Samstag, 7. Januar 2012

Wie Sparpolitik Europa zerstört

Die EU ist in einem Teufelskreis bestehend aus wachsenden Schulden, welche zu radikalen Sparmassnahmen führen, die wiederum die schwachen wirtschaftlichen Bedingungen weiter verschlimmern und im Ergebnis weitere Kürzungen der Staatsausgaben und höhere Steuern verlangen, schreibt Jeff Madrick in einem lesenswerten Artikel („How Austerity Is Killing Europe“) in The New York Review of Books.

Die Befürworter der rigorosen Sparpolitik behaupten, dass, wenn die EU-Staaten die Kontrolle über ihre Finanzen übernehmen, Unternehmen davon überzeugt werden, dass die Zinsen nicht steigen und dass sich das Wirtschaftswachstum fortsetzen werde.

Aber dies ist pre-Great Depression Wirtschaft. Wie könnte die EU die Geschichte so missverstehen und die Lehren von John Maynard Keynes mit Verachtung behandeln? Keynes hat argumentiert, dass die Staaten während Rezessionen die Wirtschaft durch die Erhöhung der Ausgaben und die Senkung der Steuern ankurbeln müssen, nicht durch das Gegenteil, hebt Madrick hervor.

In der Praxis reduzieren grosse Budgetkürzungen oder Steuererhöhungen, wie Keynes zeigt, die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen, gerade wenn eine Erhöhung der Nachfrage erforderlich ist. Ins Stocken kommende Umsätze werden das Vertrauen von Unternehmen weit mehr untergraben als die Haushaltskonsolidierung sie ermutigt, legt Madrick dar. Die europäischen Politiker vertiefen die Finanzkrise, indem sie dies ignorieren. Und Millionen von Menschen werden deshalb unnätig leiden.

Die Sparpolitik (fiscal austerity) hat in den vergangenen zwei Jahren in keinem Land funktioniert. „Es gibt aber eine bessere Lösung“, so Madrick: „das Scheitern des Euro ist nicht notwendig. Die Eurozone und vielleicht die gesamte EU muss wie ein vereinigter Staat handeln und die Bereitschaft zeigen, anzuerkennen, dass sie die Verantwortung für die drastischen sozialen Auswirkungen der raschen Ausgabenkürzungen übernimmt. Die USA sind zwar nicht ein leuchtendes  Beispiel einer aufgeklärten Politik, aber die EZB muss die Schuldtitel der EU-Mitgliedländer garantieren, wie die Fed die Schuldtitel des US-Schatzamtes garantiert“.

„Deutschland hat die finanziellen Mittel, um die Rettung zu führen. Aber es blockiert die Fiskalunion, um wie ein einziges Land mit Mehrgefühl für alle Bürger der Eurozone zu agieren. Und es weigert sich, um umfangreiche, neue Konjunkturmassnahmen à la Keynes zu ergreifen. Ist dies eine neue nationale Arroganz?“, er hofft es nicht, so Madrick. Deutschland profitiert von der Krise, da die Investoren deutsche Staatsanleihen als sichere Häfen in den Turbulenzen kaufen. Die Verluste aus Krediten der deutschen Banken an der EU-Peripherie und aus den Exportmärkten werden aber Deutschlands Wirtschaft belasten.

Die europäischen Entscheidungsträger müssen ihre Besessenheit vom Defizitabbau überwinden. Der Beschluss, das Haushaltsdefizit auf weniger als 0,5% zu verringern, ist laut Madrick eine Katastrophe. Es wird zu einem sehr langsamen Wachstum für eine lange Zeit führen. Stattdessen müssen die EU-Länder vorübergehend Defizite zulassen, um das Wachstum zu fördern. „Selten waren die politischen Entscheidungsträger so armselig. Früher oder später werden die Bürger dieser Länder sagen, nicht mehr! Und die politische Instabilität wird folgen“, fasst Madrick zusammen.


Hat tip to Mark Thoma.

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