Das
US-Haushaltsdefizit beträgt 6,5% der
Wirtschaftsleistung (BIP). In Zahlen: 1‘000 Mrd. $. Die Defizit-Falken, die in diesem Zusammenhang gern Moralpredigt
halten, behaupten, dass das Haushaltsdefizit strukturell ist und daher
unbedingt jetzt-jetzt-jetzt abgebaut werden müsse.
Evan Soltas unternimmt in einem lesenswerten
Artikel („The Deficit: Not as Bad as They
Want You to Think“) in Bloomberg den Versuch, herauszufinden,
wie viel des gegenwärtigen Defizits strukturell (wenn überhaupt) und wie viel
davon konjunkturell bedingt ist. Sein Befund: Das derzeitige Haushaltsdefizit
ist unter Kontrolle, genau wie die Haushaltsdefizite in den vergangenen 5
Jahren.
Der
richtige Weg, haushaltspolitische Bedingungen in den USA auszuwerten, ist nicht
das Budget-Defizit, welches mit Konjunktur stark schwankt, zu betrachten,
sondern das strukturelle Defizit zu berechnen. Es ist die Differenz zwischen
Staatsausgaben und Staatseinnahmen, wenn in der Wirtschaft normale Verhältnisse
vorherrschen. Technisch: Wenn die Produktionslücke (output
gap), d.h. BIP – BIP Kapazität, gleich null ist.
Soltas
schätzt ein, dass das strukturelle Haushaltsdefizit pro Jahr 325 Mrd. $, d.h. 2,1% des BIP beträgt. Die US-Wirtschaft
ist in der Lage, über die lange Sicht schneller zu wachsen, sodass die Schuldenstandsquote
(debt to GDP ratio) stabil bleiben
kann. Es ist daher möglich, dass die Daten die Grössenordnung des
struktrurellen Defizits überzeichnen.
Das strukturelle Budget-Defizit dürfte demnach in den USA rund 1,5% des BIP ausmachen.
US-Haushalt
- das strukturelle und das gegenwärtige Defizit, Graph: Evan Soltas
Bei
den Berechnungen handelt es sich nicht mehr als um Näherungwerte. Aber sie
geben einen Hinweis darauf, wann die Schwankungen des Defizits zyklisch und
wann sie strukturell sind. Die Ausgaben für die Arbeitslosenversicherung sind
z.B. höchst-zyklisch, während die Ausgaben für die Gesundheit und soziale
Sicherheit der Veteranen zumeist strukturell sind.
Soltas
kommt m.a.W. zu einem ähnlichen Schluss wie Paul Krugman (siehe ONE TRILLION DOLLARS). Das heisst, dass das gegenwärtige Haushaltsdefizit im Wesentlichen
ein Ergebnis der schwer angeschlagenen Wirtschaft ist. Es ist also nicht
strukturell.
Soltas
macht zudem eine bemerkenswerte Beobachtung: Das Haushaltsdefizit wurde im
Verlauf der Zeit wegen der wachsenden
Ungleichheit für konjunkturelle Schwankungen empfindlicher, wie Krugman
hervorhebt. Warum? Weil mehr Einnahmen aus den wohlhabenden Menschen stammen,
auch wenn die Steuersätze für die Reichen gesenkt worden sind. Und das
Einkommen der Wohlhabenden sind viel volatiler als das Einkommen der normalen
Arbeitnehmer.
Krugman
ergänzt in seinem Blog, dass die Defizit-Panik grundsätzlich fehl am Platz ist.
Und es ist besonders ärglich, wenn man daran denkt, was viele dergleichen Leute
damals über den Überschuss im Haushalt sagten und was sie heute über das böse
Defizit sagen: George W. Bush hat z.B.
eine Wahlkampagne auf der Basis geführt, dass der Überschuss im Haushalt in
späten Jahren der Clinton-Regierung bedeute, dass die Steuern gesenkt werden
müssen. Und Alan Greenspan hat die
Idee entscheidend unterstützt, indem er dem Kongress mitteilte, dass die
grösste Gefahr darin bestünde, die Verschuldung zu schnell zurückzufahren.
Heute hilft Greenspan der Gruppe um „Fix
the Debt“.
Primary
Balance und Produktionslücke (output gap),
Graph: Prof. Paul Krugman
Die Erfahrung mit Bush legt
etwas Wichtiges über die Fiskalpolitik nahe: Wenn die Demokraten von dem
Defizitabbau besessen werden, ist alles, was sie bieten müssen, ein Topf mit
Geld. Die Republikaner verschwenden die Mittel schnell für Steuersenkungen für
die Reichen, sobald sie die Gelegenheit ergreifen. Der Punkt ist laut Krugman,
dass die Diskussion um das Haushaltsdefizit auf eine Kombination von schlechter
Wirtschaftspolitik und der Politik beruht. Was wir daher beobachten, ist nicht Grand Bargain, sondern Great Scam (grosser Schwindel).
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