Samstag, 13. Oktober 2012

Mindestkurs ist kein Mittel für Währungsmanipulation


Daniel Gros wirft der Schweiz in einem weiteren Artikel („An overlooked currency war in Europe“) in voxeu erneut „Währungsmanipulation“ vor. Konkret lautet die Anschuldigung, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) am Mindestkurs festhalte, um den Leistungsbilanzüberschuss von 12% aufrechtzuerhalten. Die SNB wolle mit der Verteidigung des Mindestkurses die tiefe Arbeitslosigkeit unter Kontrolle halten, und zwar auf Kosten der Eurozone.

Fakt ist, das, was die SNB praktiziert, nicht Währungsmanipulation, sondern Devisenmarktintervention ist, weil die SNB damit eine übermässige Aufwertung des Franken unterbinden will, um drohende Deflationsgefahr abzuwehren. Es geht also per se nicht darum, einen Leistungsbilanzüberschuss aufrechtzuerhalten.

Nicht der geldpolitische Kurs der SNB, sondern die Untätigkeit der EZB ist für die Misere im Euro-Raum verantwortlich. Während die SNB wie eine Zentralbank agiert, wie es sich gehört, weigert sich die EZB, z.B. die Funktion als „lender of last resort“ auszuüben. Die Schweiz ist zwar auf Aussenhandel angewiesen, aber die schweizerische Wirtschaft ist nicht vom Leistungsbilanzüberschuss abhängig.

Was Gros geflissentlich ausser Acht lässt, ist, dass die SNB in einem Dilemma steckt. Soll die SNB den Wechselkurs überschiessen lassen, mit viel Unsicherheit und fatalen Folgen für den Binnenmarkt, während sie weiterhin eine vollkommen autonome Geldpolitik verfolgt? Oder soll sie den Wechselkurs in einem von Depression geprägten Umfeld fixieren und verteidigen, um die Unsicherheit für die Geschäftswelt im Inland abzufedern, aber gleichzeitig die Aushebelung der Geldpolitik in Kauf nehmen?


Schweizer Franken, realer effektiver Wechselkurs, Graph: Thomas Jordan, SNB, May 2012

Die SNB kann auf drei Massnahmen zurückgreifen, um einen Ziel-Wechselkurs zu verfolgen: Die SNB kann auf dem Devisenmarkt intervenieren, indem sie Franken verkauft und Euro erwirbt, wodurch die Devisenreserven ansteigen. Die SNB kann die Zinsen senken, wodurch das Angebot an Franken erhöht und die Nachfrage vermindert würde. Schliesslich kann die SNB radikale Massnahmen wie Devisenbewirtschaftung einführen.

Die Massnahmen betreffend Devisenbewirtschaftung wie die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen bedeuten Einschränkungen der persönlichen Rechte zum Devisenkauf. Es handelt sich dabei m.a.W. um radikale Vorkehrungen, weshalb die SNB bisher davon abgesehen hat. Andererseits liegen die Zinsen bereits seit geraumer Zeit auf der Nullgrenze (zero lower bound). Der Repo-Overnight-Satz beträgt in der Schweiz Minus 0,02%. Der 3-Monats-Libor ist 0,04%. Die Zinsstrukturkurve für Staatsanleihen verläuft mit negativen Renditen bis zu einer Laufzeit von 5 Jahren flach. Das Zinsniveau kann also nicht weiter gesenkt werden. Daher ist die SNB dazu übergegangen, eine unkonventionelle Geldpolitik (genannt auch QE, quantitative easing) zu betreiben. Indem die SNB Franken verkauft und Euro kauft, sorgt sie für die Fortsetzung der lockeren monetären Bedingungen.

Es ist unbestritten, dass der nominale Wechselkurs durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Anders als der Preis für Rohöl ist jedoch der Wechselkurs der Preis für die Geldeinheit eines Landes, wie Paul Krugman in seinem Lehrbuch Economics („Volkswirtschaftslehre“) beschreibt. Geld ist also kein Gut wie eine Ware oder eine Dienstleistung aus dem privaten Sektor. Es ist ein Gut, dessen Menge durch staatliche Politik bestimmt wird. Deshalb haben die Regierungen die Macht, den nominalen Wechselkurs zu beeinflussen.


Exportgewichteter Wert des Schweizer Frankens, Graph: SNB, Quartalsheft 3/2012

Die Fortführung der expansiven Geldpolitik mit unkonventionellen Mitteln durch die SNB hat mit der Verstärkung von Ungleichgewichten (Nord-Süd, Gläubiger-Schuldner) im Euro-Raum nichts zu tun. Zumal die SNB Wert darauf legt, bei der Umsetzung der unkonventionellen Geldpolitik mit der Öffentlichkeit angemessen zu kommunizieren.

Die Ursache der Krise im Euro-Raum ist die Lücke in Wettbewerbsfähigkeit unter Mitgliedstaaten, nicht die Festhaltung der SNB am Mindestkurs von Franken pro Euro. Die SNB zettelt keinen „Währungskrieg“ an, sondern sie stellt sich der akuten Bedrohung der Schweizer Wirtschaft und dem Risiko einer deflationären Entwicklung entgegen.

Die Devisenmarktinterventionen der SNB widersprechen den IWF-Regeln dann nicht, wenn sie dazu dienen, extreme Verzerrungen auf dem Markt zu bekämpfen. Eine solche ausserordentliche Massnahme wird in einer Extremsituation international akzeptiert, wenn eine klare, ökonomisch eindeutige Begründung für den Einsatz solcher Mittel vorliegt. Der IWF hat im Mai 2012 (Country Report No. 12/106) festgehalten, dass die Einführung des Mindestkurses eine geeignete geldpolitische Massnahme auf die Gefahr von Schrumpfung der Wirtschaft und Deflation war.

Der Mindestkurs ist deshalb kein Schritt in Richtung einer kompetitiver Abwertung, um unfaire Wettbewerbsvorteile zu erlangen.

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