Sonntag, 25. September 2011

Fall Irland und Keynesianismus

Tyler Cowen schreibt in seinem Blog, dass der Fall Irland belege, dass die keynesianische Story falsch sei. Die fiskalischen Massnahmen (austerity policy) hätten die irische Wirtschaft nicht nur nicht abgewürgt, sondern stärker gemacht, behauptet der an der George Mason University lehrende Wirtschaftsprofessor.

Die rigorosen Sparmassnahmen drückten zwar die irische Wirtschaft zuerst nieder, aber sie liessen die Wirtschaft schliesslich stärker aufsteigen als erwartet, so Cowen. Hat er Recht? Brad DeLong ist damit nicht einverstanden. Der an der University of California, Berkeley unterrichtende Wirtschaftsprofessor bemerkt in seinem Blog, dass „ein Teil der „Keynesian Story“ ist, dass es in der Wirtschaft die Vollbeschäftigung ausgleichende Kräfte gibt, die aber schwach sind, und sich nicht manifestieren, wenn man der Wirtschaft mit einem Hammer auf den Kopf haut“.


Arbeitslosigkeit in Irland, Graph: Prof. Brad DeLong



Irland: BIP (GDP) und BSP (GNP), Graph: Prof. Brad DeLong

(PS: Zum Thema BIP vs. BSP siehe hier)

Paul Krugman wundert sich in seinem Blog über den ökonomischen Bildungsstand, wie Cowen einen geringfügigen Anstieg des irischen BIP und einen Rückgang der Zinsen von schwindelerregenden Niveaus auf Niveaus, die nur eine wesentliche Zahlungsunfähigkeit signalisieren, irgendwie als ein Zeichen der Widerlegung des keynesianischen Konzepts betrachten kann.

Standard-keynesianische Modelle (open-economy version) erzählen eine ganz klare Geschichte darüber, was geschieht, wenn ein Land seinen Wechselkurs auf einem Niveau festbindet, welches die Industrie wettbewerbsunfähig hinterlässt. Das Land bleibt nicht ewig depressiv: hohe Arbeitslosigkeit führt zu einer tatsächlichen oder zumindest relativen Deflation, welche die preisliche Wettbewerbsfähigkeit allmählich verbessert, was wiederum zu einem Anstieg der Ausfuhren und zur schrittweisen Expansion der Wirtschaft führt. Auf lange Sicht ist die Vollbeschäftigung wiederhergestellt, legt Krugman dar. Es geht also nur um die lange Sicht.

Das war Keynes springendes Argument im Werk „The Economic Consequences of Mr. Churcill”, nicht, dass die Rückkehr zum Goldstandard bei einer zu hohen Parität für immer Depression bedeuten würde, sondern dass es Grossbritannien zu einem Jahre anhaltenden unnötigen Leiden unterwerfen würde, erklärt Krugman.

In Irland ein gewisses Wachstum zu sehen, bedeutet überhaupt nicht eine Widerlegung des Keynesianismus. Es ist genau das, was man erwarten würde, da Irland in der Tat via relative Deflation eine „interne Abwertung“ (internal devaluation) erlebt. Was sich aber als ein intellektuelles Rätsel herausgestellt hätte, wäre gewesen, wenn die Vollbeschäftigung sich rasch wiederhergestellt hätte. Das ist aber nicht der Fall.

Krugman sieht ferner anhand des Falls Irland eine Menge ähnliche Sachen über die baltischen Staaten, deren Erfahrung angeblich hätte beweisen sollen, dass die Austerity Policy funktioniert.

In den baltischen Ländern wurde inzwischen einen mehr als 20%igen Rückgang des BIP um rund 15% gekürzt.

Aber die zugrunde liegende Ansicht hier scheint zu sein, dass die keynesianische Analyse überhaupt keine Erholung vorausgesagt hat, argumentiert Krugman. Menzie Chinn erklärt nämlich, was das Lehrbuch über die internationale Makroökonomie besagt. Das Lehrbuch legt eine schrittweise Anpassung über interne Abwertung (internal devaluation) nahe, was schliesslich Vollbeschäftigung sogar mit einem festen Wechselkurs wiederherstellt.


Gleichgewicht auf kurze und mittlere Sicht, Graph: Prof.Menzie Chinn via Prof. Paul Krugman

Das Schlüsselwort ist natürlich „schliesslich“, betont Krugman.

Fazit: Es ist eine beeindruckende Anklage von Austerian (d.h. anti-keynesiansche Position), dass diejenigen, die sich daran halten, behaupten müssen, dass Irland und die baltischen Länder Erfolgsgeschichten darstellen und dass sie eine imaginäre Version des Keynesianismus erfinden müssen, zu behaupten, dass der Keynesianismus gescheitert ist.

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