Sonntag, 10. März 2013

IWF in der Austeritätsfalle


Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat kürzlich eine Forschungsarbeit („The Challange of Debt Reduction during Fiscal Consolidation“) über die Austeritätspolitik veröffentlicht. Paul Krugman nimmt in seinem Blog das mühsame Working Paper (pdf) unter die Lupe.

Man stelle sich vor, dass eine Regierung eine Austeritätspolitik auf realistische Weise an den Tag legt, mit Ausgabenkürzungen, die über einen längeren Zeitraum im Vergleich zu Baseline immer tiefer werden.

Wenn die negative Auswirkung dieser Ausgabenkürzungen ziemlich gross ist, was unter den gegenwärtigen Bedingungen der Liquiditätsfalle aller Evidenz nach der Fall ist und das Land ausgehend von einem ziemlich hohen Schuldenstand, wie es in den Ländern, die Austeritätspolitik verfolgen, aussieht, damit beginnt, ist es wahrscheinlich, dass etwas Alarmierendes geschieht: anstatt zu fallen, steigt die Schuldenstandsquote (dept-to-GDP ratio) für mehrere Jahre, beschreibt Krugman.

Zum Teil hat es damit zu tun, dass die Staatseinnahmen wegen der Wirtschaftsschwäche sinken, was einen grossen Teil der Austeritätspolitik glattstellt. Die Schuldenstandsquote ist nämlich ein Bruch: Schulden dividiert durch BIP. Nimmt der Nenner ab, d.h. wenn die Wirtschaft schrumpft, steigt die Quote.

Krugman legt die entsprechenden Daten selbst zugrunde und liefert die folgende Abbildung für das hypothetische Land, nennen wir es „Osbornia“, welches bei einem Schuldenstand von 100% des BIP Austeritätsmassnahmen ergreift, während das Haushaltsdefizit mit einer stabilen Schuldenstandsquote im Einklang steht, dank einem Wirtschaftswachstum von 2% und einer Inflation von ebenfalls 2%.

Wenn dieses Land nun 5 Jahre lang eine „Gürtel-enger-schnallen“-Politik verfolgt, jedes Jahr in Höhe von 1% des BIP und mit einem Multiplikator von 1,3 (was mit neueren Schätzungen übereinstimmt), ergibt sich ein Output, welcher  6,5% tiefer liegt als in der Baseline.


Osbornia und Austeritätspolitik: Verlauf der Schulden im Verhältnis zu Baseline, Graph: Prof. Paul Krugman
Warum ist dies wichtig? Weil, wie das Working Paper des IWF sagt: Obwohl dieser Effekt nicht lang anhält und die Schulden eventuell sinken, ist es möglicherweise ein Problem, dass die Finanzmärkte dem kurzfristigen Verlauf der Schuldenstandsquote das Augenmerk richten oder die Entscheidungsträger im Land neue Runden von Austeritätsmassnahmen treffen, um Bemühungen zu stärken, damit die Schuldenstandsquote mit dem offiziellen Ziel in Einklang gebracht wird.

Der zerstörerische Verlauf ist natürlich möglich, wie Krugman betont, wenn die Behörden im besagten Land feste Gläubiger der Vorstellung sind, dass die Austerität den Output nicht beeinträchtigt. Und sie betrachten die schwache Wertentwicklung der Wirtschaft als „strukturell“ oder sogar als Zeichen dafür, dass mehr Vertrauen vonnöten ist. Auf alle Fälle finden sie immer einen Grund, die Gürtel weiter enger zu schnallen.



Austeritätspolitik Grossbritannien, Graph: Prof. Paul Krugman

Die Parallelen in Wirklichkeit? Ja, sicher, hier ist eine weitere Abbildung von Krugman aus seinem Blog.

Wenn dieser Plan funktioniert, wie würde ein fehlgeschlagener Plan aussehen, wundert sich Martin Wolf in einem lesenswerten Artikel („The man at Number 10 is not for turning“) als Antwort auf David Camerons Vortrag über die Austeritätspolitik, die angeblich richtig sei und Erfolg  verspreche, in FT.

Auch Simon Wren-Lewis befasst sich mit den Auswirkungen der britischen Austeritätspolitik auf das Wirtschaftswachstum kritisch in seinem Blog.

Bemerkenswert ist, dass Cameron immer noch die Dreistigkeit hat, zu behaupten, dass die niedrigen Zinsen zeigen, wie erfolgreich und nötig seine Austeritätspolitik sei. Dabei ist es so, dass heute jedes Land, das über eigene Währung verfügt, im Sog der Finanzkrise niedrigen Zinsen gegenübersieht.

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