Samstag, 26. Februar 2011

USA und die finanzpolitische Frage

Die USA stehen vor einigen gravierenden mittelfristigen finanzpolitischen Fragen. Aber gemessen am Richtmass steht das Land nicht vor einer sofortigen Finanzkrise, bemerkt Simon Johnson in seinem lesenswerten Essay („Does the US Really Have a Fiscal Crisis?“) in NYT. Die wichtigsten fiskalpolitischen Fragen sind drei, hebt der ehem. Chefökonom des IWF hervor: (1) Das unmittelbarste Problem ist, dass die grössten Banken und die damit eng verbundenen Teile des Finanzsystems sich in den Jahren 2007-2008 selbst in die Luft gesprengt haben. Die anhaltende Rezession und der damit verbundene Verlust an Steuereinnahmen werden am Ende die Staatsschulden auf 40% des BIP steigen lassen. Es gilt anzumerken, dass nur ein wenig des Anstiegs der öffentlichen Verschuldung auf Konjunkturprogramme zurückzuführen ist. Der meiste davon ist durch geringere Steuereinnahmen verursacht worden, weil die Produktion und die Beschäftigung ausgefallen sind.

Das Finanzsystem stellt ein erhebliches Risiko für den fiskalischen Ausblick über die nächsten Jahre dar. Es sei denn, Sie glauben, dass der Dodd-Frank Gesetzentwurf die TBTF-Problematik und die damit zusammenhängende Kultur der übermässigen Risikobereitschaft beenden wird, argumentiert Johnson.

(2) Die Ausgaben im Gesundheitswesen müssen kontrolliert werden, so der an der MIT Sloan lehrende Wirtschaftsprofessor. Bei der Frage geht es sicherlich nicht um den Abbau der derzeitigen Höhe der Ausgaben oder der Zusatzleistungen für Medicare, sondern um die Projektionen im Hinblick auf die Jahre 2030-2040, ob der Staat für die Kosten aufkommen wird oder nicht. „Das Wachstum der Gesundheitsausgaben ruiniert uns alle“, bekräftigt Johnson.

(3) Das Steuersystem ist vollkommen veraltet. Für das gleiche Niveau an Steuereinnahmen im Vergleich zum BIP könnten wir die Verzerrungen (z.B. negative Arbeitsanreize) durch eine Modernisierung reduzieren, hält Johnson fest. Die Rechte und die Linke sind einig drin, dass der Verbrauch mehr und das Einkommen weniger versteuert werden sollten. Aber keine der Seiten ist bereit, einen sinnvollen Schritt in Richtung Mehrwertsteuer (MwSt) zu tun. Die Rechte scheint Angst davor zu haben, dass diese Steuer zu effektiv wird und die Macht des Staates steigern würde. Die Linke denkt, dass die MwSt zwangsläufig regressiv ist. Das heisst, das die ärmeren Menschen imposant mehr belastet werden würden, „trotz aller Beweise, dass die Auswirkungen der Mehrwertsteuer davon abhängen, wie sie gestaltet wird, weil man wählen kann, was Null Steuern (z.B. Baby-Kleidung) und was höhere Steuern (z.B. Yachten) bekommt“, so Johnson.

Das Problem ist aber parteiübergreifend, wie es sich im Vorjahr in der Debatte um die Steuersenkungen für wohlhabende Menschen gezeigt hat. Keiner der Entscheidungsträger ist bereitwillig, darüber zu reden, welchen Schaden die grössten Banken angerichtet haben. Niemand ist bereit, zu erklären, warum die Kosten im Gesundheitswesen weiter steigen. Und kein Spitzenpolitiker engagiert sich für eine Steuerreform.

Beide Seiten des politischen Spektrums haben zur Fiskalkrise beigetragen. Und wir fahren auf diesem Weg weiter, beschreibt Johnson: gefährliche Grossbanken, ausser Kontrolle geratene Gesundheitsausgaben, deutliche Steuersenkungen, kleine Änderungen in nicht-militärischen diskretionären Ausgaben und eine unverantwortliche Rhetorik. „Wir sind auf dem besten Weg zu einer realen Krise“, fasst Johnson zusammen.


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