Nick Rowe hat in seinem Blog neulich eine neue
Debatte in der Blogosphäre über eine bizarr verwirrte Thematik ausgelöst: „Schuldenlast
für künftige Generationen“. Brad DeLong
hat in seinem Blog promt eine Antwort
geliefert.
Zunächst
einmal gilt es, sich zu vergegenwärtigen, dass die Formulierung im Hinblick auf
die „Generationen“ leicht eine Falle sein kann, bemerkt Krugman. Es ist nämlich
durchaus möglich, dass Schulden den Verbrauch der einen Generation erhöhen und
den Verbrauch der nächsten Generation verringern können, während einer
Zeitperiode, wenn die Mitglieder der beiden Generationen noch am Leben sind.
Angenommen,
Präsident Santorum versucht nach der Wahl von 2016, die Unterstützung der
Senioren zu gewinnen, indem er jedem Amerikaner über 65 eine neu zubegebende
Staatsanleihe schenkt. Wird die Generation der über-65jährigen nun reicher und
die der unter-65jährigen ärmer?
Das
ist aber nicht das, was die Leute meinen, wenn sie über die Last der Schulden
für künftige Generationen reden, erklärt Krugman. Was sie meinen, ist, dass
Amerika als Ganzes ärmer wäre, wie eine Famlie, die Schulden macht, dann ärmer
wird. Macht das Sinn?
Ein
Gedankenexperiment: Angenommen, Präsident Santorum sorgt für eine Verfassungsänderung,
wonach von nun an jeder Amerikaner, dessen Name mit den Buchstaben A bis K
beginnt, von der Regierung jedes Jahr 5‘000$ bekommt. Das Geld wird durch zusätzliche
Steuern aufgebracht. Wird Amerika als Ganzes dadurch ärmer?
US-Haushaltsdefizit
und Leistungsbilanzdefizit (in Prozentsatz des BIP), Graph: Prof. Paul Krugman
Die
nahe liegende Antwort lautet: nein, zumindest nicht im direkten Sinne. Es findet
eine Übertragung statt, von einer Gruppe (von L bis Z) auf die andere Gruppe.
Das Gesamteinkommen wird dadurch nicht geändert.
Nun
könnte man argumentieren, dass es indirekte Kosten gibt, weil die Erhöhung der
Steuern Anreize verzerrt. Aber das ist eine andere Geschichte.
Man
sieht, was kommt: eine Schuld, die aus der Vergangenheit geerbt wird, ist im
Grunde genommen einfach eine Regel, die erfordert, dass eine Gruppe von
Menschen (die Menschen, die die Anleihe nicht von ihren Eltern bekommen haben)
eine Übertragung (transfer) auf eine
andere Gruppe macht (die Menschen, die die Anleihe bekommen haben). Es hat also
Verteilungswirkungen. Aber nicht im direkten Sinn, was das Land ärmer machen
würde.
Was
aber, wenn man die Schulden dem Ausland verschuldet?
Ein
anderes Gedankenexperiment: Angenommen, die Chinesen wollen aus irgendeinem
Grund US-Staatsanleihen im Wert von 500 Mrd. $ verkaufen und mit dem Erlös
US-Unternehmensanleihen kaufen (d.h. ein Asset
Swap), während inländische Investoren genau das Gegenteil tun. Wird Amerika
dadurch reicher (oder ärmer)? Offensichtlich nicht. Als Land schuldet Amerika
immer noch genau die gleiche Menge Geld an den Rest der Welt.
Was
die Story besagt, ist, dass, wenn wir versuchen, die Last (oder keine davon) zu
beurteilen, das ausländische Eigentum an Staatsanleihen keine Rolle spielt.
Worauf es ankommt, ist die net
international investment position. Das ist der Wert der Vermögenswerte in
Übersee, die von Investoren im Inland gehalten werden, minus der Wert der
Vermögenswerte, die von Investoren im Ausland gehalten werden, erläutert
Krugman.
Es
ist so, wie Brad DeLong sagt, bemerkt Krugman weiter, dass wir alle damit
einverstanden sind, dass Haushaltsdefizite uns ärmer machen, wenn es dadurch zu
Crowding out kommt, was der Fall
wäre, wenn die Wirtschaft Vollbeschäftigung hätte. Aber es ist nicht der Fall.
Denn die Wirtschaft steckt in einer Depression.
Und es gilt, anzuerkennen, dass net
foreign investment (d.h. Käufe minus Verkäufe von Vermögenswerten an und
von Investoren im Ausland) auch eine Form von Investitionen sind. Das heisst,
dass Haushaltsdefizite die Menschen als Nation ärmer machen können, wenn sie zu
grösseren Handelsdefiziten führen.
So
was ist aber bisher nicht passiert. Wie der Abbildung für das
US-Haushaltsdefizit und das Leistungsbilanzdefizit (als Prozentsatz des BIP) zu
entnehmen ist, ist die Kreditaufnahme der USA im Ausland in den vergangenen
Jahren zurückgegangen.
Man
könnte trotzdem argumentieren, dass ein höheres Budgetdefizit, andere Dinge
gleich, zu einem höheren Handelsdefizit führen kann, weil die Wirtschaft damit expandieren
würde, mehr zu importieren. In einem sehr begrenzten Sinne könnte man daraus
eine „Last des Defizits“-Geschichte machen. Aber es ist nicht, worum es aus
Sicht der Panikmacher in Sachen Defizit geht. Diese sagen nämlich, dass „deficit spending uns zurück zum Wohlstand
bringen könnte, was möglicherweise zu einem Anstieg der Einfuhren führen würde.
Lass uns darauf verzichten“, legt Krugman in einem ironischen Still dar.
Die
Quintessenz ist, dass, während die US-Vermögenswerte in den Händen von
Investoren im Ausland eine Komplikation ist, die Behauptung, dass Defizite den
Verkauf unseres Geburtsrechts an Chinesen bedeutet, überhaupt keinen Sinn
macht, schlussfolgert Krugman.
Um
die ganze Debatte kurz abzurunden:
Nick Rowe teilt die Ansicht von DeLong und
Krugman nicht, dass die Staatsverschuldung keine Last für künftige Generationen
darstellt. Rowe hält es für eine Zombie-Idee, zu denken, dass „die Staatsverschuldung
keine Belastung für künftige Generationen sei, weil sie die Anleihen
übernehmen, genau so wie die Schulden, so dass sie sich selbst schulden“. Der
an der Carleton University, Kanada
lehrende Wirtschaftsprofessor verweist mit einem Seitenhieb in Richtung Mark Thoma darauf, dass er in den
vergangenen Jahren sechsmal (z.B. hier und hier) dazu Stellung genommen
habe. Staatsverschuldung ist eine Belastung für unsere Kinder, es sei denn, Sie
glauben an Ricardianisches Äquivalenztheorem, argumentiert Rowe.
Schliesslich
fasst Dean Baker in seinem Blog die Debatte
zusammen, und hält fest, dass alle wohl damit einverstanden sind, dass in einer
Situation, wo die Wirtschaft deutlich weit unter ihrem Potenzial schafft, die
öffentliche Hand das Haushaltsdefizit hochfahren kann, um die Beschäftigung (employment) und die Produktion (output) zu erhöhen. Die Regierung kann
im Grunde genommen diese Defizite verwenden, um die künftige Produktion durch
sinnvolle Investitionen in entweder physisches Kapital oder in Human-Kapital zu
steigern, was die künftige Generation aufgrund des Defizits von heute netto besser
stellen würde, da die Wirtschaft grösser wäre als ohne die Defizite.
Es
gibt also laut Baker viele gute Gründe, warum wir heute alles tun sollten, um
die Wirtschaft zu Vollbeschäftigung zurückzubringen. Er ist der Ansicht, dass
sowohl Fiskal- als auch Geldpolitik dazu eingesetzt werden sollten. Es gibt
nämlich keinen Grund, zu glauben, dass Defizite in der Gegenwart zu einem
langsameren Wirtschaftswachstum in Zukunft führen würden. Und es gibt viele
Gründe, zu denken, dass sie das Wachstum erhöhen.
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