi bei 67%, während New England auf 118% und Middle Atlantic auf 116% kommen.

Mit anderen Worten ist die Eurozone, was die zugrunde liegenden wirtschaftlichen Ungleichheiten betrifft, nicht schlechter dran als die USA.

Der Unterschied ist v.a., dass „wir von uns denken, dass wir eine Nation sind und fiskalpolitische Massnahmen munter akzeptieren, die routinemässig grosse Summen an die ärmeren Staaten transferieren,  ohne auch nur daran zu denken, dass es sich dabei um ein regionales Problem handelt“, legt Krugman dar. In der Tat wählen die Bundesstaaten, die effektiv Arbeitslosengeld beziehen, die Republikaner und stellen sich vor, dass sie tief selbständig sind.

Der springende Punkt ist, dass auch die Amerikaner sich nicht immer als eine Nation betrachtet haben. Vor dem Bürgerkrieg sprachen die Menschen von „diesen Vereinigten Staaten“ („these“ United States). Erst nach dem Krieg wurde aus „dieser“ „die“ („the“ United States).

Der Schlüssel für den Erfolg der Dollar-Zone kann in drei Worten zusammengefasst werden, legt Krugman dar: William Tecumseh Sherman.

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