Sonntag, 21. Oktober 2012

Finanzsektor und Finanzkrise


Was wäre passiert, wenn die Banken von der öffentlichen Hand nicht gerettet worden wären? Wie hätte es heute nach der Finanzkrise ausgesehen, wenn es nicht zu Bail-out von Finanzunternehmen gekommen wäre?

Dean Baker denkt, dass die Wirtschaft am selben Ort gewesen wäre. Es hätte sich also seiner Ansicht nichts Wesentliches geändert. Paul Krugman denkt, dass es eine zweite Runde von Schäden gegeben hätte. So etwas wie TARP wäre nötig gewesen, nicht aber ausreichend, argumentiert der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor.

Die Debatte in der Blogosphäre unter US-Ökonomen dreht sich im Grunde genommen um die Natur der Finanzkrise. Wenn heute noch immer von der Finanzkrise die Rede ist, sind damit eigentlich die Nachwirkungen der Krise gemeint.

Das heisst, dass wir, wie Baker argumentiert, heute nicht eine Finanzkrise hätten, in dem Sinne, dass das Problem im Finanzsystem liege. Krugman benutzt die Worte „Finanzkrise“ lose, um damit die Phase nach dem Platzen der „Bubble im Häuser- und Kreditmarkt“ zu beschreiben, nicht zu implizieren, dass ein geschädigtes Finanzsystem immer noch auf der Wirtschaft lastet.

Gemessen an meisten Messgrössen hat sich das Finanzsystem mehr oder weniger zu Normalität gedreht, ist Krugman überzeugt, wie der Financial Stress Index der Fed St. Louis darauf hindeutet.


Financial Stress Index, Graph: FRED, St. Louis Fed, Financial Stress Index


Doch bleibt die Wirtschaft depressiv, während die Erholung noch lange nicht abgeschlossen ist. Krugman betont mit seinem Modell-Ansatz den Überhang der Verschuldung im Privatsektor als Erklärung. Es geht nicht mehr um den Finanzsektor.

Krugman hatte während der japanischen Krise in den 1990er Jahren mit dem allgemeinen Argument von damals gestritten, dass Japans Problem die Zombie-Banken des Landes sei. Sobald die Banken rekapitalisiert würden, wäre alles wieder im Lot. Dem war es natürlich nicht so. Heute macht eine ähnliche Argumentation die Runde.

Krugman stimmt daher Baker zu, dass wir heute den Begriff „Finanzkrise“ vielleicht nicht mehr benutzen sollten. Aber es ist eine allgemeine bekannte Beschreibung.

Die Banken-Krise war in den Jahren 2008 und 2009. Aber heute herrscht das Problem einer geplatzten Blase, und zwar in Form von Bilanzrezession (balance sheet recession). Das Augenmerk nach Banken zu richten, ist deswegen irreführend.

Exkurs:

Eine Bilanz-Rezession entsteht, wenn eine Spekulationsblase mit Bezug auf die Vermögenswerte („asset price bubble“) in einer Volkswirtschaft platzt. Als Folge davon überwiegt die Summe der Verbindlichkeiten die der Vermögenswerte in der Bilanz des Privatsektors. Um die Bilanz zu bereinigen, gehen private Haushalte weg vom Ziel der Gewinnmaximierung hin zu Schuldenminimierung, wie Richard Koo in seinem lesenswerten Buch („The Holy Grail of Macroeconomics“) beschreibt.

Während der Privatsektor sich mit dem Schuldenabbau (deleveraging) schlägt, bleiben die Ersparnisse und die Schulden trotz Null-Zinsen im Bankensystem stecken, da keine Kreditaufnahme oder Kreditvergabe stattfindet. In einer derartigen Rezession im Sog einer schweren Finanzkrise kommt es zu keinem sich selbst tragenden Aufschwung der Konjunktur, bis die Bilanz der privaten Wirtschaft bereinigt ist.

1 Kommentar:

Martin Burch hat gesagt…

Bei der Frage was passiert wäre, wenn die Banken nicht gerettet worden wären, lohnt sich immer ein Blick auf Island zu werfen...