Mittwoch, 17. Oktober 2012

Austeritätspolitik: Europas Versagen


Das hier ist mein Beitrag auf die Schnelle zur „Blogparade II: Ist Austeritätspolitik sinnvoll?“.

Die Austeritätspolitik ist und war von Anfang an ein fataler Fehler. Warum? Weil die Verfechter der harschen Austerität die wahren Ursachen der Euro-Krise nicht wahrnehmen wollen. Die Krise im Euro-Raum ist nicht auf unverantwortliche Haushaltspolitik zurückzuführen. Spanien und Irland hatten beispielsweise am Vorabend der Euro-Krise einen Haushaltsüberschuss. Es ist nicht mehr entscheidend, ob Griechenland Bücher verfälscht hat. Aber es war das unterregulierte Bankensystem, wo unverantwortlich Geld verliehen wurde. Nicht der öffentliche Sektor hat sich übermässig verschuldet, sondern der Privatsektor.

Deutsche Landesbanken haben emsig die von spanischen Cajas begebenen Covered Bonds gekauft, wobei die spanischen Banken die Gelder in den Immobilienmarkt steckten, woraus mit der Zeit eine Spekulationsblase entstand. Deutsche Banker haben genau gewusst, welche Risiken sie eingegangen sind, indem sie Immobilien-Investitionen als Sicherheit (collateral) akzeptierten. Die Banken am Kern der Euro-Zone waren sich also dessen bewusst, was die spanischen Banken mit dem von ihnen aufgenommen Geld getan haben.

Der Zustrom des Kapitals aus dem Kern in die Peripherie der Euro-Zone hat zunächst zu einem Anstieg der Löhne (und Preise) in Südeuropa geführt. Während die Lohnstückkosten an der Peripherie stiegen, stagnierten sie am Kern, inbesondere in Deutschland. Folglich sind Aussenhandelsdefizite an der Peripherie in den Bubble-Jahren immer grösser geworden. Und Deutschland hat unterdessen mit Lohn-Dumping seine Wettbewerbsfähigkeit weiter gesteigert.

Die fiskalpolitischen Probleme an der EU-Peripherie sind heute die Folge der Depression, nicht deren Ursache. Deshalb ist die Austeritätspolitik fehl am Platz. Die harschen Sparmassnahmen haben nicht einmal dafür getaugt, die Finanzierungskosten am Anleihemarkt zu senken. Erst die halbherzige, an Konditionen verknüpfte Ankündigung des OMT-Programms durch die  EZB hat für etwas Entspannung am Anleihemarkt für Staatspapiere aus der Peripherie gesorgt.



Handelsbilanz-Ungleichgewichte im Euro-Raum, Graph: Heiner Flassbeck and Friederike Spiecker in: „The Euro – a Story of Misunderstandig“, 2011

Die Euro-Krise wird heute dennoch als Fiskalkrise fehlinterpretiert. Es ist eine Zahlungsbilanzkrise. Das Ganze hat mit verschwenderischer Haushaltsführung nichts zu tun. Die Staatsschulden sind erst mit dem Ausbruch der Finanz-Krise gestiegen, und zwar im Zuge der tiefen Rezession und zur Rettung der Banken.

Der Aufschwung, nicht der Abschwung der richtige Zeitpunkt für Sparmassnahmen ist, wie Keynes unterstreicht.  Austeritätspolitik ist ohne Zweifel nicht sinnvoll. Sparen fördert das Investieren im Allgemeinen nicht.  Der private Verbrauch stockt im Euro-Raum, weil die Löhne nicht steigen. Unternehmen investieren nicht, weil die Umsätze angesichts der abnehmenden Nachfrage rückgängig sind. 

Wenn gleichzeitig auch die öffentliche Hand spart, d.h. die Staatsausgaben gekürzt werden, schrumpft die Wirtschaft, weil die Steuereinnahmen sinken. Die Folge sind Stagnation und Deflation. Die Ausgaben des einen sind die Einnahmen des anderen. 

Die Erwartung, dass auch die Peripherie ihre Wettbewerbsfähigkeit über Lohnsenkungen (internal devaluation) wiederherstellt, ist abwegig und verstärkt die sich selbsterfüllende Abwärtsspirale („death spiral“). Die „interne Abwertung“ mag theoretisch schon funktionieren. Es nimmt aber eine ziemlich lange Zeit in Anspruch und löst enorm viel Schmerzen aus. Wie kann man so viel menschliches Leid in Kauf nehmen?

Die Bürger gehen in Spanien und Griechenland auf die Barrikaden. Die Demokratie leidet. Extreme Kräfte auf der linken und rechten Seite des politischen Spektrums gewinnen an Dynamik. Die Verleihung des Friedensnobelpreises an die EU ist vor diesem Hintergrund zu verstehen, als Warnruf, eine Art Weckruf.

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