Donnerstag, 6. Dezember 2012

Evidenz in Makroökonomie


(Nur für Streber)

David Beckworth liefert in seinem Blog zwei Abbildungen, um zu zeigen, dass es keine Korrelation zwischen dem nominalen BIP-Wachstum und den Staatsausgaben (sowie dem Haushaltsdefizit) gibt. Der an der Western Kentucky University in Bowling Green lehrende Wirtschaftsprofessor fügt hinzu, dass die Diagramme Paul Krugman bestimmt nicht gefallen werden.

Die Abbildungen untergraben ernsthaft das Argument für antiyzklische Finanzpolitik und legen einen sehr niedrigen Multiplikator (fiscal multiplier) nahe. Und sie zeigen auch, dass die Fed eine bemerkenswert gute Arbeit geleistet hat, das nominelle BIP um rund 4,5% stabil zu halten. Geldpolitik scheint also im Hinblick auf die Stabilisierung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage die Fiskalpolitik zu übertrumpfen, erklärt Beckworth.

Noah Smith schreibt dazu in seinem Blog, dass Beckworths Schlussfolgerung nicht unbedingt gültig ist und auf die Gefahr hindeutet, falsche Schlüsse über strukturelle Variablen aus Korrelationen zwischen makroökonomischen Aggregaten zu ziehen.

Angenommen, die Nachfragesteuerung à la Keynes funktioniert perfekt. Das heisst, dass Konjunkturprogramme (fiscal stimulus) die Schwankungen im Hinblick auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage perfekt glätten können. In diesem Fall würde man erhebliche Schwankungen der Fiskalpolitik beobachten, aber keine Schwankungen  in Hinblick auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage.

Wenn externe Schocks die Nachfragekurve (AD) nach oben verschieben, dann würde kontraktive Fiskalpolitik die aggregierte AD-Kurve wieder zurückbringen. Wenn externe Schocks die aggregierte AD-Kurve nach unten verschieben, dann würde expansive Fiskalpolitik die Kurve wieder nach oben bringen.


Nominelles BIP-Wachstum im Vergleich mit Staatsausgaben, Graph: Prof. David Beckworth

Noah meint also, dass die von Beckworth dargestellten Abbildungen keinen Bezug auf externe Schocks nehmen und daher mit der Idee übereinstimmen, dass Konjunkturprogramme wieder zurückgezogen werden, wenn die Wirtschaft sich nach einem Abschwung wieder erholt.

Noah sagt im Grunde genommen nicht explizit, dass Beckworth falsch liegt. Aber der Multiplikator sei laut Noah gross. Die beiden Abbildungen sagen andererseits nichts über die Grösse des Multiplikators aus.

Später nimmt auch Paul Krugman in seinem Blog dazu Stellung. Zunächst hebt der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor hervor, dass Noah Smith recht hat, Beckworth zu kritisieren. Noah vertritt nämlich die Ansicht, dass die Fiskalpolitik endogen ist und vom Zustand der Wirtschaft (state of the economy) abhängt. Wenn die Konjunktur einzustürzen droht, verabschiedet Washington ein Konjunkturpaket und der Fiscal Stimulus wird zurückgezogen, wenn die Konjunktur sich erholt.

Aber Krugman reagiert darauf irgendwie mit Achseln zucken. Denn es ist nichts Neues dabei. Das alles wurde längst mehrfach gesagt und gezeichnet. Warum ist es schwer, hierbei Fortschritte zu erzielen?

Was dem Träger des Wirtschaftsnobelpreises nicht gut in Kram passt, ist, Noahs Schlussfolgerung, dass wir im Grunde genommen darüber nichts wissen. „Nein, gute Ökonomen waren sich dieses Problems eine lange Zeit bewusst und sie lieferten eine Reihe ernsthafte Forschungsarbeit im Hinblick auf die Geld- und Fiskalpolitik“, widerspricht Krugman. Wie? Indem sie sich „natürliche Experimente“ (natural experiments) genauer anschauen. Das heisst Fälle von grossen Veränderungen in der Wirtschaftspolitik (wo die wirtschaftspolitischen Massnahmen die massgebliche Rolle spielen, mit Bezug auf das, was geschieht), welche eindeutig keine Reaktion auf den Zustand des Konjunkturzyklus darstellen, erklärt Krugman.

Als Beispiele verweist Krugman auf die Arbeit von Milton Friedman und Anna Schwartz im Hinblick auf die Geldgeschichte, wo es nicht einfach um Korrelationen geht. Die Forschung stützt sich dabei auf eine narrative Methode, zu zeigen, dass die monetären Schwankungen mehr oder weniger exogen gewesen sind. Man kann über die Urteile von Friedman und Schwartz streiten, aber die Methode ist solide, betont Krugman. 

Aus demselben Grund stützten auch Christina Romer und David Romer ihre klassische Forschungsarbeit („Does Monetary Policy Matter?“) im Hinblick auf die realen Auswirkungen der Geldpolitik auf die von der Fed veröffentlichten Sitzungsnotizen (Fed minutes), um die hauptsächlichen Veränderungen der Geldpolitik festzuhalten.

In diesem Sinn bezieht sich eine ernsthafte Analyse der Fiskalpolitik viel auf „booms & busts“ von Staatsausgaben in Kriegszeiten, welche bestimmt nicht als eine Antwort auf die Arbeitslosigkeit erfolgen.

Wenn man also die Auswirkungen der Fiskalpolitik in den vergangenen Jahren analysieren will, soll man nicht auf relativ kleine Ereignisse schauen, sondern z.B. auf die Austeritätspolitik in Europa, unterstreicht Krugman weiter.

Die Austeritätsmassnahmen heben zwei Eigenschaften aus Sicht der Wirtschaftsforschung hervor: (1) Sie sind riesig. Die Austeritätsmassnahmen machen in Griechenland 16% des BIP aus, was für die USA ein Äquivalent von jährlich 2‘500 Mrd. $ bedeutet. (2) Sie haben hauptsächlich damit zu tun, wenn es um Schwierigkeiten mit derm Marktzugang geht, nicht mit dem Zustand der Wirtschaft. Das heisst, dass sie relativ exogen sind. Nur relativ, weil man befürchten muss, dass die Austerität schliesslich nur für Volkswirtschaften, die ohnehin in Schwierigkeiten wären, aufgezwungen wird. Der IWF hat hierbei versucht, korrigierend einzugreifen, mit Fokus auf Prognosefehler. Die Ergebnisse sind jedoch ziemlich ähnlich, hält Krugman als Fazit fest.

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