Sonntag, 3. April 2011

Der „Toil-Index“ misst die Kosten der Einkommensungleichheit

Das Pro-Kopf-Einkommen ist das auf das Jahr berechnete Durchschnittseinkommen der Einwohner eines Landes. Die Massgrösse gilt als die bei weitem sichtbare offizielle Zusammenfassung des wirtschaftlichen Wohlergehens eines Individuums. Die vielen Mängel des Pro-Kopf-BIP sind aber allgemein bekannt. Was der Wohlstandsindikator vollkommen ignoriert, sind die Auswirkungen von Veränderungen in der Verteilung des Einkommens, bemerkt Robert H. Frank in einem lesenswerten Essay („Gauging the Pain of the Middle Class“) in NYT. Die Kosten der Einkommensungleichheit sind notorisch schwer zu messen, hält der an der Cornell University, Johnson Graduate School of Management lehrende Wirtschaftsprofessor fest. Doch ein einfacher zusätzlicher Index, der aus leicht verfügbaren Daten berechnet werden kann, kann dazu beitragen, die Änderung des Verteilungsmusters von Familien mit mittlerem Einkommen zu erfassen: Der „Toil-Index“. So nennt Frank den von ihm entwickelten Index, der die Anzahl der Stunden misst, die der Median-Verdiener jeden Monat schuften muss, , um sich ein Haus in einem Schulbezirk von mindestens mittlerer Qualität mieten zu können.


Monatliche Arbeitszeit, die der Median-Verdiener benötigt, um ein Median-Haus mieten zu können, Graph: Prof. Robert H. Frank, in: „Supplementing Per-Capita GDP as Measure of Well-Being“, Jan,. 2011

Anders als das Pro-Kopf-BIP, welches abgesehen von kurzen Rezessionen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges mit einer starken und konstanten Rate gewachsen ist, ist der Toil-Index deutlich volatiler verlaufen, hebt Frank hervor. Die Schwankungen legen nahe, dass die jüngste Zunahme der Einkommensungleichheit erhebliche wirtschaftliche Kosten für Familien mit mittlerem Einkommen gebracht hat.

Von 1950 bis 1970 ist das Einkommen für Familien aller Einkommensschichten schnell und bei etwa gleicher Geschwindigkeit gewachsen: im Durchschnitt fast 3% jährlich. Von 1970 bis 2000 änderte sich jedoch das Muster stark. Einkommen der obersten 1% legte mehr als verdreifacht zu, während das mittlere Haushaltseinkommen (median houshold) um weniger als 15% stieg.


Median-Lohn und Median-Hauspreis (1950-2000), Graph: Prof. Robert H. Frank, in: „Supplementing Per-Capita GDP as Measure of Well-Being“, Jan,. 2011

Obwohl das zunehmende Einkommensgefälle nach gängiger Lesart inzwischen ein Problem ist, gab es keine praktische Möglichkeit, die tatsächlichen Kosten zu messen. Der Toil-Index befasst sich damit. Der Index lehnt die Standardannahmen der Ökonomie ab, dass der Wohlstand in erster Linie vom absoluten Verbrauch abhängt. Stattdessen nimmt der Index an, dass der Zusammenhang des Konsums oft weit wichtiger ist. Der Kontext ist wichtig, weil das Gehirn zu jedem Werturteil einen Bezugsrahmen benötigt, erklärt Frank

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