Donnerstag, 25. Oktober 2012

Draghi im Bundestag auf Seelenmassage


Die Meinungsmacher in Deutschland lassen keine Gelegenheit aus, stets den Teufel an die Wand zu malen, um ihren Einfluss der neoklassischen Zombie-Ideen auf die Wirtschafts- und Finanzpolitik aufrechtzuerhalten.

Das ständige Läuten der Alarm-Glocken für Inflation gehört zum Standardrepertoire, was sich v.a. in den vergangenen Jahren an die EZB richtet. Dass aber der Bundesrechnungshof in Panik gerät, und darauf besteht, dass Deutschlands Goldreserven in ausländischen Tresoren gezählt werden müssen, zeugt vom mangelnden Vertrauen an der Seriosität der Bundesbank.

Die „Mission Fort Knox“ ist inzwischen zum Glück „erfolgreich“ abgeschlossen. Doch bleibt die Besessenheit von Inflation bestehen. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass EZB-Chef Mario Draghi sich veranlasst sah, im Deutschen Bundestag aufzutreten , um die aktuellen Massnahmen der EZB als Reaktion auf die Herausforderungen im Euro-Raum darzulegen.

Die EZB hat handeln müssen, um das ordnungsgemässe Funktionieren der geldpolitischen Transmission wiederherzustellen. Gerade zu diesem Zweck wurden die geldpolitischen Outright-Geschäfte (OMTs) eingeführt, erklärt Draghi in seiner Rede. Dann geht der EZB-Präsident auf die Bedenken über die Folgen der Massnahmen ein und erläutert, dass

OMTs nicht zur verdeckten Staatsfinanzierung führen,

OMTs die Unabhängigkeit der EZB nicht gefährden,

OMTs nicht übermässige Risiken für die Steuerzahler im Euro-Raum schaffen und

OMTs nicht zu Inflation führen werden.


Liquiditätsfalle, Graph: Prof. Paul Krugman

Die EZB handelt also, um die Störung der geldpolitischen Transmission aufzuheben. Draghi fügt jedoch hinzu, dass es „natürlich kein Zufall war, dass sich einige Länder in einer schwierigeren Lage befanden als andere und zwar v.a. jene Länder, de in der Vergangenheit eine unangemessene Wirtschaftspolitik betrieben hatten. Daher ist es jetzt auch die wichtigste Aufgabe der Länder, entschlossene Reformen durchzuführen und die Märkte von ihrer Glaubwürdigkeit zu überzeugen“.

Es ist also trotz allem die alte Leier. Die EZB appelliert weiterhin an die Vertrauen Fee (confidence fairy), was nichts anderes bedeutet, als dass sie nicht fähig ist, die wahren Ursachen der Euro-Krise zu erkennen. Was zählt, sind nicht die angepeilten Interventionen via LTRO (2011) und via OMT (2012), welche vorgestellt worden sind, um die Operationen in bestimmten Märkten zu verstärken und bestimmen Staaten zu helfen. 

Worauf es für den Multiplikator ankommt, sind, wie Barry Eichengreen and Kevin O’Rourke neulich in einem lesenswerten Artikel („Gauging the multiplier: Lessons from history“) in voxeu hervorheben, Massnahmen für die gesamte Wirtschaft wie Zinssenkungen und Quantitative Easing (QE). QE ist im Euro-Raum nicht vorhanden. Und die Zinssenkungen überzeugen kaum. Denn es darf in Erinnerung gerufen werden, dass die EZB 2011 (April und Juli) mitten in einer schweren Rezession (Great Recession) die Zinsen angehoben hat, aus Angst vor Inflation.

Was wichtig ist, sich zu vergegenwärtigen, was die Lehrbücher sagen, wie die Probleme in einer Wirtschaft, die in einer Depression steckt, anzupacken sind: Die Erholung der Wirtschaft erfolgt sehr träge. Hohe Haushaltsdefizite bedeuten nicht hohe Zinssätze. Der Anstieg der Notenbankgeldmenge (monetary base) führt nicht zu Inflation, und Multiplikator ist viel grösser als sonst, wenn die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt, d.h. wenn die Zinsen auf der Null-Grenze (zero lower bound) liegen.


PS:

Hier sind zwei ausgezeichnete Beiträge zur unsinnigen Debatte in Deutschland über die Goldvorräte der Bundesbank im Ausland:

Peter Ehrlich: („Operation Fort Knox“) in FTD und Wolfgang Münchau („Die Gold-Michel vom Rechnungshof“) in Spiegel Online.

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