Sonntag, 7. Oktober 2012

Starre Löhne, Preisentwicklung und Depression


(Nur für Streber)

Es ist offensichtlich, dass die Fehleinschätzung der Produktionslücke (output gap) zu verzerrten wirtschaftspolitischen Ergebnissen führt. Paul Krugman hat in seinem Blog neulich auf eine aktuelle Forschungsarbeit von Capital Economics (CE) hingewiesen.

Das Office of Budget Responsibility schätzt, dass die Produktionslücke in Grossbritannien (GB) zur Zeit weniger als 3% beträgt. Es ist eine bemerkenswerte Behauptung, wenn man bedenkt, dass das reale BIP deutlich unter seinem Vor-Krise-Niveau verläuft. Und die langfristige britische Wirtschaftswachstumsrate beläuft sich auf rund 2,5%. Wie die Analysten von CE sagen, legt eine einfache Trend-Projektion nahe, dass die Produktionslücke beträgt . Wie wird aber daraus“ weniger als 3%“?

Teil der Antwort ist laut Krugman die Einschätzung, dass Grossbritannies Wirtschaft im Jahre 2008 (also vor der Krise) angeblich deutlich über dem nachhaltigen Wachstumsniveau verlaufen sei, auch wenn es keine der üblichen Anzeichen der Überhitzung gegeben hat. Darüber hinaus lautet die Behauptung, dass die Finanzkrise das Potenzialwachstum irgendwie um eine riesige Menge gesenkt habe. Es gibt aber, wie CE argumentiert, keine glaubwürdige Story darüber, wie es passiert sein mag.

Die Verfechter der Idee, dass das Potenzialwachstum in Folge der Finanzkrise abgenommen habe, behaupten ferner, dass wir, wenn die Produktionslücke tatsächlich grösser sein sollte, eine Deflation erleben würden, nicht Inflation. Ist diese Argumentation aber von Bedeutung?

Denn die Inflation ist in GB in den vergangenen ein paar Jahren aus folgenden Gründen gestiegen: Erhöhung der Mehrwertsteuer, Anstieg der Rohstoffpreise und höhere Importpreise. Die Inflation, die im Inland generiert wurde, ist niedrig. Und die allgemeine Inflation (headline inflation) geht auch zurück.

Es gibt aber keine Deflation. Sollten wir keine sehen? Das Lehrbuch via Phillips Kurven besagt, dass, wenn die Wirtschaft unter dem Potenzialwachstum (natural rate of output) agiert, mit einer fallenden Inflation zu rechnen ist, was sich eventuell in eine sich beschleunigende Deflation umwandeln würde, legt Krugman dar.

Es gibt doch gute Gründe, zu denken, dass diese Phillips Kurven bei einer niedrigen Inflation brechen, weil die Nominallöhne nach unten starr sind, das heisst, dass es schwer ist, Nominallohn-Kürzungen durchzusetzen.

Krugman betont zudem, dass er sich über die Zahlen für die durchschnittlichen Löhne in Amerika in den 1930er Jahren, welche in der früheren Phase der Depression stark abgesturzt sind, immer wundere. Gibt es eine Übertreibung, was die starren Löhne (wage stickiness) betrifft? Es kann sich nämlich um irreführende Daten handeln, weil die durchschnittlichen Einkommen aufgrund der stark reduzierten Überstunden gesunken sein dürften, und nicht durch die Kürzung der Grundlöhne.

Es gibt, wie es sich herausstellt, tatsächliche eine frühere NBER-Studie über die von Krugman aufgeworfene Frage: Der Rückgang in den grundlegenden Löhnen ist viel weniger als der Rückgang der durchschnittlichen Löhne: Das soll für die Verfechter der internal devaluation ein Wink mit dem Zaunpfahl sein. Selbst in der Great Depression sind die US-Löhne nur geringfügig um rund 7% gefallen, bevor sie wieder anfingen, zu steigen.

Im Übrigen ist es nicht eine schlechte, sondern eine gute Sache, wenn die Löhne nicht mehr fallen.

Es besteht also die Gefahr, um den Kreis von CE zu schliessen, dass, wenn man eine falsche Vorstellung von der Produktionslücke hat, es zu einer sich beschleunigenden Deflation führen muss, kann man all zu einfach zum Schluss gelangen, dass eine tiefe Depression eine neue Normalität darstellt, was angepasst werden müsste.

In Fall des GB bedeutet dies auf kurze Sicht Selbstzufriedenheit über die Geld- und Fiskalpolitik und auf lange Sicht eine übermässige Besorgnis über das fiskalische Bild der betreffenden Volkswirtschaft. Wenn man wie Cameron/Osborne harsche Austeritätspolitik verordnet, um die Finanzkrise zu lösen, welche nur in den Köpfen vorhanden ist, übersieht man die wahre Ursache der Krise: Mangel an Nachfrage, was in der Statistik verloren geht.

Das ganze bezieht sich natürlich nicht nur auf die britische Wirtschaft, die durcheinander geraten ist. Auch in Amerika schauen monetäre Falken, wie z.B. James Bullard auf die stabile Inflationszahlen und schliessen daraus, dass die Fed eine gute Arbeit liefert, obwohl sie daran scheitern, zu erkennen, dass es möglicherweise eine depression-förmige Stabilität gibt, mit einer massiven Produktionslücke, erklärt Krugman als Fazit.

Die Evidenz belegt im Wesentlichen, dass die Wirtschaft eine massive Produktionslücke (output gap) auf beiden Seiten des Atlantiks hat.

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