Martin Wolf berichtet in seinem Blog in FT von einem Brief, den er vom
Generaldirektor des deutschen Finanzministeriums bekommen hat. Es handelt sich
dabei um eine offizielle Antwort der deutschen Regierung auf einen kürzlich in
FT erschienenen Artikel („The riddle of German self-interest“) von Wolf.
Der
unterzeichnende Direktor bezeichnet Wolfs Lösungsansatz als „Risikotransfer via
Eurobonds“ und „Nachfrage-Stimulation via Politik des billigen Geldes“ und „lockere
Haushaltskonsolidierung in Deutschland“. Die gegenwärtigen Probleme in der
Euro-Zone seien demnach durch eine lockere Geldpolitik und expansive
Fiskalpolitik ausgelöst worden. Die EU-Strategie sei daher, das Vertrauen im
Markt wiederherzustellen, und zwar durch eine Kombination von
Haushaltskonsolidierung und strukturellen Reformen.
Wolf
bemerkt in seiner postwendend erfolgenden Antwort, dass es gar nicht um
Risikotransfer geht, sondern im Wesentlichen darum, die Probleme der
EU-Mitglieder in der Währungsunion, in den Märkten für Staatsanleihen
Liquidität zu halten, zu reduzieren. Der Direktor des deutschen Finanzministeriums
argumentiert, dass solche multiple Gleichgewichte nicht möglich seien. Der
belgische Ökonom Paul de Grauwe hat aber in
einer handfesten Analyse genau das Gegenteil
überzeugend dargelegt. Empfehlenswert zum Nachlesen.
Wolf
hebt ferner hervor, dass die gegenwärtigen Probleme in Bezug auf die hohen
Schulden und die schwache Wettbewerbsfähigkeit nicht auf eine expansive
Wirtschaftspolitik und eine schwache Finanzlage zurückzuführen sind. Wie in der
Abbildung deutlich zu sehen, ist, hatten Irland
und Spanien am Vorabend der Krise
besonders niedrige Staatsverschuldung. Portugals
Verschuldung war ähnlich wie die von Frankreich.
Italien hatte eine relativ hohe
öffentliche Verschuldung. Aber die Schulden waren im Verhältnis zum BIP
deutlich gesunken.
Netto-Staatsschulden
in der Eurozone (2007), Graph: Martin
Wolf in FT
Die
Ursache der Euro-Krise sind die riesigen Zahlungsbilanzdefizite, die durch die übermässige
Kreditvergabe im privaten Sektor induziert worden sind (Ausnahme: Griechenland).
Die Verantwortung für die Kreditaufnahme und die Kreditvergabe ruht daher auf
den Schultern der Kreditgeber und Kreditnehmer. Die Behauptung, dass solche
Reformen ausnahmslos überall zum Erfolg geführt haben, stimmt so nicht. Es sei
in diesem Zusammenhang an den Fall Argentinien in den 1990er Jahren erinnert.
Eine
symmetrische Anpassung innert Euro-Zone würde Deutschlands Stabilität nicht
untergraben. Es würde helfen, wenn die deutsche Wirtschaftspolitik das
Augenmerk danach richten würde, die Inlandsnachfrage anzukurbeln. Eine Erhöhung
der Investitionen oder ein rascher Anstieg der Reallöhne wären daher ausgezeichnet,
unterstreicht Wolf weiter.
Die
Sparmassnahmen ohne Ende würden andererseits eine Rückkehr zu der instabilen
populistischen Politik bedeuten. Die EU ist gerade deshalb entwickelt worden,
um eine solche Politik zu verhindern. Die Euro-Zone könnte sonst damit
zerbrechen und den Versuch, ein Europa in Frieden und Wohlstand zu bauen,
vereiteln.
Paul Krugman spricht im Zusammenhang mit dem zitierten
Brief von einem erschreckenden Bild in seinem Blog. Die deutschen Beamten
scheinen grundsätzlich im Wolkenkuckucksheim
zu leben, schildert der Träger des Wirtschaftsnobelpreises.
Man
muss absichtlich blind sein, nicht zu wissen, dass der Exzess im privaten
Sektor, nicht im öffentlichen Sektor die Probleme in Spanien und Irland
verursacht hat. Und nirgendwo, nicht einmal in Griechenland, haben
keynesianische Konjunkturpakete mit der Krise überhaupt zu tun.
Haushaltskonsolidierung und Reformen funktionieren im Angesicht der derartigen Probleme (massive
reale Überbewertung mit einem festen Wechselkurs) niemals, hält Krugman fest.
Eine
teilweise Erholung aus einem tiefen einer Depression nahen Abschwung
rechtfertigt Sparmassnahmen nicht, wie Jörg Asmussen argumentiert,
legt der an der University of Princeton
lehrende Wirtschaftsprofessor dar: es ist beängstigend. Wenn hohe Beamte in
Deutschland zu diesem späten Zeitpunkt der Krise von der Realität so abgekoppelt
erscheinen, welche Chancen hat Europa zu überleben?
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