Dienstag, 16. Oktober 2012

Sollen Zentralbanken dem Staat Schulden erlassen?


Stecken Politiker in einem Dilemma? Einerseits wollen sie Haushalte in Ordnung bringen. Andererseits wollen sie Wirtschaftswachstum fördern. In Europa wird aber auf alle Fälle harsche Austerität vorgezogen.

Abgesehen davon gibt es eine radikale Option, worüber in der Öffentlichkeit bisher nicht debattiert wurde: Sollen Zentralbanken Staaten Schulden erlassen? Adair Turner, der Chef der britischen Finanzmarktaufsicht (FSA) hat n am Wochenende auf der IWF-Tagung in Japan vorgeschlagen, dass die britische Notenbank (BoE: Bank of England) einen Teil der Staatsanleihen, die sie im Rahmen der mengenmässigen Lockerung (QE) der Geldpolitik ankauft, annulieren kann, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Das ist im Grunde genommen die Doktrin der Anhänger von MMT (modern monetary theory), die die Ansicht vertreten, dass das Haushaltsdefizit keine Rolle spielt, solange das Land über eine eigene Währung verfügt.

Turner hat sich zwar später zurück in London davon distanziert, dass es sich dabei um seine private Meinung gehandelt habe, aber die radikale Idee, dass die Zentralbank dem Staat die Schulden erlässt, hat inzwischen eine wilde Diskussion ausgelöst. Denn Schuldenerlass durch die Notenbank würde Staatsfinanzierung bedeuten, was sicherlich inflationär enden würde.

Es muss jedoch gesagt werden, dass es gegenwärtig auf die Haushaltsdefizite nicht ankommt. Solange die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle (zero lower bound) steckt und die Produktionskapazitäten unterausgelastet (output gap) sind, spielt es keine Rolle, wie die Zentralbank die Notenbankgeldmenge (monetary base) ausweitet und wie viel von Defizit monetisiert wird.

Wenn die Konditionen sich aber ändern, wenn z.B die Zinsen wieder positiv werden und die Wirtschaft in die Nähe der Vollbeschäftigung kommt, die Konjunktur sich wieder wesentlich erholt, dann ergibt sich ein anderes Bild. Wenn der Staat sich durch die Schaffung von Notenbankgeldmenge (base money) finanziert, steigt die Geldbasis weiter.


US Monetary Base (Notenbankgeldmenge), Graph: FRED, Fed St. Louis

In einem normalen Umfeld der Wirtschaft steigt auch das Preisniveau, mehr oder weniger proportional an. Der Anstieg der Preise erhöht dann das Haushaltsdefizit, sodass die Menschen beginnen, weniger Geld zu halten. Der Fall ist klar. Wenn die Wirtschaft nicht mehr in einer Liquiditätsfalle steckt, bedeutet ein hohes Haushaltsdefizit ohne Zugriff auf die Anleihemärkte ein Rezept für eine sehr hohe Inflation, vielleicht sogar Hyperinflation, wie Paul Krugman vor einem Jahr in seinem Blog geschildert hat. 

Die US-Wirtschaft ist aber heute weit davon entfernt. Das Schatzamt hat Zugang zum Anleihemarkt und es dominiert nach wie vor eine Liquiditätsfalle. 

Warum Turners Vorschlag, Staatsanleihen durch die Notenbank annullieren zu lassen, so radikal ist, muss man sich mit der Frage beschäftigen, weshalb Regierungen in erster Linie Staatsanleihen ausgeben, um Haushaltsdefizite zu finanzieren, anstatt die Zentralbank einfach zu bitten, Geld zu drücken? 

Genau damit befasst sich Gavyn Davies („Will central banks cancel government debt?“) in einem lesenswerten Artikel FT.

1 Kommentar:

Makrointelligenz hat gesagt…

Ich denke der Hauptgrund, warum das Geld drucken nicht so wirklich effektiv die Nachfrage stimuliert ist das Konzept des Inflationsziels. Man nimmt nicht an, dass die Zentralbank eine Verdoppelung des Preisniveaus in der Zukunft in Kauf nehmen würde und erwartet, dass die Liquidität wieder abgeschöpft wird. Bei der erwarteten niedrigen Inflation ist die Geldnachfrage dann sehr groß, weil privaten Schuldnern noch nicht getraut wird, aber dennoch ein Bedürfnis besteht Geldvermögen aufzubauen. hoffe das ist ok, wenn ich hier mal meinen blog verlinke ;):http://www.makrointelligenz.blogspot.de/