Ja.
Ein
Marktanalyst aus einer deutschen Bank hat heute morgen in einem langweiligen
Interview mit dem Bloomberg TV gesagt, dass Schulden
gleich Schulden sind, und es nicht darauf ankomme, von wem die Schulden gemacht
werden. Der Banker liegt damit natürlich absolut falsch. Warum?
Eines
der häufigsten Argumente gegen die Fiskalpolitik in der aktuellen Situation
ist, auch wenn sie vernünftig klingen mag, dass die Verschuldung das Problem
ist und wie die Verschuldung hierbei die Lösung sein kann? Die privaten Haushalte
haben zuviel Kredit aufgenommen. Soll sich nun auch der Staat noch verschulden?
Was
mit dieser Argumentation falsch ist, hat Paul
Krugman vor mehr als zwei Jahren in seinem Blog erklärt, und zwar
anhand seines bekannten Beispiels von Sam
und Janet. Sam und Janet sind in
diesem Fall wie die Agenten im Kiyotaki-Moore Modell (dazu mehr hier) zu betrachten.
Hier
ist mein Versuch einer Zusammenfassung:
Die
Argumentation geht implizit davon aus, dass Schulden gleich Schulden sind,
unabhängig davon, wer das Geld schuldet. Doch das kann nicht richtig sein. Wenn
es dem so wäre, hätten wir heute an erster Stelle kein Problem.
In
erster Näherung sind Schulden das Geld, das wir uns selbst schulden. Amerika
schuldet z.B. China Geld. Aber das ist nicht der Kern des Problems. Wenn wir
die Komponente im Hinblick auf das Ausland vernachlässigen oder auf die Welt als
Ganzes blicken, macht das gesamte Niveau der Verschuldung keinen Unterschied in
Bezug auf das gesamtwirtschaftliche Vermögen. Denn es gilt: die Schulden des
einen sind die Einkommen des anderen.
Gesamtverschuldung
(die blaue Kurve) und Schulden im Verhältnis zum BIP (die rote Kurve), Werte in
Mrd. US-Dollar, Graph: Prof. Paul Krugman
Daraus
folgt, dass die Höhe der Verschuldung nur dann zählt, wenn die Verteilung des
Vermögens entscheidend ist , wenn hochverschuldetete Spieler Zwangsmässigkeiten
der anderen Spieler mit geringer Verschuldung gegenüberstehen. Und das
bedeutet, dass alle Schulden nicht gleich geschaffen werden. Deshalb kann die Kreditaufnahme durch einige
Akteure helfen, die Probleme, die durch die übermässige Kreditaufnahme durch
andere Akteure in der Vergangenheit ausgelöst worden sind, zu lösen.
Nun
zurück zur Welt, in der es nur zwei verschiedene Typen von Menschen gibt: Sams, die Geldverschwender und Janets, die Umsichtigen.
Das
zugrundeliegende makroökonomische Modell ist eine depressive Realwirtschaft und
Deflationsdruck. Das heisst praktisch das heutige Umfeld der Wirtschaft in den
USA und im Euroland, v.a. aber in der Eurozone.
In
dieser Welt nehmen wir weiter an, dass es keine reale Investitionen gibt,
sodass die Kredite aufgenommen werden, um den Verbrauch, der das Einkommen übersteigt,
zu finanzieren. Sams, die Verschwender hatten von Janets, den Umsichtigen in
der Vergangenheit Kredit aufgenommen, um den Konsum zu finanzieren. Aber es ist
inzwischen etwas passiert, sagen wir mal, dass eine Spekulationsblase geplatzt
ist, was Sams, die Verschwender nun zwingt, mit der Kreditaufnahme aufzuhören
und in der Tat sofort anzufangen, die Schulden abzuzahlen.
Damit
Sams dies tun können, müssen Janets natürlich darauf vorbereitet sein, ihre
Ersparnisse aufzubrauchen, und ihre Anlagen zu reduzieren. Was wäre aber der
Anreiz, so zu handeln? Die Antwort: ein Rückgang der Zinssätze. Damit die
Wirtschaft sich des Problems der Bilanzrezession von Sams annimmt, bedarf es
einer Phase von niedrigen Zinsen.
Die
Wirtschaft steckt jedoch in einer Liquiditätsfalle.
Das heisst, dass die Zinsen bereits auf der Null-Grenze liegen und nicht weiter
fallen können. Was passiert aber, wenn das Entsparen von Janets nicht gelingt, mit
den Ersparnissen von Sams im Einklang zu stehen? Dann entsteht ein Problem. In
einem depressiven Umfeld der Wirtschaft wirkt es zerstörerisch. Die Produktion
bleibt unter dem Potenzial. Das heisst, dass es für Sams schwierig wird, die
Schulden abzuzahlen, während die Produktionslücke (output gap) geöffnet bleibt.
Was
kann getan werden? Der an der University
of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor legt Inflation nahe. Eine etwa höhere Inflation würde es (1) möglich
machen, einen negativen Realzins zu haben, und (2) die Schulden von Sams
entlasten. Ja, es gibt hier zugegebenerweise ein Moral-Hazard-Problem, womit
die Exzesse von Sams aus der Vergangenheit quasi honoriert würden. Aber die
Wirtschaft ist eben keine Moral-Fabel.
Es
gilt, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Inflation zugleich auch die Assets von
Janets erodiert, und zwar um den gleichen Betrag, wie sie die Schulden von Sams
erodiert. Sams sind aber eingeschränkt, was die persönlichen Bilanzen betrifft,
während die Janets es nicht sind, sodass es für die gesamtwirtschaftliche
Nachfrage netto positiv aufgeht.
Was
passiert aber, wenn keine Einigung erzielt werden kann, vorübergehend ein
höheres Inflationsziel zu verfolgen?
Dann
kann der dritte Charakter ins Spiel kommen: Gus, der Staat. Nehmen wir an, dass Gus für eine Weile Kredit
aufnehmen, und mit dem geliehenen Geld nützliche Dinge kaufen kann. Die
sozialen Kosten für diese Sachen sind sehr niedrig, weil Gus die Ressourcen so
einsetzt, dass die Menschen, die sonst arbeitslos wären, zum Einsatz kämen.
Gus,
der Staat würde dafür sorgen, dass Sams ihre Schulden abzahlen, solange, bis
sie durch die Bilanzen nicht mehr eingeschränkt sind und das weitere Deficit Spending daher nicht mehr
notwendig wird, um die Vollbeschäftigung wiederherzustellen.
Ja,
die private Verschuldung kann zum Teil durch die Verschuldung der öffentlichen
Hand ersetzt werden. Die Verschuldung würde aber auf diese Weise von den von
der Bilanz her eingeschränkten Spielern weg verlagert, sodass die Probleme der
Wirtschaft sich verringern lassen würden, auch wenn die Gesamthöhe der Schulden
nicht sinken würde.
Fazit: Das Argument, das sich
glaubwürdig anhört, dass Schulden die Schuldenproblematik nicht lösen können,
ist einfach falsch. Im Gegenteil: die Alternative ist eine längere Phase
wirtschaftlicher Schwäche, die es erschwert, das Verschuldungsproblem zu lösen.
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