Donnerstag, 14. Juli 2011

Marshall-Plan für Griechenland

Es sollte nun sogar für die Beobachter mit Scheuklappen klar sein, dass die griechische Wirtschaft dringend Hilfe braucht, schreibt Barry Eichengreen in einem lesenswerten Essay („General Marshall on the Aegean“) in Project Sydicate.

Die Arbeitslosigkeit liegt bei 16%. Selbst nach einem Jahr qualvoller Ausgabenkürzungen beträgt das Haushaltsdefizit mehr als 10% des BIP. Ortansässige Personen zahlen keine Steuern. Das System der Grundbucheintragung ist ein Durcheinander. Es gibt nur wenig Vertrauen in die Banken und noch weniger in die Regierung und die Politik, beschreibt der an der University of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor.

Es ist nun Zeit für die EU, einen Marshall-Plan für Griechenland vorzustellen, schlägt Eichengreen vor.

Anstatt immer mehr Kredite nachzuschiessen, wo das Land bereits unhaltbare Schuldenlast trägt, sollte die EU ein Multi-Jahres-Programm für ausländische Hilfe anbieten. Die griechische Regierung und die Geber-Länder würden gemeinsam über die zu finanzierenden Projekte befinden.

Dies könnten den Bau von neuen Solar- und Windenergie-Erzeugungsanlagen einschliessen, um Griechenland zu einem bedeutenden Exporteur für Energie zu machen und die Häfen auf den neusten Stand zu bringen, damit Griechenland zu einem Handelszentrum für das östliche Mittelmeer wird.

Ausländische Hilfe und Know-how könnten verwendet werden, um die Grundbucheintragung und das System für Steuererhebung zu modernisieren. Finanzmittel können benutzt werden, um die Banken zu rekapitalisieren und einige Schulden zurückzuziehen. Das alles könnte Arbeitslose, Arme und ältere Menschen, die Hauptopfer der Finanzkrise sind, unterstützen.

Die EU sollte laut Eichengreen diese Option in Erwägung ziehen, weil sie

(1) die Verantwortung für die Misere Griechenlands trägt: Die EU hat dem Land mit tiefen strukturellen Problemen die Mitgliedschaft offeriert. Griechenland wurde danach in die Währungsunion aufgenommen, mit vollem Wissen, dass die öffentlichen Finanzdaten des Landes nicht das Papier wert waren, auf dem sie gedruckt wurden. Und die EU hat weggeschaut, als die französischen und deutschen Banken die Lasterhaftigkeit griechischen Regierung unbekümmert aktivierten.

(2) Die aktuelle Strategie, die versucht, Blut aus einem Stein zu extrahieren, funktioniert einfach nicht. Es gibt Grenzen, wie schnell ein Land reformiert werden kann. Eine Gesellschaft kann nur so viel Schmerz und Leid vertragen, bevor sie den Glauben in das politische System verliert. Die EU-Entscheidungsträger müssen diese Realität anerkennen.

(3) Die Geschichte zeigt, dass ein Marshall-Plan für Griechenland tatsächlich funktionieren würde.

Prof. Eichengreen erinnert vor diesem Hintergrund an die Not der europäischen Länder, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus den USA Hilfe bekommen haben. Die Länder hatten massive Schulden. Die Haushalte wiesen tiefe Defizite auf. Eigentumsrechte waren unsicher. Der Marshall-Plan hat geholfen, durch die Finanzierung der strategischen Investitionen, die Exporte dieser Länder zum Anlauf zu bringen.

Die festigende politische Unterstützung für die politische Stabilisierung war wahrscheinlich der wichtigste Beitrag des Marshall-Plans, hält Eichengreen fest. Es gibt zwar das Moral-Hazard-Risiko, aber es gibt auch das Kernschmelze-Risiko

Die Gefahr besteht darin, dass es zu einer vollständigen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Kernschmelze in Griechenland kommt. Und wenn die Kernschmelze nicht gebannt werden kann, kann es auch den Rest von Europa mit herunternehmen, fasst Eichengreen zusammen.

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