Viele sind von dem enormen Anstieg der Einkommensungleichheit in den USA in den vergangenen 30 Jahren heimgesucht worden. Die Reichen sind reicher geworden, während sonst jeder nur ein sehr bescheidenes Einkommenswachstum erfahren hat. Viele blenden die Ungleichheit aus und konzentrieren sich stattdessen auf das Argument „Gesamtwachstum“, dass alle von den hohen Wachstumsraten profitieren würden: „a rising tide lifts all boats“, beschreiben Andrew G. Berg und Jonathan D. Ostry in einem lesenswerten Beitrag („Warning! Inequality May Be Hazardous to Your Growth“) iMFdirect, dem Blog des IWF. “Eine steigende Flut würde also alle Boote zum Schwimmen bringen“. Aber angenommen, wir haben tausend Boote, die alle Haushalte in den USA repräsentieren, mit Bootslänge proportional zum Familieneinkommen. In den späten 1970er Jahren war das durchschnittliche Boot ein 12 Fuss Boot und die grösste Yacht 250 Meter lang. 30 Jahre später ist das durchschnittliche Boot mit 15 Fuss etwas geräumiger geworden, während die grösste Yacht über 1'100 Fuss beträgt, was die „Titanic“ wie ein Zwerg erscheinen lässt. Wenn eine Handvoll Yacht Ozeanriesen werden, während der Rest niedrige Kanus bleiben, ist etwas ernsthaft übel, halten die Autoren fest.
Andauer von „Growth Spells“ und Ungleichheit, Graph: Andrew G. Berg und Jonathan D. Ostry
In der Tat kommt es auf die Ungleichheit an. Und es ist von entscheidender Bedeutung in allen Ecken der Welt. Man braucht nicht weiter zu schauen, als auf das, was sich gerade im historischen Wandel im Nahen Osten abspielt. Der Anstieg der amerikanischen Einkommensungleichheit in den letzten Jahrzehnten ist dem Anstieg in den 1920er Jahren auffallend ähnlich. In beiden Fällen gab es einen Boom im Finanzsektor: arme Menschen haben sich stark verschuldet und alles endete in grossen Finanzkrisen, legen die Autoren dar. Berg und Ostry werfen vor diesem Hintergrund die Frage auf, ob die jüngste Finanzkrise irgendwie aus der Zunahme der Ungleichheit herrührt? „Seit einiger Zeit interessieren wir uns für starkes Wachstum („growth spells“) und was es fortfährt. Der urspüngliche Gedanke war, dass manchmal Krisen passieren, wenn die Dauer des starken Wachstums („growth spells“) zu Ende geht, wie es vielleicht in Japan in den 1990er Jahren aufgetreten ist“, schildern die Autoren.
Mit dem Ansatz wie ein medizinischer Forscher, der auf Alter, Gewicht, Geschlecht, Rauchgewohnheiten achtet, haben die Autoren etwas ähnliches gesucht, was wohl die Dauer das langen Waschtums zu Ende bringt, indem sie sich auf Faktoren wie politische Institutionen, Gesundheit und Bildung, makroökonomische Instabilität, Verschuldung, Öffnung des Handels und usw. konzentriert haben. Sie haben herausgefunden, dass die hohe Wachstumszauber in den Ländern mit weniger ausgewogener Einkommensverteilung viel eher zu Ende ging. Der Effekt ist gross.
Auswirkung der Zunahme der Faktoren auf die Dauer von „Growth Spell“, Graph: Andrew G. Berg und Jonathan D. Ostry
Zum Beispiel schätzen die Autoren, dass die Schliessung der, sagen wir, Hälfte der Ungleichheit zwischen Lateinamerika und Schwellenländern Asiens die erwartete Dauer eines „growth spells“ verdoppeln würde. Ungleichheit scheint ein grosser Unterschied auszumachen, fast unabhängig davon, wie die anderen Variablen im Modell definiert werden.
Es wäre ein grosser Fehler, das Wachstum und die Einkommensverteilung gesondert zu analysieren, schlussfolgern die Autoren. Die unmittelbare Rolle der Politik sei jedoch weniger klar. Mehr Ungleichheit verkürze wohl die Dauer des Wachstums, aber schlecht konzipierte Bemühungen zur Verringerung der Ungleichheit könnten kontraproduktiv sein. Wenn sie die Anreize verzerren und dadurch das Wirtschaftswachstum untergraben, können sie für die Armen viel mehr Schaden anrichten als Nutzen.
Wenn es kurzfristige trade-offs zwischen den Auswirkungen der Politik auf das Wachstum und die Einkommensverteilung gibt, sage der Nachweis in ihrer Forschungsarbeit der Autoren nicht selbst, was zu tun ist. Aber die Analyse sei für das Kippen der Balance in Richtung langfristige Vorteile einschliesslich der wachstumsorientierten Ungleichheit, betonen die Autoren. Über längere Sicht stellen eine reduzierte Ungleichheit und ein nachhaltiges Wachstum die zwei Seiten derselben Medaille dar, heben die Ökonomen als Fazit hervor.
PS: Die Autoren definieren „Growth Spells“ als das Zeitintervall beginnend mit einem Wachstum-Sprung und endend mit einem Zusammenbruch. Das Ziel ist, die Trends zu überprüfen, nicht die vorübergehenden Vorfälle wie z.B. Erholungen von Rezessionen oder die Auswirkungen von starken Sprüngen im Preis eines wichtigen Exportgutes. Es folgt, dass das Objekt der Untersuchung (growth spells) nicht zu kurz sein darf: In der Praxis bedeutet das laut Autoren eine minimale Länge von acht Jahren.
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