Samstag, 30. März 2013

Depression im Lichte von Diagnose und Fehldiagnose


Paul Krugman befasst sich in seinem Blog mit der Betrachtung (Diagnose und Fehldiagnose) der „Kleinen Depression“ (Lesser Depression).

Der Ausgangspunkt ist die Massenarbeitslosigkeit. Die grundlegende Analyse von Angebot und Nachfrage besagt, dass so was nicht passieren kann, weil die Preise steigen oder fallen, um die Märkte wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Was hat es aber mit dem offensichtlich massiven und anhaltenden Überschussangebot an Arbeit auf sich?

In der Regel ist es ein Zeichen dafür, dass der Markt aus dem Gleichgewicht ist, wie Krugman erklärt. Und die meisten Leute kommentieren das Chaos so, dass der eine oder der andere Preis aus irgendeinem Grund sich nicht anpasst. Die grosse Kluft kommt aber in dieser Hinsicht daraus, welcher Preis wohl nicht stimmt.

Auch wenn die Verfechter es abstreiten, vertritt die Austrian-Sicht (d.h. die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, die neoklassische Wirtschaftstheorie und die Schule mit der Betonung auf die Struktur) den Standpunkt, dass das Problem am Arbeitsmarkt liegt.

Die Anhänger der Angebotstheorie argumentieren folglich, dass die Löhne zu hoch sind, angesichts der Nachfrage nach Arbeitskräften. Einige davon akzeptieren die Vorstellung, dass die nominalen Löhne nach unten starr sind (wage rigidity). Die Arbeitnehmer werden demnach durch Sozialprogramme wie Lebensmittelmarken, Arbeitslosenunterstützung, Invaliditätsversicherung und was auch immer, die Schnorrer fördern, ermutigt, an nicht-haltbaren Löhnen festzuklammern.

Das ist natürlich absurd, wie wenn man behaupten würde, dass die Suppenküchen die Grosse Depression (Great Depression) verursacht hätten.

Was ist die alternative Sicht?

Es ist im Grunde genommen die Vorstellung, dass der Zinssatz falsch ist, angesichts des Überhangs an Schulden und der anderen Faktoren, die auf der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage lasten. Die Real-Zinsen müssten tief negativ sein, um die gewünschten Ersparnisse und die gewünschten Investitionen bei Vollbeschäftigung in Übereinstimmung zu bringen.

Und die Realzinsen können nicht so negativ werden, weil die erwartete Inflation niedrig ist und die nominalen Zinsen nicht unter Null fallen können. Warum? Weil die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt.

Aus der beiden Sichten ergeben sich starke wirtschaftspolitische Implikationen:

Wenn man denkt, dass das Problem daran liegt, dass die Löhne zu hoch sind, dann bietet man die Lösung an, dass man die Arbeitnehmer erniedrigen soll, durch Kürzung der Arbeitslosenversicherung und durch Kürzung der Lebensmittelmarken. Man lässt sie verhungern, sodass sie keine Alternative hätten, alles zu unternehmen, um einen Job zu bekommen. Und die Löhne fallen.

Wenn man aber denkt, dass das Problem daran liegt, dass die Zinsen auf der Null-Grenze (zero lower bound) angekommen sind, dann weiss man, dass eine solche Lösung nicht nur grausam ist, sondern die Krise in der Wirtschaft dadurch verschlimmert wird: Die Kürzung der Einkommen der Arbeitnehmerschaft würde die gesamtwirtschaftliche Nachfrage reduzieren und die Deflation würde die Last der Schulden erhöhen.

Ein Rückgang der Realzinsen würde eine Abhilfe schaffen, wenn möglich durch eine Erhöhung der Inflationserwartungen. Scheitert man damit, ist es wichtig, die Staatsausgaben zu erhöhen, um die Nachfrage anzukurbeln und um die brachliegenden Ressourcen wiederzubeleben.

Welche Seite hat Recht?

Die unterschiedlichen Ansichten treffen unterschiedliche Vorhersagen.

Wenn man glaubt, dass die übermässigen Löhne das Problem sind, dann denkt man, dass die Wirtschaft an einer angebotsorientierten Einschränkung leidet. In diesem Fall stehen die Staatsausgaben mit den Investitionen des Privatsektors in Konkurrenz im Hinblick auf die begrenzte Menge an Ressourcen. Das Haushaltsdefizit würde in diesem Fall zu einem rasanten Anstieg der Zinsen führen. Und weil das Angebot an Waren begrenzt ist, würde ein starker Anstieg der Geldmenge einen starken Anstieg der Inflation zur Folge. Und die Kürzung der Staatsausgaben wären folglich expansiv, weil die die Ressourcen für den privaten Sektor freigegeben würden und die Arbeitnehmerschaft es schwer hätte, sich auf öffentliche Zuwendungen zu verlassen.

Wenn man andererseits denkt, dass die schwache Nachfrage im Angesicht der Null-Grenze (zero lower bound) das Problem ist, dann vertritt man die Ansicht, dass die Erhöhung der Staatsausgaben die Zinsen nicht durch die Decke schiessen lassen würden, weil die brachliegenden Arbeitskräfte eine Beschäftigung hätten, und die Ausweitung der Geldmenge nicht inflationär wäre, weil das Geld einfach da liegen würde. Und die fiskalische Austerität stark kontraktiv wäre.

Fazit: Man steht nun vor der Auswahl. Aber es gilt nicht, zu sagen, dass die Wahrheit möglicherweise zwischen beiden Ansichten liege. Die Wirtschaft ist eingeschränkt entweder auf der Angebotsseite oder auf der Nachfrageseite.

Ja, der Preis stimmt nicht (the price is wrong). Aber es ist laut Krugman ein schrecklicher, katastrophaler Fehler das Augenmerk dem falschen „falschen Preis“ zu richten.

2 Kommentare:

Johannes hat gesagt…

Alles was Krugman erklärt, hat man in Japan umgesetzt. Genutzt hat es nichts.
Vielleicht sollte Krugman einmal eine Banklehre absolvieren, dann wüsste er, dass man eine Deflation, wie wir sie zur Zeit haben, nicht bekämpfen kann. Eine Deflation muss ich auslaufen. Wann das sein wird, weis keiner. Die letzte Deflationsphase dauerte 20 Jahren.

Hardy hat gesagt…

"Wenn man glaubt, dass die übermässigen Löhne das Problem sind..."

Wären sie es, müssten die Investoren Spanien und Griechenland nach den bisher erfolgten Lohnkürzungen schier überrollen. Gleichzeitig müssten die Schweiz und Deutschland hohe Arbeitslosgkeit erleiden. Beides ist nicht der Fall.

Monokausale Erklärungen bringen nix, dafür sind Volkswirtschaften viel zu komplex.