Daniel
Gros wirft der Schweiz in einem weiteren Artikel („An overlooked currency war in Europe“) in voxeu
erneut „Währungsmanipulation“ vor. Konkret lautet die Anschuldigung, dass die
Schweizerische Nationalbank (SNB) am Mindestkurs
festhalte, um den Leistungsbilanzüberschuss von 12% aufrechtzuerhalten. Die SNB
wolle mit der Verteidigung des Mindestkurses die tiefe Arbeitslosigkeit unter
Kontrolle halten, und zwar auf Kosten der Eurozone.
Fakt ist, das, was die SNB praktiziert, nicht Währungsmanipulation,
sondern Devisenmarktintervention ist, weil die SNB damit eine übermässige
Aufwertung des Franken unterbinden will, um drohende Deflationsgefahr
abzuwehren. Es geht also per se nicht darum, einen Leistungsbilanzüberschuss
aufrechtzuerhalten.
Nicht der geldpolitische Kurs der SNB, sondern die
Untätigkeit der EZB ist für die Misere im Euro-Raum verantwortlich. Während die
SNB wie eine Zentralbank agiert, wie es sich gehört, weigert sich die EZB, z.B.
die Funktion als „lender of last resort“ auszuüben. Die Schweiz ist zwar auf Aussenhandel angewiesen, aber die
schweizerische Wirtschaft ist nicht vom Leistungsbilanzüberschuss abhängig.
Was Gros geflissentlich ausser Acht lässt, ist, dass die
SNB in einem Dilemma steckt. Soll die SNB den Wechselkurs überschiessen lassen,
mit viel Unsicherheit und fatalen Folgen für den Binnenmarkt, während sie
weiterhin eine vollkommen autonome Geldpolitik verfolgt? Oder soll sie den
Wechselkurs in einem von Depression geprägten Umfeld fixieren und verteidigen,
um die Unsicherheit für die Geschäftswelt im Inland abzufedern, aber
gleichzeitig die Aushebelung der Geldpolitik in Kauf nehmen?
Schweizer Franken, realer effektiver Wechselkurs, Graph: Thomas Jordan, SNB, May 2012
Die SNB kann auf drei
Massnahmen zurückgreifen, um einen Ziel-Wechselkurs zu verfolgen: Die SNB
kann auf dem Devisenmarkt intervenieren, indem sie Franken verkauft und Euro
erwirbt, wodurch die Devisenreserven ansteigen. Die SNB kann die Zinsen senken,
wodurch das Angebot an Franken erhöht und die Nachfrage vermindert würde.
Schliesslich kann die SNB radikale Massnahmen wie Devisenbewirtschaftung
einführen.
Die Massnahmen betreffend Devisenbewirtschaftung wie
die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen bedeuten Einschränkungen der
persönlichen Rechte zum Devisenkauf. Es handelt sich dabei m.a.W. um radikale
Vorkehrungen, weshalb die SNB bisher davon abgesehen hat. Andererseits liegen
die Zinsen bereits seit geraumer Zeit auf der Nullgrenze (zero
lower bound). Der Repo-Overnight-Satz beträgt in der Schweiz Minus 0,02%.
Der 3-Monats-Libor ist 0,04%. Die Zinsstrukturkurve für Staatsanleihen verläuft mit
negativen Renditen bis zu einer Laufzeit von 5 Jahren flach. Das Zinsniveau
kann also nicht weiter gesenkt werden. Daher ist die SNB dazu übergegangen,
eine unkonventionelle Geldpolitik (genannt auch QE, quantitative easing)
zu betreiben. Indem die SNB Franken verkauft und Euro kauft, sorgt sie für die
Fortsetzung der lockeren monetären Bedingungen.
Es ist unbestritten, dass der nominale Wechselkurs
durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Anders als der Preis für Rohöl ist jedoch
der Wechselkurs der Preis für die Geldeinheit eines Landes, wie Paul Krugman in
seinem Lehrbuch Economics
(„Volkswirtschaftslehre“) beschreibt. Geld ist also kein Gut wie eine Ware oder
eine Dienstleistung aus dem privaten Sektor. Es ist ein Gut, dessen Menge durch
staatliche Politik bestimmt wird. Deshalb haben die Regierungen die Macht, den
nominalen Wechselkurs zu beeinflussen.
Exportgewichteter Wert des Schweizer Frankens, Graph: SNB, Quartalsheft 3/2012
Die Fortführung der expansiven Geldpolitik mit unkonventionellen
Mitteln durch die SNB hat mit der Verstärkung von Ungleichgewichten (Nord-Süd,
Gläubiger-Schuldner) im Euro-Raum nichts zu tun. Zumal die SNB Wert
darauf legt, bei der Umsetzung der unkonventionellen Geldpolitik mit der
Öffentlichkeit angemessen zu kommunizieren.
Die Ursache der Krise im Euro-Raum ist die Lücke in Wettbewerbsfähigkeit unter Mitgliedstaaten,
nicht die Festhaltung der SNB am Mindestkurs von Franken pro Euro. Die SNB
zettelt keinen „Währungskrieg“ an, sondern sie stellt sich der akuten
Bedrohung der Schweizer Wirtschaft und dem Risiko einer deflationären
Entwicklung entgegen.
Die Devisenmarktinterventionen der SNB widersprechen
den IWF-Regeln dann nicht, wenn sie dazu dienen, extreme Verzerrungen auf dem
Markt zu bekämpfen. Eine solche ausserordentliche Massnahme wird in einer
Extremsituation international akzeptiert, wenn eine klare, ökonomisch
eindeutige Begründung für den Einsatz solcher Mittel vorliegt. Der IWF hat im Mai 2012 (Country Report No. 12/106) festgehalten, dass die Einführung des Mindestkurses
eine geeignete geldpolitische Massnahme auf die Gefahr von Schrumpfung der
Wirtschaft und Deflation war.
Der Mindestkurs ist deshalb
kein Schritt in Richtung einer kompetitiver Abwertung, um unfaire
Wettbewerbsvorteile zu erlangen.
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