Montag, 11. März 2013

Jeffrey Sachs‘ krude Argumente


Jeff Sachs hat kürzlich zum Thema Haushaltsdefizit einen wunderlichen Artikel (“Deficit do matter“) in The Washington Post in Zusammenarbeit mit Joe Scarborough veröffentlicht.

Die Autoren bringen damit ihre Bedenken über „die Höhe und das Wachstum der Staatsschulden“ zum Ausdruck. Das Argument lautet, dass das Konjunkturprogramm (stimulus package) von 2009 die Staatsverschuldung wesentlich erhöht hat, während das Problem der Beschäftigung und des Wirtschaftswachstums dadurch nicht angepackt worden sei.

Sachs hat kurz danach in einem weiteren Artikel („Professor Krugman and Crude Keynesianism“) in HuffPost noch einen drauf gesattelt.

Wie vielfach darauf hingewiesen wurde, ist die Annahme, dass Krugman die Ansicht vertrete, dass die Defizite nichts ausmachen, einfach falsch. Krugman hat sich in dieser Angelegenheit deutlich artikuliert:

„Gerade jetzt kommt es auf die Defizite nicht an, wobei das Argument durch alle Beweise gestützt wird. Aber es gibt eine Denkschule, die moderne Geldtheorie (modern monetary theory), die besagt, dass die Defizite überhaupt keine Rolle spielen, solange man eigene Währung hat: Ich wünsche, ich könnte diese Ansicht teilen“, hat Krugman unterstrichen. Und es sei keine Debatte, die er anstrebe, zumal die unmittelbare politische Gefahr von Defizit-Pfauen auf der rechten Seite des politischen Spektrums drohe.

Sachs betont andererseits, dass er gegen kurzfristige Konjunkturprogramme sei. Krugman sei hingegen dafür. Sachs ziehe nach eigenen Worten langfristige „Investitionen in Menschen, Technologie und Infrastruktur“ vor. Obama habe laut Sachs die Bush-Steuersenkungen verlängert und damit die Wirtschaft fiskalpolitisch festgebunden.

Die Evidenz legt aber nahe, dass die Multiplikatoren, wenn die Wirtschaft schwer angeschlagen ist, viel höher sind als sonst unter normalen Umständen, wie Paul De Grauwe in einem lesenswerten Artikel („Panic-driven austerity in the Eurozone and its implications“) neulich erläutert hat.

Sachs kann glauben, was er will, bemerkt Mark Thoma in seinem Blog dazu. Die Beweise deuten darauf hin, dass Sachs falsch liegt. Krugman hat aber nie gesagt, dass die Multiplikatoren „stabil, vorhersagbar und gross“ sind. Was Krugman hervorhebt, ist, dass die Multiplikatoren, wie die Theoretiker und Empiriker sagen, in einer Liquiditätsfalle viel grösser sind als sonst. Und das ist ein Ergebnis, das direkt den modernen DSGE-Modellen entstammt.

Thoma schreibt, dass man die wirtschaftlichen Probleme als „zumeist zyklisch“ bezeichnen mag. Aber man solle sich vorerst die Forschungsarbeit von SF Fed ansehen, oder mit Narayana Kocherlakota reden. Der Fed-Präsident von Minnesota war neulich überzeugt, seine Meinung im Hinblick auf die Multiplikatoren zu revidieren. Die gegenwärtigen Probleme der Wirtschaft haben eine grosse Komponente der zyklischen Natur. Es ist aber falsch, zu behaupten, dass Krugman/Keynesianismus sich um die Qualität der Ausgaben nicht kümmern.

Fazit: Viele Ökonomen sind sich einig, dass es eine Notwendigkeit gibt, langfristige Probleme anzugehen. Thoma hat z.B. in den vergangenen Jahren mehrmals dafür plädiert, die Investitionen in die Infrastruktur zu erhöhen.

Es gibt aber keinen Anlass, die Massnahmen zu ignorieren, die den Menschen heute auf kurze Sicht helfen könnten. Die Multiplikatoren sind kurzfristig gross genug. Und es gibt zur Zeit eine erhebliche durch die Konjunktur bedingte Arbeitslosigkeit. Thoma bemerkt, dass er Sachs‘ Projekte unterstütze, aber bitte nicht zu Lasten von Menschen, die bisher lange gelitten haben und immer noch einen Arbeitsplatz suchen.

Hier sind weitere lesenswerte Hinweise zum Thema „Crude Keynesianism“:

Von Simon Wren-Lewis („The Unlikely Friends of Austerity“).

Von Dean Baker (“The Strange Attack of Jeffrey Sachs on Paul Krugman”).

Von econospeak (“Jeffrey Sachs Accuses Paul Krugman of Being a Closest Republican”).

1 Kommentar:

Stephan hat gesagt…

Es stimmt nicht, dass MMT behauptet, dass Defizite überhaupt keine Rolle spielen. Und wenn Paul Krugman das nun zum wiederholten Mal behauptet, es wird dadurch nicht wahr.

Bei Vollbeschäftigung & -auslastung einer VoWi können weitere Defizite des Staatssektors inflationär sein. Ich kenne keinen MMTer, der das bestreiten würde.