Mittwoch, 20. März 2013

Austeritätspolitik zwischen Armen und Reichen


John Cogan und John Taylor schreiben in einem wunderlichen Artikel („How the House Budget Would Boost the Economy“) in WSJ, dass der Haushaltsplan von Paul Ryan expansiv sei, d.h. konjunkturfördernd, weil der Entwurf Vertrauen schaffe.

Es ist so, als ob alle Erfahrungen aus den letzten Jahren nur für die Katze wären, wo die Anhänger des „expansionary austerity“-Ansatzes nach wie vor vergeblich auf das Auftauchen der Confidence Fairy (Vertrauen Fee) warten, bemerkt Paul Krugman in seinem Blog dazu.

Heute braucht man sich darüber nicht den Kopf zu schütteln. Denn der Ryan-Plan ist offensichtlich lächerlich, argumentiert der Träger des Wirtschaftsnobelpreises weiter. Es ist peinlich, zu sehen, dass qualifizierte Ökonomen die Sache unterstützen, v.a. aber auch aus dem Grund, weil Cogan und Taylor eine grundsätzlich unaufrichtige Behauptung über den Stand der Forschung in der Volkswirtschaft aufstellen. Liest man den Artikel von Cogan und Taylor durch, hat man den Eindruck, als ob alle, die die Ansicht vertreten, dass eine restriktive Fiskalpolitik kontraktiv ist, über die Erwartungen nichts wüssten.

Die im Artikel unterstellte Vorstellung, dass die Keynesians nicht daran glauben, dass die Erwartungen der künftigen Bedingungen die Entscheidungen von heute beeinflussen, ist daher seltsam, unterstreicht Krugman. Sowohl alte keynesianische als auch neu keynesianische Modelle (z.B. wie das von Mike Woodford) berücksichtigen Erwartungen sehr wohl. Die Frage, die sich stellt, ist eher, warum die im WSJ-Artikel präsentierte Schlussfolgerung von Cogan und Taylor so sehr von der Schlussfolgerung von Woodford verschieden ist.

Die Autoren schreiben, dass ihr Gutachten auf einem modernen makroökonomischen Modell beruhe, entwickelt von Volker Wieland, Uni Frankfurt und Maik Wolters, Uni Kiel, wonach die Quellen zur Finanzierung der Staatsausgaben nicht kostenlos sind. Im Modell werde ferner angenommen, dass die Verbraucher, Unternehmen und Arbeitnehmer auf die Anreize reagieren und von ihren künftigen Erwartungen im Hinblick auf die wirtschaftlichen Konditionen beeinflusst werden. Keine dieser Eigenschaften werde von keynesianischen Modellen im alten Stil berücksichtigt.

Stimmt es? Natürlich nicht. (1) Gerade in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft (depression) sind die Ressourcen zur Finanzierung der Staatsausgaben gratis. (2) Wie oben erwähnt, gibt es keinen Zweifel daran, dass Woodford künftige Erwartungen in seine Modell-Bildung (keynesianisch) einbezieht. Man braucht nur seine Arbeit zu lesen und (3) Noah Smith erläutert in seinem Blog, dass Cogan und Taylor in ihrer Analyse die Nullzins-Grenze (zero lower bound) ignorieren, was nichts anderes bedeutet als dass sie den ganzen Grund darüber, warum heute über die Fiskalpolitik diskutiert wird, völlig übergehen.

Die Autoren gehen ausserdem davon aus, dass die Ausgabenkürzungen vorwiegend auf Transferleistungen entfallen, nicht auf die Staatsausgaben. Die Annahme, dass aus der Kürzung von Transfers kaum negative Auswirkungen auf (das Wirtschaftswachstum) gehen würde, hat wohl mit dem RicardianischenÄquivalenz-Theorem zu tun, sodass die Menschen angeblich später ausgleichende Steuersenkungen erwarten und damit die Ausgaben heute nicht senken würden.

Stimmt es? Nicht ganz. Denn die Ausgabenkürzugen beziehen sich im Ryan-Plan überwiegend auf diskretionäre Staatsausgaben (discretionary spending), was im Grunde genommen Güter und Dienstleistungen betrifft, wie Krugman unterstreicht. Der Rest der Ausgabenkürzungen stammt aus Medicaid, Essensmarken und anderen sozialen Hilfsprogrammen für Familien in Not. Wie soll das funktionieren?

Wenn man von den Armen 200 Mrd. $ wegnimmt und das Geld den Reichen überreicht, und wenn die Menschen denken, dass es sich um eine permanente Übertragung handelt, wird der Verbrauch der Armen gemäss der permanenten Einkommenshypothese um 200 Mrd. $ sinken, während der Verbrauch der Reichen um dieselbe Summe steigen wird. Es gibt aber laut Krugman zwei Gründe, daran nicht zu glauben: (a) Es gibt einige Hinweise, dass die permanente Einkommenshypothese (permanent income theory) nicht so gut funktioniert und (b) die Reichen i.d.R. beharrlich weniger ihres Einkommens konsumieren als die Armen.

Die armen Menschen verfügen nicht über einen Pool von Ersparnissen und sie haben keinen Zugang zu Kapitalmärkten. Das Geld wird also Menschen mit geringerer Zahlungsfähigkeit abgenommen und Menschen gegeben, die nicht solchen Einschränkungen gegenüberstehen.

Fazit: Die kontraktive Politik ist kontraktiv.

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