Dienstag, 2. Oktober 2012

Wie wäre es, wenn die USA sozialdemokratisch würden?


Lane Kenworthy befasst sich in seinem Blog mit der Frage, ob jeder Mensch schlechter dran wäre, wenn die USA sozialdemokratisch wären?

Der an der University of Arizona Sociology und Political Science lehrende Professor verweist auf eine aktuelle Forschungsarbeit („Can’t We All Be More Like Scandinavians?“) von Daron Acemoglu, James Robinson und Thierry Verdier, die der Frage nachgehen, ob wir alle nicht wie Skandinavier sein könnten? Die Antwort lautet nein. Die Antworten folgen einem Modell, welches die Autoren entwickelt haben.

Acemoglu, Robinson und Verdier sagen, dass das Modell uns helfen kann, das Muster von Wirtschaftswachstum und Wohlstand in den USA und in Skandinavien, d.h. in Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden zu verstehen.

Die USA haben „Halsabschneider“ Kapitalismus (cutthroat capitalism) gewählt, während Skandinavien sich für den „kuscheligen“ Kapitalismus (cuddly capitalism) entschieden hat. Die US-Wirtschaft ist für eine kurze Zeit schneller gewachsen, aber seither wachsen die 5 skandinavischen Länder im ungefähr gleichen Tempo. Amerikas hohe Ungleichheit fördert Innovation. Skandinavien kann knuddelig sein und trotzdem rasch wachsen, wegen des technologischen Spill-over. Wenn die USA beschliessen würden, kuschelig zu werden, würde Innovation sich verlangsamen. Die Wirtschaft würde in beiden Nationen weniger rasch wachsen.

Die wirklich interessante Frage, die die Autoren stellen, ist, ob die Innovation in den USA gebremst würde, wenn die USA das soziale Sicherheitsnetz (safety net) verstärken und/oder die relative finanzielle Ausgleichszahlungen für unternehmerischen Erfolg reduzieren würden. Kenworthy ist aus drei Gründen skeptisch.


„Cutthroat“ versus „Cuddly“ Capitalism, Graph: Prof. Lane Kenworthy in Consider the Evidence

Der erste Grund kommt aus Amerikas Erfahrungen aus der Vergangenheit. Laut Acemoglu und Co. waren die Anreize für Innovation in den USA die schwächsten  in den 1960er und 1970er Jahren. 1960 fiel der Anteil des Top 1%  Vor-Steuer-Einkommen stetig in mehreren Jahrzehnten und hat fast seinen Tiefpunkt erreicht. Staatsausgaben steigen mittlerweile stetig und befinden sich auf einem Spitzenwert. Doch es gab viel Innovation in den 1960er und 1970er Jahren, einschliesslich der bemerkenswerten Fortschritte im Computer-Wesen, Medizintechnik und so weiter.

Zweitens zählen die nordischen Länder mit ihrer niedrigen Einkommens-Ungleichheit und grosszügigem Sicherheitsnetz zur Zeit zu den innovativsten Ländern der Welt. Der Wettbewerbsfähigkeits-Index von World Economic Forum zeigt die skandinavischen Länder stets in der Nähe von den Vereinigten Staaten in Bezug auf Innovation. Der jüngste Bericht für 2012/13 stuft Schweden als die weltweit innovativste Nation ein, gefolgt von Finnland. Die USA stehen auf dem sechsten Rang. Der WIPO-Insead Global Innovation Index (2012) schätzt Schweden auf der zweiten und die USA auf der 10. Stelle ein. Ob dies anhält oder nicht, gibt es keinen Grund, zu bezweifeln, dass die mässige Ungleichheit und grosszügige Abfederung erhebliche Hindernisse für Innovation darstellen würden, erklärt Kenworthy.

Drittens: Wenn Acemoglu und seine Kollegen über den Wert der finanziellen Anreize zur Ankurbelung der Innovation richtig liegen, dann sollten wir dies nicht nur in den USA, sondern auch in anderen Ländern mit relativ hoher Einkommens-Ungleichheit und niedrigen bis mittleren Staatsausgaben beobachten, wie z.B. in Australien, Kanada, Irland, Neuseeland und dem Vereinigten Königreich. Aber es ist nicht der Fall.


BIP pro Kopf: USA versus Schweden, Graph: Prof. Lane Kenworthy in Consider the Evidence

Es gibt eine zusätzliche Möglichkeit, die überlegenswert ist. Wenn finanzielle Anreize für die Förderung von Innovation wirklich von kritischer Bedeutung sind, könnte es die Gelegenheit für grosse Gewinne sein, was zählt, als die Abwesenheit von Abfederungen. Angenommen, wir wollen die Staatseinnahmen in den USA via Steuererhöhungen (geltend für jederman) erhöhen: steilere Einkommensteuer für die Top 1% oder 5% + eine neue Verbrauchssteuer.

Und man stelle sich vor, dass wir diese Einnahmen verwenden, um die öffentliche Versicherungen und Dienstleistungen zu erweitern: vollständige allgemeine Krankenversicherung, allgemeine Bildung und Erziehung im Kindesalter, eine aufgebauschte Earned Income Tax Credit, ein neues Lohn Versicherungsprogramm, mehr individuelle Unterstützung bei der Ausbildung und Arbeitsplatz-Platzierung.

Diese Veränderungen würden die Einkommens-Ungleichheit nicht viel verändern, aber sie würden die ökonomische Sicherheit und Chancen verbessern. Würde Innovation zurückgehen? Kenworthy bezweifelt es.

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