Eine streng ökonomische Interpretation der Ereignisse in Tunesien und Ägypten wäre zu einfach, schreibt Barry Eichengreen in einem lesenswerten Essay („Why Egypt Should Worry China“) in Project Syndicate. Das heisst, dass es keine Frage ist, dass die Umwälzungen in beiden Ländern und anderswo in der arabischen Welt weitgehend auf das Versagen der Regierungen, den Wohlstand zu teilen, wiederspiegeln. Das Problem ist nicht das Wirtschaftswachstum. Der jährliche Zuwachs des BIP betrug seit 1999 im Durchschnitt 5,1% in Ägypten und 4,6% in Tunesien. Das Problem ist vielmehr, dass es nicht gelungen ist, die Früchte des Wachstums bis zu der unzufriedenen Jugend durchzusickern (trickle-down), erklärt der an der University of California lehrende Wirtschaftsprofessor. Korruption ist weit verbreitet. Weiterkommen hängt von persönlichen Verbindungen ab. China könnte bald ähnlichen Problemen gegenüberstehen, so Eichengreen. Die Warnzeichen sind da: Erstens gibt es das wachsende Problem der Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung bei Hochschulabsolventen. Tatsächlich ist das Land voller Berichte über verzweifelte Absolventen, die nicht in der Lage sind, eine produktive Beschäftigung zu finden.
Es gibt zweitens das Problem der weniger qualifizierten und weniger gut ausgebildeten Migranten vom Land, für die zweitklassige Arbeitsplätze in den Städten vorgesehen sind, legt der Autor des neuen Buches „Exorbitant Privilege: The Rise and Fall of the Dollar“ dar. China muss drittens endlich das Korruptionsproblem ernsthaft bekämpfen, betont Eichengreen. Wenn chinesische Behörden sich nicht schneller bewegen, um die potenzielle Quelle der Entfremdung abzuwenden, könnten sie mit einem Aufruhr im eigenen Land konfrontiert werden, was viel breiter und entschlossener vonstatten gehen dürfte wie die Studentenproteste auf dem Tiananmen-Platz im Jahr 1989, fasst Eichengreen zusammen.
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