Mittwoch, 16. Februar 2011

Thema Ägypten und Fortschritte in Demokratie

Martin Wolf befasst sich in einem lesenswerten Essay („Egypt has history on its side“) in FT mit dem Thema Ägypten im Lichte des Demokratisierungsprozesses im Verlauf der Geschichte. Im Jahr 508 vor unserer Zeitrechnung war nach dem Sturz eines Tyrannen eine Demokratie in Athen gegründet. Wenn die Demokratie heute 2'519 Jahre alt ist, ist Ägypten wesentlich älter, es ist der älteste Staat auf dem Planeten, bemerkt der Chef Wirtschaftskommentator der britischen Zeitung. Das „Polity IV Projekt“ am Zentrum für Systemic Peace an der George Manson University präsentiert in einer Analyse der politischen Regimes von 1800 bis 2009, dass im Jahr 2009 92 von insgesamt 162 untersuchten Länder Demokratien sind, während nur 23 Länder Autokratien darstellen, gegenüber 89 im Jahre 1977. Ach! 47 Länder waren „anocracies“, d.h. fragile Staaten mit beiden Elementen einer Demokratie und Autokratie. Dennoch ist die Welt zum ersten Mal in der Geschichte überwiegend demokratisch.


Globale Trends in Staatsformen (1946-2008), blau: Demokratien, schwarz: „Anocracies“ und rot: Autokratien, Graph: Polity IV Country Reports 2008, George Manson University

Bemerkenswert ist der Anstieg der Zahl der Demokratien in den 1990er Jahren, gefolgt dem Zusammenbruch der ehem. Sowjetunion und der Transformation in Lateinamerika. Doch der Nahe Osten ist ein Ausreisser. Trotz eines Rückgangs der Zahl ist es die einzige Region, in der Autokratien gegenüber Demokratien in der Überzahl sind. Das wird sich jetzt vielleicht ändern. Warum hat die Demokratie solch schnelle Fortschritte gemacht? Die Antwort lautet Wirtschaft, bemerkt Wolf.

Die wirtschaftliche Entwicklung hat die alten Strukturen transformiert. Grundschulbildung wurde immer mehr universal und Hochschulbildung wird allgemeiner. Die Wirtschaft ist von der individuellen Kreativität abhängig geworden. Das Wissen verbreitet sich und die Kommunikation wird dynamischer. Das macht Autokratien zerbrechlich.


Mittlerer Osten, Regimes nach Typus (1946-2008), blau: Demokratien, schwarz: „Anocracies“ und rot: Autokratien, Graph: Polity IV Country Reports 2008, George Manson University

Der stärkte Grund für den Glauben an die Demokratie der Zukunft ist jedoch, dass sie uns anspricht: Menschen wünschen sich eine „Stimme“ in Institutionen, welche ihre Angelegenheiten regelt, wobei zugleich die Chance besteht, die Institutionen zu verabschieden, d.h. zum Abtreten zu veranlassen, fasst Wolf zusammen.

1 Kommentar:

endless.good.news hat gesagt…

Hoffen wir mal, dass die Demokraten in ihren Ländern die Interessen des Volkes auch vertreten. Wenn sie das tun, dann könnten Demokratien als Gegenpol zur freien Marktwirtschaft stehen (um diese zu stabilisieren).