Sonntag, 11. September 2011

Europäische Politiker führen die EU an den Abgrund

„Europa ist wieder am Abgrund. Die jüngste griechische Rettung ist am Rande des Zusammenbruchs. Die Vertrauenskrise hat die grossen Volkswirtschaften der Eurozone infiziert. Das Überleben des Euro und tatsächlich der EU ist nun in der Schwebe“, schreibt Barry Eichengreen in einem lesenswerten Artikel („Europe on the Verge of a Political Breakdown“) in Project Syndicate.

„Die europäischen Entscheidungsträger haben mit einer Kakaphonie von Vorschlägen auf die Wiederherstellung des Vertauens reagiert. Wenn diese Vorschläge etwas gemeinsam haben, dann ist es, dass sie alle die unmittelbaren Probleme der Eurozone nicht angehen“, erklärt der an der University of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor.

Europa hat aber nicht Monate, viel weniger als Jahre, um die Krise zu lösen. Es hat an dieser Stelle nur wenige Tage, um das Schlimmste zu verhindern. Es ist wichtig, dass die Entscheidungsträger unterscheiden zwischen dem, was jetzt getan werden muss, und was später erledigt werden kann, so Eichengreen.

Die erste dringende Aufgabe ist für Europa, seine Banken kugelsicher zu gestalten. Zweifel an der Stabilität der Banken stehen im Zentrum des Sturms. Es ist kein Zufall, dass die Bankaktien von der Finanzkrise am härtesten betroffen worden sind.

Lösung: Es gibt mehrere Möglichkeiten, die schwachen Banken zu rekapitalisieren. Die französischen und deutschen Regierungen haben noch Spielraum, was ihre Haushaltslage betrifft. Im Fall von EU-Mitgliedern mit schlechter Haushaltslage könnte der europäische Rettungsfonds helfen. Wenn sonst noch mehr Geld benötigt werden sollte, kann der IWF eine spezielle Fazilität einrichten.

Die zweite dringende Aufgabe ist, Atempause für Griechenland zu schaffen. Das griechische Volk verbringt übermenschliche Anstrengungen, um die Finanzen des Landes zu stabilisieren und die Wirtschaft umzustrukturieren. Aber die Regierung verfehlt ihre haushaltspolitischen Ziele, viel mehr wegen der weltweiten Konjunkturabschwächung als durch das eigene Verschulden, bekräftigt Eichengreen.

Lösung: Die Gläubiger könnten vereinbaren, die fiskalischen Zielvorgaben für Griechenland zu lockern. Der im Juli vereinbarte Schuldenaustausch kann durch einen sinnvollen Schuldenerlass ersetzt werden. Frankreich und Deutschland könnten ausländische Hilfe organisieren, eine Art Marshall-Hilfe für Griechenland.

Die dritte Aufgabe ist, das Wirtschaftswachstum neu zu starten. Finanzielle Stabilität in ganz Europa hängt davon ab. Ohne Wachstum werden die Steuereinnahmen stagnieren und die Kapazität, um Schulden zu bedienen, erodiert weiter. Auch die soziale Stabilität hängt davon ab. Ohne Wachstum wird Sparpolitik (austerity) unerträglich, legt Eichengreen dar.

Lösung: Deutschland kann die Steuern senken und ein koordiniertes Konjunkturprogramm durch Nordeuropa bereitstellen. Wenn die nordeuropäischen Länder sich weigern, mitzumachen, bleibt der Stimulus durch die EZB. Die EZB muss die Zinsen senken und anfangen, Vermögenswerte aufzukaufen, so wie die Schweizerische Nationalbank (SNB).

Fazit: Die europäischen Staats- und Regierungschefs richten das Augenmerk kontinuierlich auf die lange Frist, und zwar zu Lasten der kurzfristigen Erfordernissen. Das kann laut Prof. Eichengreen in der Tat die Totenglocke für die einheitliche Währung werden.

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