Freitag, 27. Januar 2012

Einzelne Unternehmer und Schaffung von Arbeitsplätzen

Paul Krugman befasst sich in seiner lesenswerten Freitagskolumne („Jobs, Jobs and Cars“) in NYT mit der Rede von Mitch Daniels.

Der republikanische Gouverneur aus Indiana antwortet auf Präsident Obamas Rede zur Lage der Nation (state of the union). Zunächst beschimpft Daniels den Präsidenten wegen seiner „ständigen Verunglimpfung der Menschen in der Wirtschaft“, was wie eine komplette Fertigung aussehe. Dann geht er dazu über, darzulegen, wie der verstorbene Steve Jobs Arbeitsplätze geschaffen habe, und zwar viel mehr als das Geld, das der Präsident für Konjunkturprogramme aufgenommen und verjubelt habe.

Wie aber die NYT am vergangenen Sonntag berichtet hat, beschäftigt Apple, obwohl es jetzt Amerikas grösstes Unternehmen ist (gemessen am Marktwert), in den USA nur 43‘000 Menschen, ein Zehntel so viel wie General Motors, als es das grösste amerikanische Unternehmen war, beschreibt Krugman.

Apple mag jedoch indirekt rund 700‘000 Menschen in ihren verschiedenen Lieferanten beschäftigen. Leider befindet sich aber fast keiner dieser Menschen in Amerika.

Warum stellt Apple im Ausland her, und v.a. in China? Wie der Artikel („How the US Lost Out on iPhone Work“) erläutert, hat es nicht einfach mit Löhnen zu tun, erklärt Krugman. China zieht grosse Vorteile aus der Tatsache, dass es dort bereits viel von Supply Chain gibt. Ein ehemaliges Apple-Vorstandsmitglied hat die Situation wie folgt geschildert: „Brauchen Sie tausend Gummidichtungen? Das ist die Fabrik nebenan. Brauchen Sie eine Million Schrauben? Das ist das Werk ein Block entfernt“.


Michigan Arbeitslosenquote, Graph: Prof. Paul Krugman

Das ist für Studenten der Wirtschaftsgeographie ein vertrautes Terrain: die Vorteile von industrial clusters (d.h. von industriellen Logistikanbietern), wo Hersteller, spezialisierte Zulieferer und Arbeitnehmer die Köpfe für gegenseitigen Nutzen zusammenstecken, was seit dem 19. Jahrhundert ein fortlaufendes Motiv ist, erläuter der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor.

Und die chinesische Fertigung ist nicht das einzige auffällige Beispiel für diese Vorteile in der modernen Welt. Deutschland bleibt ein sehr erfolgreicher Exporteur, auch wenn die Arbeitnehmer  pro Stunde 44 $ pro Stunde kosten, also viel mehr als die durchschnittlichen Kosten der amerikanischen Arbeitnehmer. Und dieser Erfolg hat laut Krugman viel mit der Unterstützung der KMU (dem berühmten Mittelstand) zu tun, die sich gegenseitig gemeinsame Lieferanten zur Verfügung stellen und qualifizierte Arbeitskräfte aufrechterhalten.

Der Punkt ist, dass erfolgreiche Unternehmen nicht isoliert existieren. Wohlstand ist von der Synergie zwischen Unternehmen abhängig, vom Cluster, nicht von den einzelnen Unternehmern.

Aber aus Sicht der GOP hat es mit heroischen Unternehmern zu tun, wie dem John Galt. Krugman meint Leute wie Steve Jobs, die „den Rest von uns mit Vorteilen überschütten und daher natürlich mit niedrigeren Steuersätzen belohnt werden müssen als die Steuersätze, die die vielen Mittelklasse-Arbeitnehmer zahlen“.

Und diese Vision hilft laut Krugman, zu erklären, warum die Republikaner so wütend auf die einzelne erfolgreichste politische Initiative der letzten Jahre gewesen sind: das Rettungspaket für die Autoindustrie.

Die Argumente für diese Rettungsmassnahme beruht entscheidend auf der Vorstellung, dass das Überleben eines jeden Unternehmens vom Überleben des breiteren Clusters von Herstellern und Lieferanten im industriellen Kernland Amerikas abhängt, hebt der Träger des Wirtschaftsnobelpreises hervor. Wenn man es zugelassen hätte, dass GM und Chrysler in Konkurs gehen, hätten die beiden Unternehmen wahrscheinlich viel von Supply Chain mitgenommen. Und Ford wäre auch den gleichen Weg gegangen.

Zum Glück hat die Obama-Regierung es nicht geschehen lassen. Und abgesehen von den Einzelheiten kann die Rede des Präsidenten Obama zur Lage der Nation als ein Versuch interpretiert werden, die Lehren aus diesem Erfolg im weiteren Sinne gelten zu lassen.

Als Fazit bemerkt Krugman, dass Daniels zwar falsch liegt, aber unabsichtigt, einen wichtigen philosophischen Unterschied zwischen den beiden Parteien aufzeigt. Während die eine Seite denkt, dass Volkswirtschaften nur dank heroischen Unternehmern vorankommen, hat die andere Seite überhaupt nichts gegen Unternehmer, denkt aber, dass Unternehmer eine fördernde Umgebung brauchen und dass der Staat manchmal helfen muss, um dieses stützende Umfeld zu schaffen oder aufrechtzuerhalten.

Und die Ansicht, dass es mehr als Business-Helden bedarf, ist diejenige, die den Tatsachen entspricht.

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