Jeff Sachs hat kürzlich zum Thema Haushaltsdefizit
einen wunderlichen Artikel (“Deficit do
matter“) in The Washington Post in Zusammenarbeit mit Joe
Scarborough veröffentlicht.
Die
Autoren bringen damit ihre Bedenken über „die Höhe und das Wachstum der
Staatsschulden“ zum Ausdruck. Das Argument lautet, dass das Konjunkturprogramm
(stimulus package) von 2009 die
Staatsverschuldung wesentlich erhöht hat, während das Problem der Beschäftigung
und des Wirtschaftswachstums dadurch nicht angepackt worden sei.
Sachs
hat kurz danach in einem weiteren Artikel („Professor
Krugman and Crude Keynesianism“) in HuffPost noch einen drauf gesattelt.
Wie
vielfach darauf hingewiesen wurde, ist die Annahme, dass Krugman die Ansicht
vertrete, dass die Defizite nichts ausmachen, einfach falsch. Krugman hat sich
in dieser Angelegenheit deutlich artikuliert:
„Gerade
jetzt kommt es auf die Defizite nicht an, wobei das Argument durch alle Beweise
gestützt wird. Aber es gibt eine Denkschule, die moderne Geldtheorie (modern monetary theory), die besagt,
dass die Defizite überhaupt keine Rolle spielen, solange man eigene Währung hat:
Ich wünsche, ich könnte diese Ansicht teilen“, hat Krugman unterstrichen. Und es sei keine Debatte, die er anstrebe, zumal die
unmittelbare politische Gefahr von Defizit-Pfauen auf der rechten Seite des
politischen Spektrums drohe.
Sachs
betont andererseits, dass er gegen kurzfristige Konjunkturprogramme sei.
Krugman sei hingegen dafür. Sachs ziehe nach eigenen Worten langfristige „Investitionen
in Menschen, Technologie und Infrastruktur“ vor. Obama habe laut Sachs die
Bush-Steuersenkungen verlängert und damit die Wirtschaft fiskalpolitisch
festgebunden.
Die
Evidenz legt aber nahe, dass die Multiplikatoren, wenn die Wirtschaft schwer
angeschlagen ist, viel höher sind als sonst unter normalen Umständen, wie Paul De Grauwe in einem lesenswerten Artikel („Panic-driven austerity in the
Eurozone and its implications“) neulich erläutert hat.
Sachs
kann glauben, was er will, bemerkt Mark
Thoma in seinem Blog dazu. Die Beweise deuten darauf hin, dass Sachs falsch liegt.
Krugman hat aber nie gesagt, dass die Multiplikatoren „stabil, vorhersagbar und
gross“ sind. Was Krugman hervorhebt, ist, dass die Multiplikatoren, wie die
Theoretiker und Empiriker sagen, in einer Liquiditätsfalle viel grösser sind
als sonst. Und das ist ein Ergebnis, das direkt den modernen DSGE-Modellen
entstammt.
Thoma
schreibt, dass man die wirtschaftlichen Probleme als „zumeist zyklisch“
bezeichnen mag. Aber man solle sich vorerst die Forschungsarbeit von SF Fed
ansehen, oder mit Narayana Kocherlakota reden. Der Fed-Präsident von Minnesota war
neulich überzeugt, seine Meinung im Hinblick auf die Multiplikatoren zu revidieren.
Die gegenwärtigen Probleme der Wirtschaft haben eine grosse Komponente der
zyklischen Natur. Es ist aber falsch, zu behaupten, dass Krugman/Keynesianismus
sich um die Qualität der Ausgaben nicht kümmern.
Fazit: Viele Ökonomen sind sich einig, dass
es eine Notwendigkeit gibt, langfristige Probleme anzugehen. Thoma hat z.B. in
den vergangenen Jahren mehrmals dafür plädiert, die Investitionen in die
Infrastruktur zu erhöhen.
Es
gibt aber keinen Anlass, die Massnahmen zu ignorieren, die den Menschen heute auf
kurze Sicht helfen könnten. Die Multiplikatoren sind kurzfristig gross genug.
Und es gibt zur Zeit eine erhebliche durch die Konjunktur bedingte
Arbeitslosigkeit. Thoma bemerkt, dass er Sachs‘ Projekte unterstütze, aber bitte
nicht zu Lasten von Menschen, die bisher lange gelitten haben und immer noch einen
Arbeitsplatz suchen.
Hier
sind weitere lesenswerte Hinweise zum Thema „Crude Keynesianism“:
Von Simon Wren-Lewis („The Unlikely Friends
of Austerity“).
Von Dean Baker (“The Strange Attack of
Jeffrey Sachs on Paul Krugman”).
Von econospeak (“Jeffrey Sachs Accuses Paul
Krugman of Being a Closest Republican”).
1 Kommentar:
Es stimmt nicht, dass MMT behauptet, dass Defizite überhaupt keine Rolle spielen. Und wenn Paul Krugman das nun zum wiederholten Mal behauptet, es wird dadurch nicht wahr.
Bei Vollbeschäftigung & -auslastung einer VoWi können weitere Defizite des Staatssektors inflationär sein. Ich kenne keinen MMTer, der das bestreiten würde.
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