Es geht um die Problematik der geordneten Liquidation der sog. systemrelevanten Finanzinstitute. Die Gesetzgebung der Dodd-Frank-Finanzreform verleiht der Einlagensicherungsbehörde (FDIC: Federal Deposit Insurance Corporation) die Macht, zu intervenieren und die Abwicklung einer zusammengebrochenen Bank oder eines Finanzinstitutes zu verwalten. Über die Amtsbefugnis gibt es zwei stark vertretene Ansichten, schreibt Simon Johnson in einem lesenswerten Artikel („The Problem With the FDIC’s Power“) in NYT : (1) Die Befehlsgewalt würde das Problem der Handhabung der scheiternden Megabanken im Wesentlichen lösen und (2) die Ordnungsinstanz wäre hauptsächlich irrelevant.
Die beiden Ansichten werden von gut informierter Leute an der Spitze der regulatorischen Strukturen vertreten, auf beiden Seiten des Atlantiks, hebt der ehem. Chefökonom des IWF hervor. Was ist richtig? Tim Geithner, der US-Finanzminister hat wiederholt argumentiert, dass die neuen Befugnisse im Fall von Lehman Brothers einen Unterschied machen würden. Die FDIC hält in einem aktuellen Bericht fest, dass die Behörde, wenn sie die derzeitige Kompetenz Anfang 2008 gehabt hätte, viel früher in die Suche nach einer alternativen Lösung hätte involviert werden können.
Die FDIC argumentiert, dass die Behörde eine endgültige Liquidation in einer Weise gehandhabt hätte, die weniger kostspielig für das System und die Gläubiger gewesen wären. Es gibt aber zwei grosse Probleme in dieser Analyse, beschreibt Johnson: (I) politische Restriktionen und (II) die grundlegende Realität, wie diese Art von Angelegenheiten funktioniert.
Auf der politischen Ebene: Man kann die Anwesenheit von Hank Paulson, dem damaligen Finanzminister nicht ignorieren. Paulson hat sich standhaft geweigert, auch in einer Zeit nach dem Beinahe-Zusammenbruch von Bear Stearns, proaktive oder präventive Rolle im Hinblick auf die Stärkung des Finanzsystems zu übernehmen, geschweige denn zu intervenieren, die gescheiterten oder potenziell gefährdeten Grossfirmen aufzubrechen.
Der IWF hat z.B. im Frühjahr 2008 vorgeschlagen, das Scheitern von Bear Stearns zum Anlass zu nehmen, um die Nachteile für das Finanzsystem zu verringern. Im Vergleich zu hypothetischen Varianten, die heute von der FDIC diskutiert werden, sind die Vorschläge des IWF besonders bescheiden gewesen, legt Johnson, der damals als IWF-Chefökonom zugegen war, dar. Auf jeden Fall sind die Ideen, die der IWF präsentiert hat, vom amerikanischen Schatzamt zurückgewiesen worden.
Paulson war sehr einflussreich, wie das System funktioniert und wie er selbst in seiner Denkschrift („On The Brink“) offen zum Ausdruck bringt, betont der an der MIT Sloan lehrende Wirtschaftsprofessor. Er hatte eine direkte Leitung zum Präsidenten und er war der ranghöchste „Experte“ in der US-Regierung und er hatte den Vorsitz der Arbeitsgruppe für Finanzmärkte (Working Group on Financial Markets) des Präsidenten. Unter der Dodd-Frank-Gesetzgebung wäre er noch mächtiger geworden: als Vorsitzender des Financial Systemic Risk Council (FSOC) und als die Person, die beschliesst, ob die FDIC als Treuhänderin (Konkursverwalterin) ernannt wird oder nicht.
Es ist also unvorstellbar, dass die FDIC im Frühjahr 2008 ohne Zustimmung des Finanzministeriums eine intrusive Aktion hätte unternehmen können. Das Weltbild der US-Regierung in Bezug auf den Finanzsektor ist: Hände weg und Intervention nur, wenn absolut notwendig, fasst Johnson zusammen.
Darüber hinaus berichtet Johnson von einem Gespräch, welches er mit einem Senior Regulator aus Europa geführt hat. Die Idee, mit einer grenzüberschreitenden Resolution Authority eine Megabank ordentlich abzuwickeln, sei vollkommen eine Illusion. Selbst wenn wir eine grenzüberschreitende Vereinbarung zur Abwicklung von Aktiva und Passiva einer Megabank hätten, wäre es ein grosser Fehler, anzunehmen, dass eine solche Abwicklung ohne systemische Konsequenzen erfolgen würde.
Sheila Baire, Vorsitzende der FDIC hat darauf hingewiesen, dass „living wills“ für solche komplizierte Operationen sehr unwahrscheinlich funktionieren würden. Vielleicht nur dann, wenn die Megabanken vereinfacht werden könnten. Aber jeder Versuch, den die Regierung zur Vereinfachung der grossen Finanzinstitute unternimmt, muss durch das Finanzministerium und das FSOC, die einen entscheidenden Einfluss haben, abgesegnet werden. Die Finanzinstitute haben kein Interesse an Vereinfachung, weil sie auf die „Too Big To Fail“-Subvention nicht verzichten wollen. Und viele Investoren schätzen diesen Schutz als „Put-Option“.
Fazit: Eine Resolution Authority würde für kleine und mittlere Banken funktionieren. Aber es wäre eine Illusion, zu glauben, dass die Abwicklungsbehörde die Probleme des bevorstehenden Zusammenbruchs einer oder mehrerer globalen Megabanken lösen könnte, schlussfolgert Simon Johnson.
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