Mittwoch, 7. September 2011

Finanzkrise und Goldpreis

(Wonkish)

Was die Einschätzung der wirtschaftlichen Aussichten seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 betrifft gibt es zwei Arten von Menschen: Inflationistas und Deflationistas, bemerkt Paul Krugman in seinem Blog in einem ausgezeichneten Beitrag.

Die Inflationistas schauen auf die Haushaltsdefizite und die monetäre Basis (Notenbankgeldmenge) und sehen eine schwere Inflation und steigende Zinsen.

Die Deflationistas sagen, hey, wir stecken in einer Liquiditätsfalle, sodass die monetäre Basis wirkungslos ist und Haushaltsdefizite nicht alles, aber nur einen Teil der Erparnisschwemme (excess saving) der Welt aufsaugen.

Krugman ist natürlich ein grosser Deflationista und sieht extrem niedrige Zinsen als Rechtfertigung seiner Position. Und es ist ein Faktum, dass Sie, wenn Sie dem Wall Street Journal (editorial pages) gefolgt wären, eine Menge Geld verloren hätten.

Wie sieht es in diesem Zusammenhang mit Gold aus? Manche Leser weisen darauf hin, dass man eine Menge Geld verdient hätte, wenn man früh in diesem Schlamassel Gold gekauft hätte. Ist es also nicht in einem gewissen Grad eine Rechtfertigung der Position der Inflationistas?


Gold Flussnachfrage, Graph: Prof. Paul Krugman

Die übliche Antwort darauf sei gewesen, dass man keine Ahnung hat, was den Goldpreis treibt: marktgetriebene Hortung in Asien, Glenn Beck Anhänger, was auch immer... Krugman bemerkt, dass er in dieser Hinsicht vielleicht zu leichtsinnig gewesen ist. Es würde sich daher lohnen, darüber nachzudenken, was wohl den Goldpreis antreibt. Nicht also Parolen über die Inflation und die Abwertung der Währung folgen, sondern richtig nachdenken.

Die Antwort ist dann laut Krugman überraschend: der kräftige Anstieg des Goldpreises kann ganz im Einklang mit der Deflationista-Geschichte über die Wirtschaft stehen.

Krugmans Ausgangspunkt ist eine alte, aber sehr feine Analyse von Henderson und Salant. Die Autoren legen nahe, dass wir mit der „Modellierung des Goldes als eine knappe Ressource beginnen, und zwar „Hotelling Preisgestaltung“ unterliegend.

Wie funktioniert es? Man stelle sich vor, dass es einen festen Bestand an Gold gibt und dieser Bestand im Verlauf der Zeit allmählich verschwindet, in Verwendung wie für die Zahnmedizin. OK, Gold wird abgebaut und es gibt mehr oder weniger eine ständige Nachfrage nach Gold, aber das sollte für den Moment ignoriert werden. Die Rate, mit der Gold in Richtung Zahnmedizin (Flussnachfrage nach Gold in Tonnen pro Jahr) verschwindet, hängt vom Realpreis ab.

Entscheidend ist, zumindest für die Steuerbarkeit, dass es einen „choke price“ gibt, zu dem die Flussnachfrage gegen Null geht. Und dieser Preis bindet den Preispfad nach unten.

Was bestimmt also den Goldpreis zu einem bestimmten Zeitpunkt? Das Hotelling Model besagt, dass die Menschen bereit sind, sich an endlichen Ressourcen zu halten, weil sie mit einem steigenden Preis belohnt werden. Abgesehen von Lagerkosten besagt es, dass der Realpreis mit einer Rate, die dem realen Zinssatz entspricht, steigen muss, sodass der Preispfad wie in der zweiten Abbildung aussieht.



Goldpreis auf Hotelling Path, Graph: Prof. Paul Krugman

Offensichtlich gibt es viele solche Wege, erklärt Krugman. Welcher ist aber der richtige? Angesichts der rationalen Erwartungen lautet die Antwort, der Pfad, wo die kumulierte Flussnachfrage auf diesem Pfad gleich dem anfänglichen Bestand an Gold entspricht, wo der choke price (meine Anmerkung: der Mindestpreis für eine Ware oder Dienstleistung, der sich bei Null-Menge, die nachgefragt wird, ergeben würde) erreicht wird.

Was hat sich aber zuletzt geändert, was auf dieses Gleichgewicht Einfluss nehmen sollte? Und die Antwort ist die übliche: es gab einen dramatischen Absturz der realen Zinsen, da die Anleger ällmählich wahrnehmen, dass die Kleine Depression den Ertrag der Investitionen für eine lange Zeit belasten wird.

Welche Auswirkungen hat ein niedrigerer Realzins auf den Hotelling-Pfad? Die Antwort ist, dass der Pfad flacher wird: Investoren brauchen weniger Preissteigerung als Anreiz, Gold zu halten, hält der an der Princeton University lehrende Wirtschaftsprofessor fest.

Wenn aber der Pfad des Preises flacher wird, während immer noch Verbrauch vom vorhandenen Bestand an Gold erfolgt, wird mit der Zeit der choke price erreicht, sodass der Ausgangspunkt sich etwas nach oben verschiebt. Dann sieht die Abbildung so aus:


Goldpreis-Pfad (neu und alt) versus choke price, Graph: Prof. Paul Krugman

Und das besagt, dass der Goldpreis in der kurzen Frist anspringt.

Die Logik ist, wenn man darüber nachdenkt, ziemlich intuitiv: mit niedrigen Zinssätzen macht es mehr Sinn, Gold zu horten und die tatsächliche Nutzung in die Zukunft zu verschieben, was auf kurze Sicht und die nahe Zukunft höhere Preise bedeutet.

Angenommen, das ist die richtige Geschichte oder zumindest ein guter Teil davon. Wenn das stimmt, dann ist alles, was man bisher über den Goldpreis gelesen hat, einfach falsch, erläutert der Träger des Wirtschaftsnobelpreises.

Der Preis steigt, weil die erwarteten Erträge auf andere Investitionen fallen. Es ist also keine Story über die Inflationserwartungen. Nicht nur ist der steigende Goldpreis ein Zeichen einer schweren Inflation gleich um die Ecke, sondern tatsächlich das Ergebnis einer anhaltend rückläufigen Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle, einer Wirtschaft, die einer Deflation à la Japan gegenübersieht, nicht Inflation à la Weimar.

Die Menschen, die Gold gekauft haben, weil sie Inflation um die Ecke befürchteten, hatten Recht aus falschen Gründen.

Fazit: Wenn Sie die Gold-Story als grundsätzlich eine Story der realen Zinssätze betrachten, folgt daraus etwas anderes, nämlich, dass die Einführung eines Goldstandards gerade jetzt tief deflationär wäre. Der reale Preis des Goldes „will“ ansteigen, wenn Sie versuchen das nominale Preisniveau an Gold zu binden, kann das nur durch eine schwere Deflation geschehen, bekräftigt Krugman.

Nun verwirft nichts davon unbedingt andere Hypothesen über Gold. Es könnte eine Blase über den Hotelling-Aspekt hinaus geben. Aber die entscheidende Botschaft ist, dass der Preis, wenn Sie glauben, dass der Goldpreis eine inflationäre Bedrohung signalisiert, nicht der Preis ist, was Sie meinen, schlussfolgert Krugman.

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