Man
kann nicht kontrollieren, was man nicht messen kann, schreibt Mark Buchanan in einem lesenswerten
Artikel („If We Don’t Measure Leverage,
We Risk More Crisis“) in Bloomberg.
Im
Ingenieurwesen hat die Steuerungstheorie (control
theory) mit der Verwendung von Informationen, die aus der Messung eines
Systems gewonnen werden, zu tun, um intelligente Massnahmen zu planen und zu
ergreifen, was im Idealfall zu wünschenswerten Ergebnissen führt, erklärt
Buchanan. Wie z.B. ein Kernreaktor, der nicht eine Kernschmelze auslösen soll
oder ein Roboterarm, der genau das macht, was zu tun ist.
In
Falle der Wirtschaftswissenschaft ist es wohl nicht möglich, alles zu messen, was
wir kontrollieren wollen. Zumindest versuchen die Zentralbanker seit einem
halben Jahrhundert die Inflation und die Arbeitslosigkeit via Zinsen zu
steuern. Die Fed senkt die Zinsen, wenn die Wirtschaft ins Stocken gerät und
sie erhöht die Zinsen, wenn die Inflation am Horizont erscheint. Die
gegenwärtige Finankrise hat jedoch viel mehr mit der Menge der Kreditaufnahme
durch die Menschen zu tun und mit der Hebelwirkung (leverage), die zu einer Blase am Immobilienmarkt geführt hat.
In
wiefern fügt sich aber Leverage
(Hebelwirkung des Fremdkapitals) in die Gleichung der makroökonomischen
Stabilität ein? Erstaunlicherweise lautet die Antwort: überhaupt nicht, bemerkt
der theoretische Physiker und der Autor des Buches „The Social Atom: Why the Rich Gets Richer“.
ie
geltenden Zinssätze bestimmen die Kosten für die Kreditaufnahme, wenn ein
Kreditnehmer letztendlich den Kredit zurückzahlt. Leverage (reflektiert
dadurch, wie viele Sicherheiten Personen oder Unternehmen benötigen, um Kredit
aufzunehmen und wie viel sie verlieren dürften, wenn sie den Kredit nicht
zurückzahlen können) bestimmt, wie viel jemand mit einem gegebenen Startkapital
kaufen kann. Es ist eine unabhängige Menge, die auch darauf Einfluss hat, was
in der Wirtschaft passiert, ob die Kreditaufnahme einfach und attraktiv ist
oder nicht.
Wichtig
ist, sich zu vergegenwärtigen, dass die Hebelwirkung nicht eine feste Menge
ist. Es ändert sich im Verlauf der Zeit, wie die Menschen mehr oder weniger
optimistisch gestimmt sind und wie die Kreditgeber mehr oder weniger Vertrauen
an die Rückzahlung des Kredits setzen.
nd
solche Veränderungen können routinemässig die grossen „Booms & Busts“ in der Wirtschaft auslösen. Auch die Steuerung
der Hebelwirkung des Fremdkapitals sollte daher wie die Steuerung der Zinsen durch
die Fed einen Teil der Aktivitäten einer Zentralbank ausmachen, argumentiert
Buchanan als Fazit. Der Kern seiner Argumentation stützt sich auf eine
vernünftige Einsicht, dass eine Zunahme der Hebelwirkung i.d.R. direkt zu einem
Anstieg der Preise führt. Man denke dabei an den Immobilienmarkt.
In
jedem Moment lässt sich festhalten, dass manche Menschen optimistischer sind
als andere und wenn sie überzeugt sind, dass die Preise weiter steigen, sind
sie gern bereit, mehr zu investieren. Wenn die Banken ihre Praxis ändern, und
nur 5% Anzahlung anfordern, statt 20%, dann werden die Optimisten mehr
ausgeben. Sie können nämlich bis zu 20 Mal den Wert der eigenen Mittel einkaufen,
anstatt nur 5 Mal, in der Hoffnung, Profit zu machen, wenn die Dinge gut
laufen. Da mehr Geld zur Verfügung steht als Häuser, steigen die Hauspreise,
wodurch die Optimisten noch optimistisch (bullish)
werden.
Diese
Dynamik ist keine einmalige Besonderheit der jüngsten Finanzkrise, des modernen
Bank-Wesens, der Deregulierung und der Derivate. Es ist ein natürlicher Zyklus
(the leverage cycle), die vollständig
auf eigenen Antrieb eine Wirtschaft auf und ab bewegen kann, auch wenn die Zinsen
unverändert bleiben, betont Buchanan.
Die Fed beginnt, Daten zu
sammeln, um Veränderungen im Hinblick auf die Hebelwirkung zu beobachten. Es
bleibt aber unklar, in wie weit die Kontrolle der Hebelwirkung in der
praktischen Politik der Regulierung und der Marktaufsicht eine Rolle spielen
wird.
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