Olivier Blanchard, Chefökonom des IWF befasst sich in
einem Artikel im Blog von IWF mit der jüngsten
Erfahrung Lettland in makroökonomischer Hinsicht.
Lettland hat 2008 einen „Boom-and-Bust“-Zyklus wie ein Paradebeispiel nach dem Lehrbuch erfahren.
Die
Wirtschaft ist zwischen 2005 und 2007 im Durchschnitt um mehr als 10%
gewachsen. Das Leistungsbilanzdefizit ist auf mehr als 20% des BIP gestiegen.
Im Frühjahr 2008 kam das Wachstum jedoch zum Erliegen. Ende 2008 lag die
Produktion um 10% tiefer unter dem Höchststand. Das Haushaltsdefizit schoss in
die Höhe. Das Kapital ist aus dem Land abgeflossen.
Die
lettische Regierung hat sich geweigert, die Landeswährung abzuwerten. Lettland
hat an der festen Koppelung am Euro festgehalten, um die Möglichkeit nicht zu
verspielen, später der EU beizutreten. Die im Inland vergebenen Kredite
beliefen sich zu 90% auf Euro.
Die
Mechanik der Anpassung war einfach unkompliziert. Ein weiterer starker Rückgang
der Produktion, gefolgt von einer steigenden Wettbewerbsfähigkeit wegen der
Lohnkürzungen, aber auch zunehmend durch Produktivitätszuwächse. Das Wachstum
wurde von der externen Nachfrage getragen.
Ist
es ein Erfolg?
BIP
(real) im Vergleich (Estland, Irland, Lettland, Litauen, Island), Graph: Prof. Paul Krugman
Wie
kann man beim Anblick der Abbildung erwarten, dass Lettland als Held der Krise
verehrt wird?
Im
Übrigen: Island hat eine viel niedrigere
Arbeitslosenquote als alle anderen Länder.
Die
wirtschaftlichen und sozialen Kosten der Anpassung waren massgebend. Die
Produktion (output) ist im Jahre 2009
um 16% eingebrochen und verläuft immer noch 15% unter dem Spitzenwert von 2007.
Die Arbeitslosigkeit ist auf mehr als 20% geklettert und steht heute bei 16%,
weit höher als jede vernünftige Schätzung der natürlichen Arbeitslosigkeit
(Sockelarbeitslosigkeit) nahelegt.
Gab
es aber eine andere, weniger kostspielige Möglichkeit der Anpassung, gleitend,
durch eine langsamere Haushaltskonsolidierung? Die Wahrheit ist, dass wir es
nie erfahren werden, argumentiert Blanchard.
Die
lettischen Politiker wünschen sich, dass der IWF-Chefökonom die starke front-loading Haushaltskonsolidierung als
Grund für die „Erfolgsgeschichte“ Lettlands anpreist. Aber Blanchard lässt sich
die Worte nicht in den Mund legen. Während der Rückgang der Produktion
dramatisch war, ist die Erholung relativ, vielmehr in V-Form erfolgt als er
erwartet habe, aber er sei immer noch über die Auswirkungen auf die Langzeitarbeitslosigkeit
besorgt, so Blanchard.
Blachard
vertritt daher die Ansicht, dass die Lehren aus Lettland an die EU-Peripherie
nicht übertragbar sind, zumal viele der Konditionen, mit denen Lettland
konfrontiert war, nicht anderswo erfüllt sind. Und die Anpassung, die Südeuropa
machen muss, viel kleiner ist. Die Volkswirtschaften sind an der EU-Peripherie
weniger flexibel und weniger offen. Und die Staatsverschuldung ist höher als in
Lettland. Die Anpassung in Südeuropa werde deshalb schwierig und schmerzhaft.
Fazit: Eine Schwalbe macht noch
keinen Sommer. Ein recht gutes Wirtschaftswachstum nach einem unglaublich
tiefen Absturz liefert gerade keinen Beweis zu Gunsten des Konzepts der
fiskalischen Austerität.
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