Sonntag, 16. Dezember 2012

Big Banks und Rechtssystem


Andrew Bailey, der künftige Chef der britischen Bankenaufsicht (Prudential Regulation Authority) denkt, dass einige Banken einfach zu gross geworden sind, juristisch belangt zu werden,  wie NYTimes in einem lesenswerten Artikel („British Regulator Says Banks Too Big to Prosecute“) berichtet. 

Es wäre ein sehr destabilisierendes Problem, was eine andere Version von „too important to fail“ (zu wichtig, um zu scheitern) darstelle, sagt der britische Aufseher in einem Gespräch mit der britischen Zeitung The Telegraph. Eine Reihe von britischen Banken wie z.B. HSBC und Barclays sind kürzlich gezwungen worden, hohe Strafen wegen rechtswidriger Tätigkeiten einiger ihrer Mitarbeiter zu zahlen. Bailey meint, dass die Grösse der vielen Finanzinstitute es erschwere, gegen sie rechtlich vorzugehen.

Amerikanische Behörden haben sich neulich gegen eine Anklage für HSBC über Geldwäscherei entschieden. Stattdessen wurde vereinbart, dass die Bank eine Geldstrafe in Höhe von 1,9 Mrd. $ zahlt, um den Skandal abzuschliessen. HSBC soll Drogenkartellen und Terroristen bei der Geldwäsche geholfen haben.

Bill Black kann es nicht fassen, wie die amerikanischen und die britischen Behörden sich mit HSBC auf einen Vergleich einlassen konnten. Der an der University of Missouri, Kansas City lehrende Rechtsprofessor hat für einen angeblichen „kooperativen Ansatz“ nur Kopfschütteln übrig.

Wie Black im Blog „New Economic Perspective“ zum Ausdruck bringt, handelt es sich dabei um systematisch gefährliche Institutionen (SDI: systemically dangerous institutions), welche wie „zu gross, um unterzugehen“ (TBTF: too-big-to-fail) behandelt werden, weil sie ein globales Risiko darstellen, wenn sie scheitern.

Die SDIs sind Massenvernichtungswaffen im ökonomischen Sinne, hebt der ehemalige Senior S&L-Regulator hervor. Eine Massenvernichtungswaffe zuzulassen, die in erster Linie die eigene Nation zerstört, ist ein Akt des Wahnsinns, legt Black dar.

Die offensichtliche Alternative ist, die SDIs so zu verkleinern, dass sie nicht mehr ein systemisches Risiko darstellen und die Schrumpfung heute schon durchgeführt wird, bevor sie untergehen.

Wenn machtvolle Unternehmen und ihre leitende Angestellte ihr Vermögen durch massive Betrügereien erhöhen  und ungestraft davon (d.h. keine strafrechtliche Sanktionen) kommen, werden Integrität und Recht zerfressen, argumentiert Black weiter. Wirksame Finanzmarktregulierung, Aufsicht und Strafverfolgung sind für „freie Märkte“ unerlässlich. Wenn Betrüger gedeihen, werden ehrliche Unternehmen aus dem Markt verjagt. Das ist ein Punkt, den George Akerlof in seinem berühmten Artikel aus dem Jahr 1970 im Hinblick auf die Märkte für „Zitronen“ erklärt hat. Der Träger des Wirtschaftsnobelpreises beschreibt im besagten Artikel (The Market for „Lemons“) eine „Greshamsche Dynamik“, wo schlechte Ethik die gute Ethik aus dem Markt drängt. Das Ergebnis ist eine andere Form des systemischen Risikos.

Die mit der britischen Bank HSBC vereinbarte Einigung ist die ultimative Beleidigung für jeden normalen Menschen, der mit dem Betäubungsmittelgesetz in Berührung gekommen ist, schreibt Matt Taibbi dazu in einem lesenswerten Artikel („Outrageous HSBC Settlement Proves the Drug War is a Joke“) in RollingStone.

Trotz der Tatsache, dass HSBC zugegeben hat, Millarden Dollar für die mexikanischen und kolumbianischen Drogenkartelle Geld gewaschen und eine Vielzahl von wichtigen Bankgesetzen (von „Bank Secrecy Act“ bis „Trading With the Enemy Act“) verletzt zu haben, hat das US-Justiz Department es vorgezogen, keine Strafverfolgung der Bank zu beschliessen. Stattdessen wurde eine Geldstrage von 1,9 Mrd. $ vereinbart, was im Grunde genommen Einnahmen der Bank aus fünf Wochen entspricht.

Die Geldwäsche-Geschäfte der Bank waren so dreist, dass die NSA wahrscheinlich aus dem Weltraum gesehen hat. Lanny Breuer, assistant attorney general räumt ein, dass die Drogenhändler in die HSBC Filialen in Mexiko kamen, und Hunderttausende von Dollar in Bar an einem einzigen Tag lieferten, auf ein einziges Konto, in Schachteln, die für die Schalter-Fenster der Bank genau angepasst waren, schildert Taibbi. Obwohl es nicht ausdrücklich angegeben wurde, liegt die Begründug der Vorgehensweise der Behörden anscheinend darin, dass die Verfolgung eines Strafverfahrens gegen die Bank, die offensichtlich als „systemisch relevant“ gilt und die Setzung der Führungskräfte der Bank ins Gefängnis wegen Geldwäsche mit Drogen, die Stabilität des Finanzsystems gefährden würde.

Wenn man beschliesst, die Banker für Milliarden Dollar Verbrechen in Sachen Drogenhandel und Terrorismus strafrechtlich nicht zu verfolgen, dann wird das Banken-System damit nicht geschützt. Ganz im Gegenteil erschreckt es Investoren und Sparer überall, wo der Eindruck entsteht, dass auch die „seriösen“ Banken in der Tat in die Abhängigkeit geratene Institutionen sein können, wo die Senior Führungskräfte in den Diensten von (was nicht genug wiederholt werden kann) Mördern und Terroristen stehen.

HSBC verspricht, dafür zu sorgen, dass die Führungskräfte, die ein Jahrzehnt lang in die Geldwäsche in Milliarden Höhe Dollar verwickelt sind, während der um 5 Jahre verzögerten strafrechtlichen Verfolgung-Vereinbarung ihre Boni teilweise zurückstellen müssen. Teilweise! Wen will man aber damit verarschen, fragt Taibbi zu Recht zurück. Ist es überhaupt eine Strafe?

Gewöhnliche Menschen, die an gewöhnlichen Drogen-Fällen beteiligt sind, werden ins Gefängnis gesteckt. Taibbi zählt dazu ein paar konkrete Fälle mit Namen auf. Insbesondere erwähnt er auch Cameron Douglas, den Sohn des Hollywood-Schauspielers Michael Douglas. Cameron hat wegen des einfachen Besitzes an Drogen für fünf Jahre Gefängnisstrafe bekommen. Er wurde von seinen Wächtern für 23 Stunden am Tag für 11 Monate in Einzelhaft gehalten, wobei Besuche durch die Familie und Freunde versagt blieb. Auf der anderen Seite, wenn man eine wichtige Person ist und für eine grosse internationale Bank arbeitet, wird man strafrechtlich nicht verfolgt, auch wenn man 9 Mrd. $ Drogengelder gewaschen hat.

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