Sonntag, 28. Oktober 2012

Austerität-Wahnsinn


Die Austeritätspolitik ist kläglich gescheitert. Die Erfahrung im Euro-Raum in den vergangenen Jahren zeigt, dass die Schuldenquote steigt, wenn man in einer schweren Rezession harsche Austerität betreibt.

Der IWF räumt nun ein, dass der Multiplikator in einer Bandbreite von 0,9 bis 1,7 liegt. Bisher ging man in Europa von einem Multiplikator von 0,5 aus. Das heisst, dass die Wirtschaft um 0,5% schrumpfen würde, wenn die Staatsausgaben um 1% gekürzt würden.

Die aktuelle Feststellung des IWF ist insofern wichtig, als die Auswirkungen von Haushaltskonsolidierung auf die Wirtschaftsleistung (Multiplikator) in einem schwer angeschlagenen Umfeld des Marktes (Great Recession) ohnehin viel grösser sind als sonst. Das wiederum bedeutet, dass das Volkseinkommen sich um mehr als eine Milliarde verringert, wenn die öffentliche Hand um einer Milliarde „spart“, d.h. weniger ausgibt.

Keynesianer hatten recht. Austerians lagen völlig falsch. Paul Krugman hat von Anfang an darauf hingewiesen, dass die von der EU favorisierte Sparpolitik als vermeintliches Allheilmittel für alle wirtschaftlichen Probleme grundsätzlich abwegig ist.

USA: Haushaltsdefizit (blaue Kurve) versus Realzinsen (rote Kurve), Graph: Prof. Paul Krugman

Wenn die Volkswirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt, wo die Zinsen also auf der Null-Grenze (zero lower bound) liegen und wo die Geldpolitik nicht mehr wirksam ist, verschlimmert die Austerität die Wirtschaftskrise.

Jean-Claude Trichet, der Vorgänger des gegenwärtigen EZB-Präsidenten Mario Draghi hat aber die Zinsen im Euro-Raum 2011 wider besseres Wissen zwei mal (im April und im Juli) erhöht, um angeblich die Inflationsgefahr zu bekämpfen. Die Sachen, die in den Lehrbüchern gelehrt werden, waren sehr nützlich. Doch die meisten politischen Entscheidungsträger haben sich davon abgewandt.


Euro-Raum: Primary Budget Deficit, Graph: Prof. Paul Krugman

Hardliner um den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble bestehen heute noch darauf, den Austeritätskurs fortzufahren, und dem Südeuropa, welches bereits in der Depression gelandet ist, weiterhin schärfere Austerität vorzuschreiben. Die Verfechter der Austeritätspolitik scheinen ungerührt davon, dass Staaten und Menschen in den Ruin getrieben werden.

Die Idee, dass die Austerität eine Stagnation auslösen könnte, ist nicht richtig, sagte Trichet vor einem Jahr. Seiner Ansicht nach würde expansionary austerity das Wirtschaftswachstum fördern und die Beschäftigung stützen. Der ehemalige EZB-Präsident lag damit vollkommen falsch.

Wie Krugman mehrmals hervorgehoben hat, erfolgt die Erholung der Wirtschaft nach einer schweren Finanzkrise sehr langsam. Und hohe Haushaltsdefizite führen nicht zu steigenden Zinsen. Ein rascher Anstieg der Notenbankgeldmenge (monetary base) bringt auch keine hohe Inflation mit sich, wenn die Wirtschaft in einer Bilanz-Rezession steckt. Und der Multiplikator ist viel höher als bisher eingeschätzt.

Der IWF bestätigt jetzt, dass die Austeritätspolitik die Euro-Krise verschärft hat. Und Krugman hatte recht, dass Haushaltskonsolidierung in einer Depression die Wirtschaft schwächt und die Verschlechterung der öffentlichen Finanzen im Euro-Raum ein Symptom der Krise, nicht ihre Ursache ist.

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