Mittwoch, 13. März 2013

The Bankers‘ New Clothes


Buchbesprechung

Anat Admati & Martin Hellwig: The Bankers‘ New Clothes. What’s wrong with Banking and What to Do about it. Princeton University Press, Princeton and Oxford, 2013.



Das Hauptproblem der Finanzkrise ist, dass die Banken zu gross und zu anfällig sind. Warum sind die Banken zu verletzlich? Weil sie über zu wenig Eigenkapital verfügen und masslos überschuldet sind. Warum? Weil sie behaupten, dass das Eigenkapital zu teuer ist, weil es deutlich höher verzinst werden müsse als Schulden. Stimmt es ? Natürlich nicht. Wenn eine Bank mehr Eigenkapital hat, ist sie sicherer. Und die Risikoaufschläge für die Verzinsung sind kleiner. Da die Grossbanken aufgrund ihrer Fragilität kollabieren können, werden sie vom Staat geschützt. Die Kosten der Fremdmittel werden daher unterdrückt, durch (a) die Einlagensicherung, (b) die lenders of last resort Rolle der Zentralbank und (c) implizite Staatsgarantie.

Die Schulden einer Bank werden zudem steuerlich günstig behandelt. Höhere Eigenkapitalanforderungen verursachen deswegen aus Sicht der Bank und Bankaktionäre Kosten. Von höheren Eigenkapitalanforderungen profitieren hingegen Steuerzahler. Und das Finanzsystem wird sicherer.

Die Banken-Lobby bekämpft eine restriktive Regulierung gegen übermässige Kreditaufnahme. Das Hauptargument lautet, dass das Wirtschaftswachstum sonst abgewürgt würde. Stimmt es? Nein. Denn es geht nicht um eine Wahl zwischen Wirtschaftswachstum und Finanzstabilität. Warum sollte aber Einschränkung der Kreditaufnahme der Banken die Kreditvergabe der Banken beeinträchtigen? Die Banken-Industrie sagt, dass das zusätzliche Kapital ansonsten möglicherweise anderswo als Kredite an Unternehmen oder Haushalte bereitgestellt werden könnte. Die Aussage ist aber unglaubwürdig und falsch.

Der Unsinn stammt aus dem Missbrauch des Wortes „Kapital“. In der Sprache des Bankwesens bezeichnet dieses Wort das Geld, das die Bank von ihren Aktionären bekommt. Es muss aber von dem Geld, das geliehen wird, unterschieden werden. Banken verwenden nämlich sowohl geliehenes (Fremdkapital) als auch nicht-geliehenes Geld (Eigenkapital), um Kredite zu vergeben und andere Investitionen zu tätigen. Das nicht-geliehene Geld ist das Geld, das eine Bank von ihren Besitzern bekommt, wenn sie eine Privatbank ist und von ihren Aktionären, wenn sie ein Unternehmen ist, mit etwaigen Gewinnen, die zurückbehalten werden. Diese Art der Finanzierung wird an anderer Stelle in der Wirtschaft als Eigenkapital bezeichnet.

Die Regulierung in Bezug auf das Kapital verlangt, dass ein ausreichender Bruchteil der Investitionen oder der Vermögenswerte einer Bank mit dem nicht-geliehenen Geld finanziert wird. Es ist eine vergleichbare Anforderung in Bezug auf die minimale Anzahlung, die ein Eigenheimkäufer bei der Bank machen muss.

In der Tat sagt die Regulierung in Bezug auf das Kapital nichts darüber aus, was die Banken mit ihren Mitteln machen müssen oder sollen. Sie sagt nur, dass ein Teil der Mittel, die die Banken verwenden, nicht-geliehen sein muss. Es ist daher Unsinn, zu behaupten, dass die Regulierungsbehörde verlange, dass die Banken „ein zusätzliches Kapital von X Euro halten“ müssen. Die Implikation, dass die Kredite an Unternehmen oder Haushalte automatisch um X Euro verringert würden, stimmt nicht. 

Kapital ist kein Mittel für die Notzeit. Die Verwirrung über den Begriff „Bank Capital“ ist allgegenwärtig. Zahlreiche Berichte in den Medien sprechen z.B. davon, dass die Banken „Kapital zurücklegen müssen“, um die regulatorischen Vorschriften zu erfüllen. Die Verweise auf Kapitalrücklagen legen nahe, als ob die Regulierung die Banken zwingen würde, Bargeld (cash) zu halten, was einfach in den Bank-Kassen brachliegen würde, ohne in die Wirtschaft gebracht zu werden. Die Banken-Lobby wird vor diesem Hintergrund zumeist mit der Aussage zitiert, dass „ein Dollar in Kapital ein Dollar weniger sei, welcher in die Wirtschaft investiert werde“.

Die gegenwärtige Situation ist verdreht. Es ist so, als ob wir die Chemie-Industrie dafür subventionieren würden, dass sie die Flüsse und Seen absichtlich verschmutzt. Solche Subventionen würden zusätzliche Verschmutzung verursachen. Würde die Industrie gefordert, die Verschmutzung zu limitieren, würde sie behaupten, dass es Kosten erhöhen würde. Sollen wir aber deswegen die Verschmutzung einfach tolerieren? Die Subventionierung von Banken, dafür, dass sie übermässige Risiken eingehen und das ganze Banking System auf Gefahr setzen, ist so, wie wenn man Unternehmen subventionieren würde, die Umwelt zu verschmutzen, während sie saubere Alternative hätten.

Aussagen der Banken kann also nicht vertraut werden. Die Reformen, um das Finanzsystem zu stabilisieren, sind gescheitert. Jederzeit kann eine neue Krise ausbrechen.

Banken unterscheiden sich zwar von anderen Unternehmen, als ein Teil des Geschäftes aus Kreditaufnahme besteht. Aber es ist kein Grund, sich übermässig zu verschulden. Die meisten Unternehmen finanzieren sich in den USA zu mehr als 50% mit Eigenkapital. Bevor sie Fremdmittel aufnehmen, stellen sie erstmals Gewinne zurück. Die Eigenkapitalquote der Banken befindet sich hingegen i.d.R. im einstelligen Prozentbereich. Die Schulden der Banken machen mehr als 90% der Vermögenswerte aus.

Die Autoren schlagen ein Eigenkapitalpolster von 20 bis 30% der Bilanzsumme vor. Das ist nichts Neues, da die Banken in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg in dieser Grössenordnung das Eigenkapital hatten.

Banken zu verstehen, erfordert, Fremdfinanzierung zu verstehen. Deswegen legen die Autoren Wert darauf, zu begreifen, wie Fremdfinanzierung funktioniert. Fremdfinanzierung erzeugt einen Leverage-Effekt, der Risiken und Erträge verstärkt. Admati und Hellwig erklären anhand eines konkreten Zahlen-Beispiels, wie der Einsatz von Fremdmitteln Möglichkeiten für den Kreditnehmer schafft, aber auch Risiken vergrössert.

Die Admati und Hellwig betonen, dass sie mit diesem Buch dazu beitragen wollen, eine fundierte Diskussion in der Öffentlichkeit auszulösen. Das heisst, dass Laien damit angesprochen werden sollen. Die Analogie im Titel „The Banker’s New Clothes“ zum Christian Andersens Märchen will zeigen, dass „Bankers neue Kleider“ nicht die wunderbaren Gewänder sind, die sie angeben. Der Schwindel soll nun vom Volk endlich erkannt werden. Die Banksters sind nackt. Unbedingt lesenswert!


PS: Die Banken orientieren sich gern am ROE (Return on Equity), weil sie implizieren, dass die Aktien sonst an Wert verlieren würden, wenn die Bank eine niedrige Eigenkapital-Rendite erzielen würde. Das ist natürlich völlig irreführend, wie Anat Admati und Martin Hellwig im oben besprochenen Buch überzeugend darlegen. Im Übrigen beruht ein Teil der Vergütung (z.B. via Bonus) der Banker auf ROE-Werten.

Wenn man sein Geld in US-Staatsanleihen anlegt, hat man wenig ROE. Worum geht es also? Es gibt kein Risiko. Was bedeutet ROE ohne Risiko? Risiko und Leverage hängen eng zusammen. Das ist das Alltagsgeschäft von Banken.

Mehr zum Hintergrund ist hier (von Mark Dittli) zu lesen, warum eine definierte Eigenkapitalrendite kein sinnvolles Ziel ist.

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