Paul Krugman erinnert in seiner lesenswerten Freitagskolumne („Free to Die“) in NYT seine Leserschaft, dass Milton Friedman in den 1980er Jahren, als Amerika sich anschickte, politisch nach Rechts zu wenden, seine Stimme geliehen hatte, um die berümhte TV-Serie „Free to Choose“ zu ändern.
Episode für Episode hatte der geniale Ökonom die laissez-faire economics mit der persönlichen Auswahl und der Mitwirkungsmöglichkeit identifiziert: eine optimistische Vision, die von Ronald Reagan aufgegriffen und verstärkt wurde, beschreibt Krugman.
Aber das war damals. Heute wurde „free to choose“ zu „free to die“.
Krugman bezieht sich damit auf die Präsidentschaftsdebatte im Fernsehen am Montag. Wolf Blitzer, CNN hat Ron Paul, den republikanischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus der USA gefragt, was zu tun ist, wenn ein 30-jähriger Mann, der keine Krankenversicherung hat, sich plötzlich in Not von 6 Monaten intensiver Pflege findet. Paul hat darauf geantwortet, dass es genau das sei, was Freiheit bedeute: eigene Risikobereitschaft. Blitzer hat entgegengehalten: soll die Gesellschaft den Mann einfach sterben lassen?.
Und die Menge hat geschrien und gejubelt: Yeah!
Nur sehr wenige davon, die aus Mangel an medizinischer Versorgung sterben müssen, entsprechen dem von Blitzer beschriebenen einzelnen Mann, der hätte eine Krankenversicherung kaufen können und sollen. In Realität verfügen die nicht-versicherten Amerikaner über niedrige Einkommen und können sich Krankenversicherung nicht leisten oder sie werden von Versicherungsgesellschaften abgewiesen, weil sie unter chronischen Krankheiten leiden, erklärt Krugman.
Der Träger des Wirtschaftsnobelpreises möchte daher wissen, ob die Leute auf der rechten Seite des politischen Spektrums diejenigen Menschen, die nicht-versichert sind (und das nicht wegen eigenes Verschulden), aus Mangel an Pflege sterben lassen wollen? Die Antwort, basierend auf die jüngste Geschichte, lautet ein klares „Ja“. Denken Sie insbesondere an die Kinder, ergänzt Krugman.
Am Tag nach der Debatte hat die Census Bureau die neuesten Schätzungen über Einkommen, Armut und Krankenversicherung veröffentlicht. Das Gesamtbild war schrecklich, hebt Krugman hervor. Ein relativer Lichtblick war die Gesundheitsversorgung für Kinder. Der Anteil der Kinder ohne Krankenversicherung war niedriger im Jahre 2010 also vor der Rezession, v.a. dank der Erweiterung des staatlichen Kinder Health Insurance Programms (S-chip) im Jahre 2009, beschreibt Krugman.
Der Grund, warum S-chip im Jahre 2009 und nicht früher ausgebaut wurde, ist natürlich, dass der frühere Präsident Bush die früheren Versuche, mehr Kinder zu decken, unter dem Jubel der vielen Rechte blockiert hatte.
So die Freiheit, zu sterben, erstreckt sich in der Praxis auf Kinder und Pechvogel sowie auf die sorglosen Menschen. In der Vergangenheit hatten die Konservativen die Notwendigkeit für ein vom Staat bereitgestelltes Sicherheitsnetz aus humanitären Gründen akzeptiert. Heute hingegen ist das Mitgefühl aus der Mode gekommen. In der Tat ist der Mangel an Mitgefühl eine Frage des Grundsatzes geworden, zumindest, was die GOP-Basis betrifft, argumentiert Krugman.
Was das bedeutet, ist, dass „der moderne Konservatismus eigentlich eine sehr radikale Bewegung ist, eine, die feindselig gegen die Art von Gesellschaft, die wir in den vergangenen drei Generationen hatten, gestellt ist. Das ist eine Gesellschaft, die vertreten durch den Staat versucht, einige der gemeinsamen Gefahren des Lebens zu mildern, durch Programme wie Social Security, Arbeitslosenversicherung, Medicare und Medicaid“, so der an der Princeton University lehrende Wirtschaftsprofessor.
Sind die Wähler aber bereit, eine derart radikale Ablehnung von Amerika, wo Generationen aufgewachsen sind, anzunehmen? Krugman ist der Ansicht, dass sich das im nächsten Jahr herausstellen wird.
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