Montag, 4. April 2011

Warum makroprudentielle Politik notwendig ist

Die Finanzkrise hat gezeigt, dass systemische und makroökonomische Aspekte in der Regulierung stärker berücksichtigt werden müssen, um die Robustheit des Bankensektors zu erhöhen, wie die Schweizerische Nationalbank (SNB) im vergangenen Jahr unterstrichen hat. Das Problem mit der Dodd-Frank-Reform und mit Basell III ist, dass sie mit dem Banken-System beginnen, nicht mit den Schatten-Bankensystem, schreibt Perry Mehrling in einem lesenswerten Beitrag („Regulation the Shadow Banking System“) in The Money View. „Ehre, wem Ehre gebührt. Jeder schätzt jetzt ein, dass die sog. „mikroprudentiellen“ Schutzmassnahmen nicht genug sind, und das gilt, selbst wenn wir den herkömmlichen Fokus auf die Solvenz (capital adequacy) ausweiten, was auch die Liquidität einschliesst“, bekräftigt der an der Barnard College, Columbia University lehrende Wirtschaftsprofessor. Erforderlich sind auch „makroprudentielle“ (macroprudential) Massnahmen, um der sichtbaren Instabilität des Systems als Ganzes Grenzen zu setzen, so Mehrling. Was heisst das aber?

Was früher damit gemeint war, war die Kontrolle der finanziellen Aggregate (financial aggregates), im Sinne von Hawtreys Forschung im Hinblick auf die inhärente Instabilität des Kreditwesens, erklärt Mehrling. Expandiert der aggregierte Kredit zu schnell, dann muss aufgepasst werden. Expandiert die Gesamtgeldmenge (aggregate money), dann muss sofort gehandelt werden, weil es sonst bald zu spät sein wird. Diese alte Weisheit der Zentralbanken ist heute oberflächlich, v.a. aus Mangel an etwas Besserem, legt Mehrling dar. „Es ist daher wahrscheinlich, dass eine der Ursachen der Krise war, dass die gesamtwirtschaftliche Fristentransformation (maturity transformation), die durch das Finanzsystem entwickelt wurde, in den Jahren vor der Krise deutlich gewachsen ist, aber von uns leider nicht beobachtet wurde“, so Adair Turner neulich an der Cass Business School.

Was Turner mit dem Wachstum der „Fristentransformation“ meint, ist die Expansion des gesamtwirtschaftlichen Kredits (aggregate credit), finanziert durch die Expansion der gesamtwirtschaftlichen Geldmenge (aggregate money). Diese Rückkehr zu Hawtreyan Denkweise ist ein grosser Schritt vorwärts, vergleichsweise, aber es ist nur der erste Schritt. Was wir brauchen, ist Hawtreyan Denken, aber mit Bezug auf die modernen Schatten-Banken-Bedingungen, erklärt Mehrling.

Hawtreys Idee, angemessen mit den Bedingungen seiner Zeit, war, dass die makroökonomische Instabilität aus der übermässigen Expansion der Bankkredite stammt, was bedeutet, dass die Kreditvergabe durch die monetäre Expansion finanziert würde. Das moderne Kreditsystem ist aber kein Bank-Kreditvergabe-System, sondern ein Kapitalmarkt-System. Das ist einer der Gründe, warum das sich entwickelnde Problem übersehen
wurde, schildert Mehrling.

Seiner Ansicht nach reicht es aber nicht aus, die Hawtrey Analyse auf die Vermögenswerte (credit) und Verbindlichkeiten (money) des Schatten-Bankensystems anzuwenden bzw. zu erweitern. Warum? Mehrling nennt das folgende Beispiel: Ein konservativer Asset-Manager (old-line) investiert das Geld seiner Kunden in ein Portfolio mit riskanten Anleihen. Der Asset-Manager von heute (new-line) bietet seinen Kunden genau dasgleiche Risiko an, indem er Credit Default Swaps (CDS) und Interest Rate Swaps kauft, während er das Geld der Kunden in ein Portfolio, welches aus kurzfristig risikolosen Geldmarktanlagen besteht, investiert.

Eine Möglichkeit, das Schatten-Bankensystem in das Denken miteinzubeziehen, ist, dass es nur das Spiegelbild der Asset-Management Strategie von heute darstellt. Die Schatten-Banken kaufen riskante Anleihen, aber sie verkaufen das Risiko, indem sie Derivate einsetzen und das Portfolio als Ganzes am Interbankengeldmarkt (wholesale money market funding) kurzfristig finanzieren. Der entscheidende Punkt ist, dass sich die Teilung der alten Asset Management Strategie von der neuen Asset Management Strategie auf der einen Seite und das Schatten Bankensystem auf der anderen Seite statistisch als gleichzeitige Zunahme der Nachfrage und Angebot von Geld zeigen.

Wird Hawtreys Ansatz erweitert, dann sieht die institutionelle Neuausrichtung aus wie ein Fall der Kreditexpansion durch die Geldexpansion. Die Analyse würde aber damit die wichtige Rolle des Derivate-Marktes verfehlen. „Die Derivate-Exposure der Asset-Manager ist einfach das Spiegelbild der Derivative-Hedging Aktivitäten der Schatten-Banken. Aus dieser Sicht muss die Reform der OTC-Derivate im Mittelpunkt eines jeden Versuchs stehen, das Problem der Regulierung des Schatten Bankensystems anzugehen“, schlussfolgert Mehrling.



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