Buchbesprechung
Anat Admati & Martin Hellwig: The Bankers‘ New Clothes. What’s wrong with Banking and What to Do
about it. Princeton University Press, Princeton
and Oxford, 2013.
Das Hauptproblem der Finanzkrise ist, dass die Banken
zu gross und zu anfällig sind. Warum sind die Banken zu verletzlich? Weil sie
über zu wenig Eigenkapital verfügen und masslos überschuldet sind. Warum? Weil
sie behaupten, dass das Eigenkapital zu teuer ist, weil es deutlich höher
verzinst werden müsse als Schulden. Stimmt es ? Natürlich nicht. Wenn eine Bank
mehr Eigenkapital hat, ist sie sicherer. Und die Risikoaufschläge für die
Verzinsung sind kleiner. Da die Grossbanken aufgrund ihrer Fragilität kollabieren
können, werden sie vom Staat geschützt. Die Kosten der Fremdmittel werden daher
unterdrückt, durch (a) die Einlagensicherung, (b) die lenders of last resort Rolle der Zentralbank und (c) implizite
Staatsgarantie.
Die Schulden einer Bank werden zudem steuerlich
günstig behandelt. Höhere Eigenkapitalanforderungen verursachen deswegen aus
Sicht der Bank und Bankaktionäre Kosten. Von höheren Eigenkapitalanforderungen
profitieren hingegen Steuerzahler. Und das Finanzsystem wird sicherer.
Die Banken-Lobby bekämpft eine restriktive Regulierung
gegen übermässige Kreditaufnahme. Das Hauptargument lautet, dass das
Wirtschaftswachstum sonst abgewürgt würde. Stimmt es? Nein. Denn es geht nicht
um eine Wahl zwischen Wirtschaftswachstum und Finanzstabilität. Warum sollte
aber Einschränkung der Kreditaufnahme der Banken die Kreditvergabe der Banken
beeinträchtigen? Die Banken-Industrie sagt, dass das zusätzliche Kapital ansonsten
möglicherweise anderswo als Kredite an Unternehmen oder Haushalte
bereitgestellt werden könnte. Die Aussage ist aber unglaubwürdig und falsch.
Der Unsinn stammt
aus dem Missbrauch des Wortes „Kapital“.
In der Sprache des Bankwesens bezeichnet dieses Wort das Geld, das die Bank von ihren Aktionären bekommt. Es muss aber von
dem Geld, das geliehen wird, unterschieden werden. Banken verwenden nämlich sowohl
geliehenes (Fremdkapital) als auch nicht-geliehenes Geld (Eigenkapital), um
Kredite zu vergeben und andere Investitionen zu tätigen. Das nicht-geliehene
Geld ist das Geld, das eine Bank von ihren Besitzern bekommt, wenn sie eine
Privatbank ist und von ihren Aktionären, wenn sie ein Unternehmen ist, mit
etwaigen Gewinnen, die zurückbehalten werden. Diese Art der Finanzierung wird
an anderer Stelle in der Wirtschaft als Eigenkapital
bezeichnet.
Die Regulierung in Bezug auf das Kapital verlangt,
dass ein ausreichender Bruchteil der Investitionen oder der Vermögenswerte
einer Bank mit dem nicht-geliehenen Geld finanziert wird. Es ist eine
vergleichbare Anforderung in Bezug auf die minimale Anzahlung, die ein
Eigenheimkäufer bei der Bank machen muss.
In der Tat sagt die Regulierung in Bezug auf das
Kapital nichts darüber aus, was die Banken mit ihren Mitteln machen müssen oder
sollen. Sie sagt nur, dass ein Teil der Mittel, die die Banken verwenden,
nicht-geliehen sein muss. Es ist daher Unsinn, zu behaupten, dass die
Regulierungsbehörde verlange, dass die Banken „ein zusätzliches Kapital von X
Euro halten“ müssen. Die Implikation, dass die Kredite an Unternehmen oder
Haushalte automatisch um X Euro verringert würden, stimmt nicht.
Kapital ist
kein Mittel für die Notzeit. Die Verwirrung über den Begriff „Bank Capital“ ist allgegenwärtig.
Zahlreiche Berichte in den Medien sprechen z.B. davon, dass die Banken „Kapital
zurücklegen müssen“, um die regulatorischen Vorschriften zu erfüllen. Die
Verweise auf Kapitalrücklagen legen nahe, als ob die Regulierung die Banken
zwingen würde, Bargeld (cash) zu
halten, was einfach in den Bank-Kassen brachliegen würde, ohne in die
Wirtschaft gebracht zu werden. Die Banken-Lobby wird vor diesem Hintergrund zumeist
mit der Aussage zitiert, dass „ein Dollar in Kapital ein Dollar weniger sei,
welcher in die Wirtschaft investiert werde“.
Die gegenwärtige Situation ist verdreht. Es ist so,
als ob wir die Chemie-Industrie dafür subventionieren würden, dass sie die
Flüsse und Seen absichtlich verschmutzt. Solche Subventionen würden zusätzliche
Verschmutzung verursachen. Würde die Industrie gefordert, die Verschmutzung zu
limitieren, würde sie behaupten, dass es Kosten erhöhen würde. Sollen wir aber
deswegen die Verschmutzung einfach tolerieren? Die Subventionierung von Banken,
dafür, dass sie übermässige Risiken eingehen und das ganze Banking System auf
Gefahr setzen, ist so, wie wenn man Unternehmen subventionieren würde, die
Umwelt zu verschmutzen, während sie saubere Alternative hätten.
Aussagen der Banken kann also nicht vertraut werden. Die
Reformen, um das Finanzsystem zu stabilisieren, sind gescheitert. Jederzeit
kann eine neue Krise ausbrechen.
Banken unterscheiden sich zwar von anderen
Unternehmen, als ein Teil des Geschäftes aus Kreditaufnahme besteht. Aber es
ist kein Grund, sich übermässig zu verschulden. Die meisten Unternehmen
finanzieren sich in den USA zu mehr als 50% mit Eigenkapital. Bevor sie
Fremdmittel aufnehmen, stellen sie erstmals Gewinne zurück. Die
Eigenkapitalquote der Banken befindet sich hingegen i.d.R. im einstelligen
Prozentbereich. Die Schulden der Banken machen mehr als 90% der Vermögenswerte
aus.
Die Autoren schlagen ein Eigenkapitalpolster von 20 bis 30% der Bilanzsumme vor. Das ist
nichts Neues, da die Banken in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg in dieser
Grössenordnung das Eigenkapital hatten.
Banken zu verstehen, erfordert, Fremdfinanzierung zu
verstehen. Deswegen legen die Autoren Wert darauf, zu begreifen, wie
Fremdfinanzierung funktioniert. Fremdfinanzierung erzeugt einen
Leverage-Effekt, der Risiken und Erträge verstärkt. Admati und
Hellwig erklären anhand eines konkreten Zahlen-Beispiels, wie der Einsatz von
Fremdmitteln Möglichkeiten für den Kreditnehmer schafft, aber auch Risiken
vergrössert.
Die Admati und Hellwig
betonen, dass sie mit diesem Buch dazu beitragen wollen, eine fundierte
Diskussion in der Öffentlichkeit auszulösen. Das heisst, dass Laien damit
angesprochen werden sollen. Die Analogie im Titel „The Banker’s New Clothes“
zum Christian Andersens Märchen will zeigen, dass „Bankers neue Kleider“ nicht
die wunderbaren Gewänder sind, die sie angeben. Der Schwindel soll nun vom Volk
endlich erkannt werden. Die Banksters sind nackt. Unbedingt lesenswert!
PS: Die Banken orientieren sich gern am ROE (Return on Equity), weil sie implizieren, dass die Aktien sonst an Wert
verlieren würden, wenn die Bank eine niedrige Eigenkapital-Rendite erzielen
würde. Das ist natürlich völlig irreführend, wie Anat Admati und Martin Hellwig im oben besprochenen Buch überzeugend darlegen. Im Übrigen beruht ein Teil der Vergütung (z.B. via
Bonus) der Banker auf ROE-Werten.
Wenn man sein Geld in US-Staatsanleihen anlegt, hat
man wenig ROE. Worum geht es also? Es gibt kein Risiko. Was bedeutet ROE ohne
Risiko? Risiko und Leverage hängen eng zusammen. Das ist das Alltagsgeschäft
von Banken.
Mehr zum Hintergrund ist hier (von Mark Dittli) zu lesen, warum eine definierte Eigenkapitalrendite kein sinnvolles
Ziel ist.
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