Donnerstag, 21. April 2011

Armselige Ratingagentur

Brad DeLong befasst sich in einem lesenswerten Essay („S&P aims to whip Congress into debt action“) in FT mit der Ankündigung einer möglichen Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA durch die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P). „Die Aktienkurse sind um mehr als 1,5% abgesackt. Aber der Dollar hat sich nicht abgeschwächt. Und die Renditen der US-Treasury Bonds sind nicht gestiegen“, beschreibt der an der University of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor. Die Märkte gehen seiner Ansicht nach davon aus, dass der S&P-Schritt wichtig ist, nicht weil damit etwas Neues über die Wirtschaft verkündet wird, sondern wegen der politischen Auswirkungen in Washington. Worum geht es also? Eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit eines Staates bedeutet, dass die Staatsfinanzierung wackeliger wird, legt DeLong dar. Dies bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit einer Inflation steigt, während der künftige Wert des nominalen Wechselkurses abnehmen würde, mit der Möglichkeit, dass die Gläubiger ihre Gelder in der Form und zum Zeitpunkt, wie sie sich vergegenwärtigen, nicht zurück bekämen, so DeLong.

Wenn das alles wahr wäre, könnten die Aktienkurse so oder so gegangen sein: wirtschaftliches Chaos würde die künftigen Gewinne von Unternehmen schmälern. Aber die Aktien bilden eine gute Absicherung gegen die Inflation. Doch der Wert des Dollars hätte auf alle Fälle fallen sollen, während die nominalen Zinsen steigen müssten. Das ist aber nicht das, was nach der S&P-Kritik passiert ist, schildert der ehemalige Staatssekretär im US-Finanzministerium. Stattdessen ist der Dollar Wechselkurs gestiegen. Die nominalen Zinssätze sind unverändert geblieben.

Was die Märkte sagen, ist, dass die S&P-Mitteilung als die erhöhte Chance im Hinblick auf eine Einigung für einen langfristigen Haushalt im Kongress betrachtet wird, fasst DeLong zusammen.

PS:
Paul Krugman wundert sich in seinem Blog, wie viel Aufmerksamkeit und Glaubwürdigkeit der S&P aufgrund der Warnung vor den US-Schulden zuteil wird. Würde es darauf ankommen, müssten die Renditen am 18. April, den Tag der S&P-Ankündigung kräftig zulegen. Das ist aber nicht der Fall. Die Renditen der US-Treasury Bonds mit 10 Jahren Laufzeit sind gefallen. Krugman tauscht daher die Satzgliedteile aus: Aus „Standard & Poor’s“ wird „Poor & Standards“: d.h. armselige Standards. Poor (engl.)=armselig, mangelhaft.

PPS:
Auch Dean Baker ist zu Recht über die vorherrschende Praxis unzufrieden, dass jede Höhernotierung der Renditen als Widerspiegelung der Ängste vor Verschuldung gedeutet wird, wie ein Artikel in Washington Post nahelegt, diesmal mit einem Hinweis auf Grossbritannien. Der Anstieg der Renditen von 3,0% im Jahr 2009 auf 4,2% in der Gegenwart sei ein Anzeichen dafür, dass die Gläubiger des Landes beginnen, nervös zu werden, weil Grossbritanniens Staatsschulden nicht mehr tragfähig sind. Der Artikel besagt aber nicht, wie diese Ermittlung gemacht wird. Die naheliegende Erklärung ist, dass die britische Wirtschaft aus dem freien Fall kommt. Während dieses freien Falls waren Grossbritanniens Staatspapiere eine der wenigen vertrauenswürdigen Vermögenswerte, sodass dafür aussergewöhnlich niedrige Zinsen gezahlt wurden, legt Baker dar. Eine Rendite von 4,2% ist zudem real weniger als 2,0%, was im historischen Vergleich immer noch extrem niedrig ist. Beispielsweise betrug die reale Rendite der US-Staatsanleihen in den 1990er Jahren 2-3%, als der Haushalt einen Überschuss aufwies. Es wäre in dem zitierten Artikel erwähnenswert gewesen, dass Hunderttausende von Arbeitnehmern in Grossbritannien derzeit arbeitslos sind, sodass das Land sein Top-Rating beibehalten kann.

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