Dienstag, 18. Dezember 2012

EZB und negative Zinsen


Die EZB, die kürzlich eine schwache Prognose für das kommende Jahr geliefert hat, rechnet mit einer anhaltenden Rezession im Euro-Raum. Die Zentralbank hat vergangene Woche ihre BIP-Vorhersage von Minus 0,4% auf Minus 0,5% korrigiert.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht abwegig, zu erwarten, dass die EZB bereits im ersten Quartal 2013 die Zinsen senken würde. Zugleich schiessen aber Spekulation ins Kraut, dass die EZB eher den Einlagenzinssatz senken könnte, und zwar unter Null Prozent. Denn das überschüssige Geld, das die Banken bei der EZB über Nacht parken, wird zur Zeit zu Null Prozent verzinst. Die Banken müssten also eine Art Strafzins dafür zahlen, falls sie weiterhin kein Geld untereinander leihen und hohe Sichtguthaben (235 Mrd. €) bei der EZB deponieren würden.

Nachdem Mario Draghi, EZB-Präsident am vergangenen Donnerstag auf der EZB-Pressekonferenz angekündigt hat, dass die EZB über negative Zinsen für Einlagen der Banken nachdenke, ist der Zinssatz für die (ungesicherte) Kreditaufnahme in Cash am Interbankengeldmarkt zum ersten Mal unter Null gefallen, was sich inzwischen aber wieder etwas erholt hat

Peter Praet, Mitglied des Direktoriums der EZB hat nun in einem Interview mit WSJ gesagt, dass „wir für einen negativen Einlagenzinssatz bereit sind“. Da die EZB aber wenig Erfahrung mit negativen Zinsen habe, rät Praet zu Vorsicht, v.a. im Hinblick auf die Konditionen für die Kreditvergabe. Die Überlegung sei aber im Gange.

Ein negativer Zinssatz für Einlagen wäre so etwas wie die Gebühr für ein Bankschliessfach. Die Idee ist im Grunde genommen, Banken einen Anreiz zu geben, Geld zu leihen, anstatt zu horten.

Dänemark hat im Juli offiziell einen negativen Zinssatz festgelegt. Die Banken, die ihre Sichtguthaben bei der dänischen Zentralbank über Nacht parken, müssen eine Art Gebühr in Höhe von 0,2% entrichten.

In der Schweiz ergibt sich bei wöchentlichen Auktionen von Geldmarkt-Papieren seit dem dritten Quartal 2011 Jahr negative Renditen. Heute erfolgte die 70. Auktion in Folge für ein Geldmarktpapier mit 91 Tagen Laufzeit mit einer negativen Rendite von -0,138%. Auch die Staatsanleihen mit einer Laufzeit bis zu 5 Jahren weisen negative Rendite auf.

Frances Coppola (h/t to FTAlphaville) hat kürzlich in ihrem Blog vor diesem Hintergrund darauf hingewiesen, dass Banken nur dann Geld verleihen, wenn die Bilanz zwischen Risiko und Ertrag funktioniert, und zwar zu ihren Gunsten. Wenn nicht, dann verleihen sie kein Geld. Und sie werden daher weiterhin Geld horten. Es sei eine Tatsache, dass das Gleichgewicht zwischen Risiko und Ertrag so schrecklich sei, dass die Banken keinen Kredit vergeben, vielleicht mit Ausnahme an kreditwürdige Kreditnehmer, so Coppola. Das ist ja nicht alles. Es gibt Anzeichen dafür, dass kreditwürdige Haushalte und Unternehmen nicht einmal Kredit aufnehmen wollen. „Kreditaufnahme und –Vergabe ist out, Sparen ist in“, legt Coppola dar.

Wenn die EZB also negative Zinssätze für die überschüssigen Reserven der Banken einführen würde, würden die Banken noch mehr nach sicheren Anlagen fragen, als Alternative zum Parken von Einlagen bei der EZB.

Es gibt aber Analysten, wie z.B. Giles Moec, Deutsche Bank die die Ansicht vertreten, dass die Verwendung von negativen Zinsen auf Einlagen die Banken im Kern der Euro-Zone überproportional bevorteilen würde, was dazu führen würde, dass mehr deutsche und französische Staatsanleihen gesucht würden. Begründung: Nur die Banken der Kernländer verfügen über grosse Liquidität bei den jeweiligen nationalen Zentralbanken. Ein negativer Einlagenzins hätte deswegen keine direkten Auswirkungen auf die Peripherie der Euro-Zone.

Das Flow & Liquidity-Team von JP Morgan ist aber anderer Meinung. Die schwachen Banken der Peripheriländer würden dadurch nicht unbedingt gestraft. Die Kern-Banken sind auf negative Zinsen empfindlicher als die Peripherie-Banken. Die Kern-Banken würden daher im Falle eines negativen Einlagenzinssatzes in erster Linie die Kredite, die sie via LTRO aufgenommen hatten, zurückzahlen. Die Kern-Banken haben von der EZB Kredite in Höhe von rund 350 Mrd. € geliehen. Und sie haben Überschüssreserven in Höhe von 900 Mrd. € bei der EZB. Das heisst, dass die Kern-Banken „long cash“ sind, erklären die Analysten von JP Morgan. Die Peripherie-Banken haben hingegen von der EZB Kredite in Höhe von 770 Mrd. € aufgenommen und verfügen über Überschussreserven in Höhe von 80 Mrd. €. Das heisst, dass sie „short cash“ sind. Würde die EZB den Einlagenzinssatz auf Minus 0,25% senken, würden die Peripherie-Banken das Geld zurück in die Peripherie bringen, was auch TARGET2-Ungleichgewichte reduzieren würde, lautet das Argument.

Fazit: Es ist ein trübes Bild. Es kann im Allgemeinen nicht gesagt werden, dass die negativen Zinsen „anspornend“ wirken. Es gibt möglicherweise unbeabsichtigte Konsequenzen einer eventuellen negativen Verzinsung der Einlagen. Warum erwartet aber die EZB eine anhaltende Rezession im kommenden Jahr? Antwort: Die übermässige Austerität, die die EU fördert. Die EZB soll daher die Zinsen senken und als lender of last resort unbegrenzt Staatsanleihen kaufen. 

Die Erfahrungen von Schweden und Dänemark mit negativen Einlagenzinsen bieten keine Hilfe, da die beiden Länder diese ausserordentliche Massnahme ergriffen haben, um die Verzerrungen am Devisenmarkt zu bekämpfen, nicht direkt die Wirtschaft anzukurbeln. Das unmittelbare Ziel der dänischen und der schwedischen Zentralbank war, die übermässige Aufwertung der Landeswährung zu unterbinden, weil die beiden Währungen (DKK und SEK) genau wie der Schweizer Franken (CHF) im Sog der eskalierenden Euro-Krise als sicheren Hafen angesteuert wurden. 

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