Sonntag, 20. Februar 2011

Global Saving Glut: Hypothese von Ersparnisschwemme

Welcome back to Matrix! Ben Bernanke hatte 2005 in einem einflussreichen Vortrag („Global Saving Glut“) festgehalten, dass die weltweiten Handelsungleichgewichte auf die globalen Ersparnisschwemme zurückzuführen sind. Unter „Ersparnisschwemme“ ist der Anstieg des Angebots an Ersparnissen zu verstehen. Insbesondere stellt China dafür das weltweit deutlichste Beispiel dar. Während die Ungleichgewichte Bernankes Hypothese nach durch eine globale Ersparnisschwemme verursacht wurden, sehen die Anhänger der neoklassichen Ökonomie „Geldschwemme“ (d.h. lockere Geld- und Fiskalpolitik) als Ursache der Weltwirtschaftskrise. Nach mehr als sechs Jahren hat Bernanke in Paris vorgestern wieder auf diese Thematik zurückgegriffen. In einem 35-Seiten umfassenden Paper („International Capital Flows and the Returns to Safe Assets in the United States, 2003-2007“) begleitet durch drei andere Ökonomen der US-Notenbank verfeinert Bernanke jetzt seine Hypothese von „Ersparnisschwemme“ auf einer internationalen Veranstaltung im Rahmen des G-20-Treffens in Frankreich.


Kapitalströme aus Europa in die US-Wertpapiere nach Typus, Graph: Prof. Ben Bernanke, International Capital Flows and the Returns to Safe Assets in the United States

Die „globale Ersparnisschwemme“ Hypothese argumentiert, dass die erhöhten Kapitalzuflüsse in die USA aus den Ländern, in denen Einsparungen die Investitionen bei weitem übertreffen (einschliesslich asiatische Schwellenländer und Rohstoffexporteure) eine wichtige Ursache dafür waren, dass die langfristigen Zinssätze in den USA in diesem Zeitraum geringer als erwartet gewesen sind. Das Augenmerk richtet sich dabei nach der starken Nachfrage der ausländischen Investoren nach den sicheren US-Vermögenswerten in den Jahren vor der Krise. Als Ergebnis ist es (1) zu einer Dämpfung der Zinsen, (2) zu einer übermässigen Risikobereitschaft und (3) zu einer hohen Kreditaufnahme gekommen, die hinter der US-Immobilienblase steht, welche die Krise ausgelöst hat.

Ein grosser Teil der hochbewerteten Wertpapieren, die von den US-Bürgern von 2003 bis 2007 ausgegeben wurden, sei an Ausländer verkauft worden: 55%. Dieser Anteil ist sogar höher als im Zeitraum von 1998 bis 2002: 22%, selbst wenn die Netto-Emission an angeblich sicheren Wertschriften in der ersten Periode von insgesamt 3'100 Mrd. $ auf 4'500 Mrd. $ in der zweiten Periode angestiegen ist, hält die Forschungsarbeit fest.

Die grosse Flut von Ersparnissen aus Handelsbilanzüberschüssen stammt aus Ländern in Asien und im Mittleren Osten (auschliesslich Japan), die ihren Weg in die sicheren US-Vermögenswerte gefunden haben. Chinas Leistungsbilanzüberschuss war fast gänzlich in die Vermögenswerte in den USA angelegt: mehr als 80%, zeigt die Forschungsarbeit auf. Unter den entwickelten Volkswirtschaften war Europa von 2003 bis 2007 die wichtigste Quelle der Brutto-Kapitalströme in US-Wertpapieren mit AAA-Rating. Die Akquisitionen haben sich aus dem Zeitraum 1998-2002 deutlich verstärkt und waren so gross wie aus den Schwellenländern, heben die Autoren des Papiers hervor. Europa hatte eine ausgeglichene Leistungsbilanz, und hat daher grosse Menge an US-Dollar leihen müssen, um den Kauf von US-Wertpapieren zu finanzieren. Das hat sich für Europa während der Krise als sehr problematisch erwiesen, was die Fed veranlasste, Swap-Abkommen mit den Zentralbanken im Ausland zu schliessen.

Wie ist aber die erhöhte Nachfrage aus Europa zu erklären? (a) Der Rückgang der kurzfristigen Zinsen hat laut Forschungsarbeit zweifellos Interesse an amerikanischen Vermögenswerten wie MBS (mortgage backed securities) erweckt. (b) Europa hatte in diesem Zeitraum mit einem hohen „Home Bias“ (starke Inlandsorientierung eines Wertpapierporfolios) begonnen. Die allgemeine Abnahme von „Home Bias“ infolge der Fortentwicklung der Globalisierung in Finanzierungsangelegenheiten hat motivierend auf Europa ausgewirkt, US-Wertpapiere zu kaufen, betonen die Autoren der Forschungsarbeit.

Bernanke hebt aber mit Nachdruck hervor, dass diese Ergebnisse nicht als Schuldzuweisung, was die Verantwortung für das Scheitern der amerikanischen Finanzintermediation betrifft, an das Ausland zu verstehen sind. Die primäre Ursache des Zusammenbruchs seien die mangelhafte Performance des Finanzsystems und die Regulierung des Finanzsystems des Landes, welches die Kapitalströme empfangen hat, gewesen, nicht die Kapitalzuflüsse selbst. Im Fall der Vereinigten Staaten schliessen Quellen der mangelhaften Performance verfehlte Anreize in Hypotheken-Origination, Underwriting und Verbriefung, schwaches Risiko-Management bei Finanzinstituten, Interessenkonflikte bei Rating-Agenturen, schwache Eigenkapitalausstattung und Anreizstrukturen bei den vom Staat unterstützten Unternehmen (GSE), Lücken und Schwächen in der Finanzaufsicht und Versäumnisse bei den Aufsichtsbehörden, fasst Bernanke zusammen.





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