Der ausserordentliche Anstieg der Volatilität an den Aktienmärkten im vergagenen Monat kann nicht mit konventionellen Mitteln erklärt werden. Ja, in hunderten von wissenschaftlichen Arbeiten wurde versucht, die Grösse von solchen Schwankungen vorherzusagen, bemerkt Robert Shiller in einem lesenswerten Essay („The Beauty Contest That’s Shaking Wall St.”) in NYT.
Ganze Märkte gedeihen (wie die für die Futures und Optionen) auf diesen Bewegungen. Doch wir haben noch keine klare, mathematisch verständliche Quelle der Schwankungsanfälligkeit, fügt der an der Yale University lehrende Wirtschaftsprofessor im gleichen Atemzug hinzu.
Im vergangenen Monat könnten Marktbeobachter gedacht haben, dass sie zum Zeugen eines Gammastrahlen aus dem Weltall werden, mit Wellen vom plötzlichen, wahnsinnigen Lärm. Am Donnerstag ist der Markt gemessen am S&P-500 Index um rund 5% gefallen. Am nächsten Tag war es ruhig. Aber am folgenden Montag stürzte der Index um knapp 7% ab. In den aufeinander folgenden Tagen stieg der S&P-500 um 4,7%, um dann wieder um 4,4% zu fallen. Der Index ist dann erneut um 4,3% gestiegen.
Seit 1928 betrug die tägliche Veränderung des Marktes i.d.R. nicht mehr als einem halben Prozentsatz. Die Art von Volatilität, die wir gerade sehen, kommt nur alle 5 Jahre oder so vor, erklärt Shiller.
Einige der neuesten Volatilität ist mit neuen Vorkommnissen verbunden, wie z.B. die Herunterstufung der US-Staatsanleihen durch die Rating-Agentur Standard & Poor’s. „Es ist verlockend, zu glauben, dass der Markt auf diese Entwicklungen rational reagiert. Aber das ist nicht die angemessene Antwort“, legt Shiller dar. Warum reagieren die Anleger auf die Rating-Änderung so stark, die nur die Ansicht von einigen Analysten wiederspiegelt?
John Maynard Keynes lieferte die Antwort im Jahr 1936 in seinem Werk „The General Theory of Employment Interest and Money“, durch den Vergleich der Aktienmärkte mit einem Schönheitswettbewerb, erklärt Shiller. Keynes beschrieb einen Zeitungswettbewerb, in dem 100 Fotografien von Gesichtern gezeigt wurden. Die Leser wurden aufgefordert, die 6 hübschesten zu wählen. Der Sieger würde der Leser sein, dessen „Liste von 6“ der beliebstesten der kombimierten Listen aller Leser am nächsten käme.
Die beste Strategie ist laut Keynes nicht, die Gesichter zu wählen, die Sie persönlich favorisieren. Es ist die Wahl, von der Sie denken, dass die anderen treffen würden. Besser noch, bewegen Sie sich um den dritten Grad und wählen Sie die Gesichter, die Ihrer Meinung nach die anderen Leser als die hübschesten betrachten.
Auch in spekulativen Märkten gewinnen Sie nicht durch die Wahl der solidesten Investition, sondern durch die Wahl der Investition, die die anderen Spieler in die Höhe treiben wollen. Keynes hat zwar nicht gesagt, von welchem Schönheitswettbewerb er redet, aber es gab 1913 einen von NYT veranstalteten Wettbewerb mit dem Titel „Girl of To-Day Contest“.
Die NYT berichtete damals von „Bestürzung“ des Richter-Panels in Bezug auf die Schwierigkeit der Aufgabe. Wir sehen eine solche „Bestürzung“ heute unter den Investoren am Aktienmarkt. Die Leute versuchen zu erraten, ob andere Investoren denken, dass noch andere denken, dass der Aktienmarkt „gefährlich“ ist oder ob es stattdessen eine gute Zeit ist, zu investieren. Und Investoren treffen solche Entscheidungen mit viel mehr Informationen als die Richter des „Girl of To-Day“-Wettbewerbs, beschreibt der Autor des Buches Animal Spirits.
In der Tat ist die beste Erklärung für die hohen Schwankungen am Markt, dass wir jeden Tag einen neuen Schönheitswettbewerb à la Keynes ausführen und neu einschätzen, was die anderen denken, dass die anderen denken. An einem Tag ohne viel Nachrichten reagiert der Markt einfach selbst. Und weil die Angst umgeht, treffen Investoren schnelle, manchmal impulsive Entscheidungen mit Bezug auf relativ unbedeutende Ereignisse.
„Das mag sich wie ein verrücktes Spiel anhöhren, aber wenn andere spielen, müssen wir auch. Die Aussichten für die Wirtschaft hängen davon ab, wie dieser verschachterte Schönheitswettbewerb ausgeht“, schlussfolgert Prof. Shiller.
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