„Europa ist in der Mitte seiner Variante der grossen Schuldenkrise, die die USA im Jahr 2008 getroffen hat. Angst ist reichlich vorhanden, dass, wenn etwas schief geht, der Kontinent seinem „Lehman Moment“ gegenüberstehen würde, d.h. eine Wiederholung der Panik, die Amerika und die globalen Märkte nach derm Zusammenbruch von Lehman im Oktober 2008 getroffen hat“, schreibt Jeffry Frieden in einem lesenswerten Gastbeitrag („Europe’s Lehman Moment“) im Blog Econbrowser.
Wie ist Europa in diese arge Not geraten? Was sind die Optionen? Was würde wahrscheinlich geschehen?
Europa verfolgt die Schritte, die die Amerikaner ein paar Jahr davor unternommen haben. Zwischen 2001 und 2007 erlebte der amerikanische Verbrauch einen Amoklauf, finanziert durch die Kreditaufnahme in Billionen Dollar aus dem Ausland, Ein Teil des Geldes ging dazu über, das Haushaltsdefizit zu decken, welche nach den Bush-Steuersenkungen zwischen 2001 und 2003 entstanden ist. Ein Grossteil davon führte zur Finanzierung eines Booms im landesweiten Immobilienmarkt. Der Boom ist geplatzt. Die USA sind nun dran, in den Nachwirkungen der eigenen Schuldenkrise die Scherben aufzusammeln, beschreibt der an der Harvard University lehrende Wirtschaftsprofessor.
Europas Schuldner durchliefen einen ziemlich gleichen Zkylus der Kreditaufnahme. Ein Gruppe von Ländern am Rande der Euro-Zone nahm aus den nordeuropäischen Banken und Investoren massiv Kredit auf. In Spanien, Portugal und Irland floss das aufgenommene Geld in den überhitzten Immobilienmarkt zu.
Auf dem Höhepunkt des Baubooms hatten Jeffry Frieden und Menzie Chinn bemerkt, dass in Spanien einer aus sieben Arbeitnehmern im Wohnungsbau tätig war. Eine halbe Million neue Wohnungen wurden jedes Jahr gebaut, was ungefähr der Anzahl an neu gebauten Wohnungen in Italien, Frankreich und Deutschland (zusammengerechnet) entspricht. Und das in einem Land mit 16 Millionen Einwohnern.
Die Höhe der Kredite im Wohnungsbau kletterte von 180 Mrd. $ im Jahre 2000 auf 860 Mrd. $ im Jahre 2007. In 10 Jahren haben sich die Immobilienpreise in Spanien bis 2007 verdreifacht.
Griechenland war eine andere Geschichte. Es hat Kredit aufgenommen, um zumeist das kontinuierliche Haushaltsdefizit und einen privaten Konsumboom à la Amerika zu finanzieren, hebt Frieden hervor. Einer von sieben Euros, der ausgegeben wurde, war aus dem Ausland geliehen. Das Land mit 11 Millionen Einwohnern hat im Jahre 2009 Auslandschulden von mehr als 500 Mrd. $ gehabt. Mehr als die Schulden von Argentinien, Brasilien und Mexiko zusammengerechnet.
Europäische Erfahrung unterscheidet sich von Amerikans wegen der Existenz des Euro, einer gemeinsamen Währung sowohl für die Kreditgeber als auch für die Kreditnehmer.
Die Probleme der europäischen Schuldner waren nicht einfach besorgniserregend für die Schuldner selbst. Die meisten der Schulden waren an nordeuropäische Banken und Investoren geschuldet. Und die Zahlungsfähigkeit der grossen europäischen Finanzsysteme war bedroht, bekräftigt Prof. Frieden.
Dies war der Hauptgrund für die Rettungsaktion in Europa, d.h. kein abstrakter Wunsch, dem griechischen und dem portugiesischen Volk eine Hand zu reichen. Die Begründung dafür lautete wie die Bail-Out einer Bank: ein Zusammenbruch der griechischen und der portugiesischen Finanzen könnte den Rest der Euro-Zone in Mitleidenschaft ziehen. Wenn die Bank of America “too big to fail“ war, war es auch Griechenland, argumentiert Frieden.
Die erste Rettungsaktion war aber laut Frieden nicht genug: „Seit zwei Jahren versuchen die europäischen Regierungen, gegen die Schuldenkrise zu kämpfen. Aber die meisten öffentlichen Diskussionen sind in hohem Masse irreführend. In Nordeuropa und insbesondere in Deutschland war es der Ton der Empörung.
Natürlich haben viele südeuropäische Banken und Haushalte und die griechische Regierung unverantwortlich Kredit aufgenommen. Aber deutsche und andere nordeuropäische Banken und Investoren haben ebenso unverantwortlich Kredit verliehen. Es ist nicht klar, dass es einen wirklich ethischen Abstand zwischen den unverantwortlichen Kreditnehmern und den unverantwortlichen Kreditgeber gibt“.
Und „die meisten Nordeuropäer scheinen zu glauben, dass die Rettungsaktionen (bailouts) zum Vorteil der zu faulen Südeuropäer stattgefunden haben. In der Tat war der Zweck der Rettungsaktionen, die fragilen nordeuropäischen Finanzsysteme zu stützen. Deutsche Banken gehören zu den schwächsten in Europa. Einige davon (v.a. die Landesbanken) sind praktisch bankrott. Wenn sie die südeuropäischen Schuldtitel abschreiben müssten, könnten sie zu Boden sacken und das europäische Finanzsystem könnte zum Erliegen kommen“, legt Frieden dar.
So wie in den USA waren die Rettungsaktionen darauf ausgerichtet, die Banken des Kontinents zu retten, nicht um den Schuldnern zu helfen.
„Einige der europäischen Debatten kommen letztendlich zum Schluss, ob der Euro für seine Mitglieder gut gewesen ist oder nicht. Die meisten Deutschen scheinen, zu glauben, dass die EU ein „Transfer Europe“ geworden ist: ein Mechanismus, der dafür sorgt, dass das Geld von ehrlichen Nordeuropäern zu den faulen Südeuropäern geleitet wird. Was ignoriert wird, sind die Gewinne, die Deutschland als führende Volkswirtschaft in der Eurozone realisiert hat. Seit einem Jahrzehnt ist Deutschlands Wachstum fast ausschliesslich auf seine Exporte zurückzuführen und die Eurozone und ihre Peripherie waren für diese Exporte von zentraler Bedeutung“, unterstreicht Frieden.
Die Skeptiker scheinen, nicht zu verstehen, dass die Alternative in der kurzen Frist ein stechender Zusammenbruch des deutschen Bankensystems und wirtschaftliche Not in der Eurozone und der Verlust einer wichtigen Quelle des deutschen Wirtschaftswachstums bedeutet.
Fazit: In Europa und in den USA ist die eigentliche Frage, wie die Kosten dieser verheerenden Schuldenkrise verteilt werden wird. Wer wird für die Kosten aufkommen? Gläubiger oder Schuldner? Steuerzahler oder Staatsbeamte? Deutschen oder Griechen? Welche Kombination von Opfern ist politisch vertretbar, sowohl zwischen als auch innerhalb der Länder?
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